Isabella Dschulnigg-Geissler fährt Jumplines und schupft ein Hotel, sie engagiert sich für Kunst und fördert Mitarbeiter und sie kennt sich bei Seilspleiß und der Balz des Auerhahns aus. Ein Porträt.
Hans Dampf ist in den Saalbacher Gassen zu Hause und er ist – eine Frau. Weil es für das Synonym eines Tausendsassa, der ein Macher in mehreren Bereichen ist, kein weibliches Äquivalent gibt, nennt sich Isabella Dschulnigg-Geissler kurzerhand selbst eine „eierlegende Wollmilchsau“. Die studierte Betriebswirtin ist in vierter Generation Chefin des Hotels Saalbacher Hof, Geschäftsführerin der Saalbacher Bergbahnen, Gründerin eines Start-ups für Mitarbeiterzufriedenheit, engagiert sich in der Kunst- und Kulturszene und ist vor allem auch leidenschaftliche Bikerin. „Als wir die ersten Downhillstrecken hier gebaut haben, hab ich das natürlich probiert und es hat mich voll hingeprackt. Da hab ich mir gedacht: Das tu ich mir sicher nicht an“, erzählt sie rundheraus und lacht. Erst als die E-Bikes so richtig aufgekommen sind, hat sie sich mit einer Freundin eines gekauft. „Damit wir mit unseren Raucherlungen auch ein Bergerlebnis haben.“ Forststraßen runterzurollen war ihr dann bald einmal zu langweilig. Über leichte Trails tastet sie sich heran an größere Aufgaben. „Und irgendwann kaufst dir ein Downhillbike.“
Heute geht es ihr klar ums Runterfahren, meist ist sie mit Crosser-Helm und Protektoren unterwegs. Als es im Vorjahr endlich so weit war und der aus dem Winter erprobte Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn auch für die Biker im Sommer Realität wurde, hat sie die große 70-Kilometer- Runde ausprobiert. „Weil ich wissen wollte, ob man das an einem Tag schaffen kann. Ich will ja mitreden können.“ Fazit: geht. „Mit den Bahnen bergauf halt. Und weil das E-Bike auf den Verbindungsstücken im Flachen schon sehr geholfen hat.“
Mittlerweile fährt sie Jumplines mit ihrem E-Fully. „Aber nicht die ganz argen Sachen mit fünf Meter Luftstand, zwei reichen.“ Ihrem 10-jährigen Sohn hat sie auch ein E-Bike gekauft. „So kommen wir ohne Stress auf den Berg, weil es geht uns ja beiden ums Runterfahren.“
Neugierig sein, herantasten und dann voll hineinkippen – das lässt sich auf den Lebensweg von Isabella Dschulnigg-Geissler umlegen. Es war nämlich alles andere als klar, dass sie einmal den elterlichen Betrieb übernehmen wird. Beim BWL-Studium in Wien hatte sie ganz andere Schwerpunkte. Genossenschaft zum Beispiel. Das Geschäft wollte sie dann von der Pike auf lernen. Im Studium hat sie gekellnert, danach hat sie ein Jahr in Kapstadt gearbeitet, später in Davos. „Da hab ich am Berg in einer WG gewohnt mit fünf Deutschen. Der eine war beim Lift, der andere in der Abwasch, die anderen Kellner, ich Direktionsassistentin. Ich weiß also, wie die Leute über die Chefs denken, was ihre Sorgen und Wünsche sind.“
Eine wichtige Erfahrung, die sie in ihren Führungsstil eingebaut hat. „Was sich Menschen am meisten wünschen, ist persönliches Wachstum, noch mehr als monetäre Wünsche. Man will mitgestalten, man will gehört werden, man will sinnstiftend was machen und persönlich daran wachsen.“ So hat sie die Mitarbeiterführung gleich einmal völlig umgekrempelt, als sie nach Hause gekommen ist. Nebenbei hat sie das Start-up „Doods“ gegründet. Dabei ist ein Tool entstanden, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern. „Damit findet man heraus, woran es im Betrieb hapert. Wir wollten, dass der Tourismus wieder zu einem attraktiven Arbeitsplatz wird.“ Das ist gelungen, längst hat der Saalbacher Hof keine Probleme mehr, Mitarbeiter zu finden. Dschulnigg-Geissler zitiert dann den bekannten britischen Unternehmer Richard Branson. „Der hat gesagt: Finde jemanden, der besser ist als du, und geh aus dem Weg. Das ist in Wahrheit Führung.“ Auch hier wieder: Neues probieren, nicht stehen bleiben.
