Wie wird's Wetter? Unter Bergsportlern ist diese Frage keine Floskel, sondern mitunter überlebenswichtig. Was man in der Tourenplanung über die Wetterprognose wissen sollte und wie man unterwegs ein Auge auf die Wetterentwicklung wirft: Wir haben uns bei Experten erkundigt.
Blick in den App-Store: Unzählige Tools versprechen kostenlose Wetterprognosen. Goldene Zeiten für Bergsportler – nachdem der Wettercheck bekanntlich ein Fixteil jeder Tourenplanung sein sollte? „Die Angebotsvielfalt ist nicht unproblematisch", rät Meteorologe Hannes Rieder vom ZAMG-Kundenservice Steiermark zur Vorsicht. „Nicht, weil diese Apps unseriös wären. Aber die meisten basieren auf einem globalen Wettermodell, in der Regel auf dem amerikanischen. Das ist kostenlos zugänglich und daher bei Gratisdiensten beliebt, mit 27 km allerdings sehr grob gerastert. Das heißt, es kann regional doch zu starken Abweichungen von der Prognose kommen."
Außerdem, erklärt Rieder weiter, würden die Prognosen dieser Apps fast immer automatisiert erstellt. Die Meteorologen der österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) stützen sich dagegen auf mehrere weltweite Prognosenmodelle und erstellen daraus eigene, regionale und sehr viel feiner gerasterte Prognosen – in der Regel für 2,5 oder sogar 1 km horizontale Auflösung. Die Meteorologen optimieren diese Modelle also speziell für den Alpenraum. Das ermöglicht deutlich exaktere Prognosen und bezieht regionale Einflüsse, etwa die Topografie mit ein.
WENN DAS WETTER UMSCHLÄGT
Diese Genauigkeit ist für Bergsportler tatsächlich besonders wichtig. Im Bergland ändert sich das Wetter viel rascher als im Flachland; Unwetter fallen kleinräumiger, aber nicht selten umso heftiger aus. „Gewitter entstehen deshalb oft zuerst in den Bergen, da die Luft hier zum Aufsteigen gezwungen wird. Dadurch bilden sich Quellwolken und in der Folge sehr rasch Schauer und Gewitter", weiß Rieder.
Zwischen wolkenlosem Himmel und einem schweren Unwetter liegen im Bergland manchmal nicht mehr als 20 Minuten! Und ein, zwei Grad Temperaturunterschied machen in der sensiblen alpinen „Wetterküche" oft schon den Unterschied aus, ob es an einem Sommertag einfach herrlich wolkenlos bleibt – oder aber ein heftiges Unwetter entsteht. Wir wissen jetzt also: Bleibt es trotz Gewitterwarnung schön, hat sich der Meteorologe nicht geirrt, die Warnung hatte schon ihre Berechtigung. Bis ins letzte Detail lässt sich das Wetter auch mit den modernsten wissenschaftlichen Methoden nämlich nicht vorhersagen ...
WISSEN, WO MAN NACHSCHAUT
Wo bekommt man als Sportler nun also eine wirklich empfehlenswerte Prognose her? Meteorologe Rieder: „Die Wetterseiten der heimischen Alpinvereine, wie etwa jene der Naturfreunde, greifen auf die ZAMG-Daten zurück. Und die dort veröffentlichten Prognosen sind auch bergspezifisch und daher zu empfehlen."
Am besten ist allerdings ein Anruf bei den ZAMG-Kundenservicestellen in den Bundesländern. Dafür gibt es Hotlines, die zwar gebührenpflichtig sind, die ungefähr vier Euro, die solch ein zweiminütiger Anruf kostet, sind aber eine gute Investition in die Sicherheit. Man nennt dem Wetterprofi am anderen Ende der Leitung einfach das Gebirge und den Zeitraum, in dem man unterwegs sein will – und bekommt sofort eine wirklich persönliche und punktgenaue Prognose anhand der aktuellsten Vorhersagedaten durchgegeben.
DIE PLANUNG UND DAS WETTER
Wie geht man konkret beim Thema Tourenplanung mit der Wetterprognose um? Naturfreunde-Experte Arnold Studeregger empfiehlt dazu:
Drei bis vier Tage vor der Tour schaut man sich die lokale Wetterprognose auf einer für Bergsportler geeigneten Webseite an (z. B. bei den Wetterdiensten der Alpinvereine oder auf den Bergwetterseiten der ZAMG) und richtet seine Tourenplanung danach aus. Gut wäre es, schon einen Plan B, etwa in Form einer kürzeren Alternativtour bereit zu haben. Danach empfiehlt sich ein tägliches kurzes Wetter-Update. Ändern sich dabei die Prognosen öfters, weist das auf eine unsichere Wetterentwicklung hin.
