Er fuhr die legendäre Rampage, zählte zu den besten Four-Crossern der Welt und stieg schließlich aufs E-Bike um: Guido Tschugg ist erfolgreicher Freerider – und leidenschaftlicher Pionier auf zwei Rädern.

Axel Rabenstein
Axel Rabenstein

Guido, was treibst du?
Ich sitze im Bagger.

Was wird gebaggert?
Wir bauen einen Asphalt-Pump-Track für die Gemeinde Wallersdorf in Niederbayern. Dank meiner Erfahrung als Rider weiß ich, was den Kids Spaß macht. Ich habe bei der Planung geholfen, jetzt setzen wir es um. 

Wie viele solcher Strecken hast du schon gebaut?
Konzipiert habe ich um die 20 Strecken, mal privat, für einen Verein oder komplette Anlagen für Gemeinden. Inzwischen besitze ich eigene Baumaschinen. Und ich baggere am liebsten selbst, weil ich genau weiß, wie die Wellen und Absprünge aussehen müssen.

Du bist seit Jahrzehnten auf dem Rad aktiv. Was bedeutet Radfahren für dich?
Fahrtwind! Draußen sein. Sich ins Gelände, in Sprünge und Kurven hineinzufühlen. Du spürst den Grip und tastest dich durch die Verlagerung des Körpergewichtes an dein Limit ran – von voller Traktion über leichtes Driften bis zum Wegrutschen.

Ist Radfahren ein Sport oder viele Sportarten?
Von Roadbike bis Downhill ist es ein breites Spektrum. Was das Radfahren für mich ausmacht, ist die Tatsache, dass du Sport treibst ohne darüber nachzudenken. Weil du so viel Spaß dabei hast, dass die körperliche Anstrengung nicht so präsent ist wie beim Laufen oder anderen Sportarten.

Was hältst du von Leuten, die am liebsten bergauf fahren?
Jeder darf entscheiden, was ihn glücklich macht! Ich persönlich fahre Berge vor allem deshalb hoch, um sie auf einem schönen Trail wieder abzufahren.

Fährst du auch Rennrad?
Ja, sogar gerne! Aber meistens nur eine Stunde, oft mit meiner Frau, dann unterhalten wir uns in Ruhe. Pässe oder stundenlange Touren fahre ich aber nicht.

Du bist im Jahr 2000 Profi geworden. War früher alles radikaler, als man noch mit ungefederten Bikes unterwegs war?
Ich denke, die Art zu fahren ist mit den Bikes mitgewachsen. Das Mehr an Federweg hat die Strecken verändert. Als ich 2004 bei der Redbull Rampage in Utah am Start war, ging es noch mehr ums technische Fahren, ums Bewältigen der Strecke. Heute werden ganz gezielt Sprünge gebaut, der Fokus liegt auf spektakulären Tricks.

Wäre eine Rampage auch als E-Bike-Event denkbar? Erst hoch und dann runter?
Es sollte eine Strecke sein, die mit dem normalen Rad nicht machbar ist, damit das E-Bike voll zur Geltung kommt. Da könnte in der Tat etwas kommen, Gespräche für ein Event dieser Art wurden schon geführt.

Thema E-Bike: Erinnerst du dich noch an dein erstes Mal?
2012! Es war ein Hardtail, eher für die Family, zum Kinderanhängerziehen. Mit einem Riesenmotor drin. Hat aber direkt Spaß gemacht, und ich hatte sofort Lust auf mehr. 

In der Szene gibt’s noch immer Vorbehalte gegenüber E-Bikes. Warum?
Ich denke, dass viele Mountainbiker noch immer der Ansicht sind, das E-Biken wäre nicht anstrengend. Im vergangenen Jahr bin ich die EWS-E gefahren, die elektrische Enduro-World-Serie. Da bist du sechs Stunden unterwegs, fährst drei Akkus leer. Je nach Stage gibt es Etappen auf Zeit, dann Verbindungsetappen, die sehr technisch und kurz vorm Schieben sind. Das ist definitiv harter Sport, danach bist du platt.

Formel 1 oder Motocross sind ja auch akzeptiert. 
Absolut! Und ich habe sogar Motocross-Kollegen, die ihre Bikes verkaufen und auf E-Bikes wechseln. Es ist weniger Aufwand, weniger Schutzausrüstung und passt viel besser zur Familie. Du musst nicht zu einer Strecke fahren, weil Umweltauflagen und Lärmschutz dich beschränken, sondern steigst direkt vor der Haustür auf.