Mitte März schneit es noch einmal ganz dicke Flocken. Isabella blickt vom Platz vor ihrem Hotel hinauf auf den Schattberg. Die Gondeln des Schattberg X-Press lungern in der Garage herum, statt Skifahrer auf den Berg zu bringen. Lockdown. Wieder einmal. „Normal wäre jetzt hier Vollbetrieb und sehr viel los“, sagt sie. Der Winter war nicht nur als Hoteliere katastrophal, sondern auch als Geschäftsführerin der Bergbahnen. „Minus 96 Prozent. Wir fahren nur noch am Wochenende. Eigentlich hat das Aufsperren mehr gekostet, als wenn wir gar nicht gefahren wären“, sagt Isabella Dschulnigg-Geissler. „Aber für die Einheimischen und die Mitarbeiter in Kurzarbeit mussten wir ja was tun.“ Hineingeboren in eine Seilbahnerfamilie ist sie auch auf dem Gebiet firm, kann technisch durchaus mitreden bei Beschneiung, Seilspleiß, Umlaufscheibe. „Nicht bei allem bis ins Detail, aber immerhin.“ Und als Frau in einer Männerdomäne? „Das geht gut, ich hab ja eine große Klappe.“
Oft geht es für Isabella Dschulnigg-Geissler (türkiser Helm) mit der Bahn bergauf: „Mir geht es ja ums Runterfahren.“
In der Zeit des Stillstands hat sie aber nicht die Hände in den Schoß gelegt. „Mit meiner besten Freundin hab ich gelernt, wie man Sushi rollt und den Kaffeegarten haben wir als Sushi-Takeaway genutzt“, erzählt sie und lacht wieder. Wobei es für sie ja immer was zu tun gab. „Nur war das dann ein ‚normaler‘ Nine-to-seven-Job und ich war nicht abends auf einer Veranstaltung oder im Hotel unterwegs.“ Mehr Zeit für die Kinder ist ihr in der Pandemie auch geblieben.
Wer Isabella Dschulnigg-Geissler in diesen Tagen gegenübersitzt, erlebt keine jammernde Unternehmerin, die jeden Tag den wirtschaftlichen Kollaps erwartet, sondern eine Frau voller Energie, die Ideen hat, die flexibel ist und sich schnell auf Neues einstellen kann. Dabei blickt sie nicht sehr optimistisch in die Zukunft. „Der Sommer wird wahrscheinlich nicht so gut wie der vergangene. Die Reisebeschränkungen werden sicher noch länger bleiben. Auch der nächste Winter wird noch schwierig.“ Immerhin – Saalbach liegt mit seiner frühen Positionierung als Bikedestination gut im Rennen. Von der Auslastung her ist der Sommer in „normalen“ Zeiten schon beinahe so gut wie der Winter. Vor fünf, sechs Jahren gab es nur einen Bikeverleih im Ort. „Heute haben wir gerade noch einen Skiverleih, der keine Bikes verliehen hat. Und der rüstet heuer um.“ Wer öfter als zweimal pro Tag mit einer Bergbahn fahren will, muss jetzt dafür bezahlen. „Aber die Leute verstehen das, denn sie bekommen ja viel geboten bei uns mit 80 Kilometern Trails.
Eigentlich hat das Aufsperren mehr gekostet, als wenn wir gar nicht gefahren wären.
Das Positive sehen, auch das ist so ein Wesenszug, der Isabella Dschulnigg-Geissler ausmacht. „Ich war während der Saison dreimal in Sölden biken. Unvorstellbar in einer normalen Saison.“ Auch jetzt würde sie schon gerne auf ihrem E-Fully die Trails auskosten. Zeit wäre ja, aber eben auch noch jede Menge Schnee. So wälzt sie Gedanken an neue Strecken. „Das denken wir jetzt schon bei jeder Bahn, die wir bauen, automatisch mit.“ Was sie stört, sind die langsam und von Bundesland zu Bundesland durchaus unterschiedlich mahlenden Behördenmühlen, wenn es um die Genehmigung neuer Strecken geht. Verständnis für die Natur und die Ausgleichsmaßnahmen hat sie aber. So sehr, dass sie im Herbst auch den Jagdschein gemacht hat. „Ich muss mich ja auskennen, wenn mir die Behörde erklärt, dass da, wo wir einen Trail bauen wollen, ein Auerhahn-Balzgebiet ist.“ Als hätte sie nicht schon genug um die Ohren. Beide Seiten verstehen, jedes Ding aus mehreren Perspektiven beleuchten, offen sein. „Wir sind immer noch eine große Wildregion, die es zu schützen gilt“, erklärt sie. „Drüben der Spielberg zum Beispiel. Der heißt so, weil dort der Birkhahn, auch Spielhahn genannt, zu Hause ist.“ 2024, wenn laut einem Freund die Reviere neu vergeben werden, will sie eine Eigenjagd. „Das wird ein neues Hobby.“
In ihrem Hause ist es leer und ruhig. Direkt gespenstisch. Die Bar ist finster, in der Lobby kein Gewusel, keine Ausstellung im Haus, kein Konzert. Denn natürlich ist die Chefin auch sehr an Kunst und Kultur interessiert. „Ich habe viele Freunde, die DJs in der Drum’n’Bass-Szene sind, hab hier auch Rooftop-Konzerte von Bluatschink, 5 Achterln in Ehren und der Folkshilfe gehabt.“ All das war aber gar nicht am Plan. Nach Wien ist sie nach der Matura gegangen, um BWL zu studieren und Werbetexterin zu werden. „Geworden bin ich die eierlegende Wollmilchsau.“