Am Vortag der Tour bringt ein Anruf bei den ZAMG-Kundenservicestellen Gewissheit. Der zuständige Meteorologe erstellt punktgenau für den anvisierten Berg „live" seine Prognose, zudem informiert er auch bei unsicherer Wetterlage, mit welchen Wahrscheinlichkeiten und ab welchem Zeitpunkt etwa mit Gewittern zu rechnen ist.
GEWITTER-FAKTEN | |
Die Gewittersaison: | beginnt meist Mitte Mai und dauert bis Mitte September. Ab Oktober ist das Gewitterpotenzial schon klein. |
Die Tageszeit: | Statistisch ist der Zeitraum ab 14 Uhr bis in den frühen Abend hinein gefährlich. Die Vormittage sind meist noch günstig. |
Die regionale Verteilung: | Es gibt „Gewitterberge" und solche, wo es weniger häufig blitzt und donnert. Diese „Gewitter-Hotspots" können Meteorologen aus der langjährigen Statistik herauslesen – was im Einzelfall freilich nichts über das Gefahrenpotenzial einer gerade herrschenden Wetterlage aussagt ... |
ZWEI ARTEN VON GEWITTERN
Gewitter sind im Sommer natürlich die Hauptgefahr, die in den Bergen vom Wetter ausgeht. Eine sommerliche Gewitterlage heißt aber nicht, dass unter keinen Umständen eine Tour unternommen werden sollte. Es kommt vielmehr auf die Art des prognostizierten Gewitters an:
- Wärmegewitter: Die typischen Sommergewitter entstehen in der Regel zwischen 12 und 20 Uhr. Es gilt: zeitig starten und früh von der Tour wieder zurück sein.
- Kaltfront-Gewitter: Entstehen Gewitter aufgrund eines Wetterwechsels, ist die Lage viel unberechenbarer. „Hier besteht bloß die Möglichkeit, mit seiner Tour in eine andere Gebirgsgruppe, wo das Wetter noch länger stabiler ist, auszuweichen. Oder ganz darauf zu verzichten", sagt Arnold Studeregger.
- Wetterstürze sind beim Bergsport generell gefährlich – auch abseits von Blitz und Donner: Bei Touren im Gebirge sollten Regenschutz, Haube und Handschuhe sowie warme Kleidung immer im Rucksack sein.
DAS LESEN DER WOLKEN
Auf der Tour empfehlen die Wetterprofis, vor allem die Wolken im Auge zu behalten. Was man mit geübtem Blick dort erkennen kann, erklärt wieder Meteorologe Hannes Rieder:
Wolken entstehen – und zerfallen gleich wieder: Dabei handelt es sich meist um „blumenkohlartige" Wolken, die im Aufsteigen entstehen und rasch wieder zerfallen. „Das deutet auf eine stabile oder höchstens leicht labile Wetterlage hin. Und somit darauf, dass es an diesem Tag mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Unwetter geben wird."
Wolken ziehen in unterschiedliche Richtungen: Tief liegende Wolken können durchaus in die eine, hoch liegende in die entgegengesetzte Richtung ziehen: „Diese sogenannte ‚Windscherung' ist ein Alarmzeichen: Gewitter drohen an diesem Tag kräftig zu werden."
Die „Wolkenbasis": In welcher Höhe die Wolken beginnen, lässt sich anhand der Berggipfel meist gut abschätzen: Eine Wolken-Untergrenze von 2.500 m deutet auf geringe Gefahr hin. Tiefer liegende Quellwolken können ein Zeichen für potenziell kräftige Gewitter sein. Reichen Wolken bis auf 1.500 m oder noch tiefer hinunter, ist das ein großes Alarmsignal.
Der „Chaotische Himmel": Darunter versteht man unterschiedliche Wolkenarten, die sich gleichzeitig am Himmel zeigen. „Das ist ein typisches Zeichen dafür, dass sich das Wetter umstellen oder dass es Gewitter geben wird."
Aufsteigende Wolken, die sich an einem punkt stauen: Wolken, die sich wie an einer „unsichtbaren Mauer" aufstauen, sind ebenfalls als Warnsignal ernst zu nehmen. Und das heißt, wenn möglich, die Tour abzukürzen. „Die Wolken stoßen dabei an eine ‚Sperrschicht', die bedingt belastbar ist. Wenn der Druck zu groß ist, explodiert die Lage: Dann gibt es schwere Gewitter."
Die Experten | MAG. DR. ARNOLD STUDEREGGER-RENNER (li.)ist gerichtlich beeideter Sachverständiger für Alpinistik und Naturfreunde-Experte. MAG. HANNES RIEDER (re.) ist Meteorologe an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Kundenservice Steiermark in Graz. Web: www.zamg.ac.at, www.naturfreunde.at/wetter |