Welche Möglichkeiten eröffnet das E-Bike gegenüber dem klassischen MTB?
Du kannst in kurzer Zeit viel mehr fahren. Beim Downhill brauchst du keinen Shuttle, keinen Lift, sondern fährst einfach hoch. Du kannst viel größere Gebiete erkunden. Als Anfänger sollte man allerdings gut planen, wohin man fährt. Bergabschieben ist nicht unbedingt die schönste Freizeitbeschäftigung. Auch zum Regenerieren ist ein E-Bike übrigens super. Du bist locker unterwegs und fährst trotzdem hoch auf deine Lieblingsalm. Ob zum Erholen, nach einer Verletzung oder in Gruppen mit verschiedenen Fitness-Levels. Die Modi ­geben dir alle Möglichkeiten, ich fahre eigentlich nur noch E-Bike.

Wenn du das Gewicht gewohnt bist, fährst du mit dem E-Bike genauso schnell bergab wie mit ei­nem leichten Rad.

Guido Tschugg

Verrätst du uns drei schöne E-Bike-Gebiete in Österreich, Europa und der Welt?
Mit der Enduro-Weltserie war ich zuletzt am Petzen an der Grenze zu Slowenien, eine geniale Gegend. In La Fenasosa bei Alicante habe ich eine Fun-Strecke mit Anliegerkurven gebaut, die nur bergauf geht, das ist eine komplett neue Sache. Und eines der schönsten E-Bike-­Reviere der Welt liegt für mich in Squamish in British Columbia. Auf den Forststraßen sind Shuttles verboten, es gibt keine Lifte. Aber die Trails bieten dir alles, was du dir vorstellen kannst. Hier ist das E-­Bike­ der perfekte Begleiter. Ich war dort für ein Fotoshooting mit einigen der weltbesten Freerider wie Kurt Sorge. Er hat mein E-Bike ­ausprobiert und wollte es gar nicht mehr zurückgeben, nachdem er festgestellt hatte, wie gut man damit springen kann.

Wie sieht die Bilanz eines perfekten E-Bike-Tages aus?
Zwei Batterien ausgefahren, jede Menge Spaß auf verschiedenen Trails gehabt und einen Kaiserschmarrn gegessen.

Und die Zukunft des E-Bikens?
Es geht in diverse Richtungen. Derzeit werden leichte Motoren mit kleineren Akkus entwickelt. Aber ich brauche das gar nicht. Wenn du das Gewicht erst einmal gewohnt bist, fährst du mit dem E-Bike genauso schnell bergab wie mit einem leichten Rad.

Wie fahren unsere Kinder in 20 Jahren Fahrrad?
Ich denke deutlich elektrischer! Vielleicht wäre ein Führerschein nicht schlecht, so wie beim Mofa. Dafür haben die Kids dann viel mehr Freiheit, mehr Reichweite, kommen einfacher in die Schule und zu Freunden und haben eine Menge Spaß. Meiner Tochter habe ich zum sechsten Geburtstag ein E-Bike geschenkt. Für ihre Party habe ich im Garten einen Parcours aufgebaut, mit kleiner Wippe, Welle und Kegeln. Die Kids sind den ganzen Nachmittag gefahren. Helm gewechselt, nächstes Mädel, nächster Junge, die wollten nur noch E-Bike fahren … Ich weiß nicht, ob das mit einem normalen Bike so spannend gewesen wäre.

Und was machst du in 20 Jahren?
Ich habe mir in Finale Ligure ein kleines Domizil gekauft. Ich hoffe, dass ich dann gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin Yve dort unten sitze, viel Rad fahre, Kaffee trinke und in aller Ruhe das Leben genieße.

Guido Tschugg
Guido Tschugg

wurde am 14. Mai 1976 geboren. Im „Four Cross“ stand er siebenmal auf einem Weltcup-Podium, 2008 war er Zweiter im Gesamtweltcup. 2004 und 2008 nahm er auf Einladung bei der legendären Redbull Rampage teil. 2006 gewann er WM-Bronze im Four Cross und wurde zudem Vize-Europameister im „Dual Slalom“. 2017 wurde er in Andorra UCI-Downhill-Weltmeister der Masters (Ü40). 

WEB: www.guidotschugg.de