Ihr treibt Sport. Ihr trainiert regelmäßig. Ihr lebt vermeintlich gesund. Und dennoch geht nichts weiter mit eurer Fitness? Die Erklärung ist ganz einfach: Wir lassen es zu, dass „Fitness-Killer“ unseren Alltag belagern, unsere Kühlschränke und sogar unsere Betten. Wie uns Nikotin, Alkohol und Co. schaden – und wie wir diesen Overkill bekämpfen können.

Linda Freutel

Wir schwitzen auf der Laufstrecke oder schuften beim Work-out im Fitnesscenter. Das Ziel ist klar: Fitter werden. Gesünder sein. Und schlanker vielleicht auch. Doch irgendwie scheint der Wurm drin zu sein. Egal, wie viel Zeit und Fleiß wir auch in unsere Fitness investieren – unterm Strich kommt nur halb so viel raus wie erhofft. Was ist da los?

Dr. Christian Matthai, Sport- und Ernährungsmediziner aus Wien, weiß genau, was los ist: „Es sind die klassischen, aber auch die versteckten Fitnesskiller, die unseren Alltag begleiten und unsere Leistungsfähigkeit, unser Wohlgefühl und unsere Gesundheit schwächen.“ Alkohol, Nikotin und fettes Essen sind solche Übeltäter, die jeder kennt. Die allerdings auch immer mehr Menschen – genau aus diesem Bewusstsein – meiden. „In meinem Ordinationsalltag kann ich deutlich erkennen, dass viele Menschen mit dem Rauchen aufgehört haben oder es wenigstens versuchen. Und auch was den Genuss von Alkohol oder ungesunden Mahlzeiten angeht, erlebe ich bereits ein hohes Maß an Vernunft und Disziplin. Es ist ein neues Körperbewusstsein entstanden, das gesunde Ernährung und einen bewussten Lifestyle regelrecht zum Trend macht.“

Das ist gut so, aber leider auch für die Hobbysportszene noch nicht allgemein gültig. Noch immer gibt es unzählige Freizeit- und Fitnesssportler (und natürlich gilt alles hier Gesagte auch für Sportlerinnen!), die fest davon überzeugt sind, dass „die paar Zigaretten am Tag“ genauso wenig Auswirkungen auf die Fitness und Gesundheit ihres Körpers haben wie „die paar Glaserl Wein“ zu viel, wenn’s grad so lustig ist. Für all diese „G’scheiterln“ wollen wir, obwohl es eigentlich allseits bekannt sein sollte, nochmals kurz darstellen, was diese zwei großen Fitness-Killer Alkohol und Nikotin in unserem Körper anstellen.

FITNESSKILLER NIKOTIN
Abgesehen davon, dass laut neuester Studien jede einzelne Zigarette rein rechnerisch das Leben um 10 Minuten verkürzt, sorgt schon das Rauchen einer einzigen Zigarette sofort für leistungshemmende Reaktionen in unserem Körper. Um nur ein paar davon aus dem medizinischen Lehrbuch zu zitieren:

  • Durch das Nikotin wird in der Blutbahn Noradrenalin freigesetzt, das den Körper in „Alarmbereitschaft“ setzt. Folge: Die Herzfrequenz steigt für bis zu einer Dreiviertelstunde um rund 10 Schäge pro Minute, der Blutdruck steigt an, und in Summe auch der Sauerstoffbedarf des Herzmuskels.Durch das Nikotin werden die Glycogenspeicher schneller erschöpft, was wiederum eine schnellere Leistungsverminderung hervorruft.Das Kohlenstoffmonoxid im Blut reduziert die Fähigkeit des Blutes, Sauerstoff zu transportieren. Anders erklärt: Das Sauerstoffangebot im Körper wird praktisch so vermindert, wie wenn man plötzlich von Meereshöhe auf 1.300 Meter Höhe hochsteigt!
  • Die erhöhte Aktivität des Myostatins führt zur Verminderung des Muskelaufbaus bzw. in starken Fälllen sogar zu einem gesteigerten Muskelabbau.
  • Durch den Nikotinkonsum ist auch die anaerobe Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, was sich klarerweise ebenfalls negativ auf eine Leistungsverbesserung auswirkt.

Diese Schadensliste ließe sich (einmal ganz abgesehen von den bekannten Langzeitschäden wie erhöhtes Risiko für Krebs, Osteoporose, Bandscheibendegeneration etc.) noch fortführen – unterm Strich bleibt nur die verbriefte Erkenntnis: Vieles von dem vermeintlichen Fitnessnutzen, den sich Raucher mit Trainingsschweiß erarbeiten, sind, salopp gesagt, durch den Zigarettenkonsumeigentlich „leere Kilometer“. Auch interessant: Das passiert mit deinem Körper, wenn du mit dem Rauchen aufhörst.

FITNESSKILLER ALKOHOL
Wir reden
hier nicht von Alkoholsucht und Alkoholkrankheit, wir wollen auch niemanden vom Genuss-Achterl und Feierabend-Bierchen abhalten. Wir reden hier von fundierten Erkenntnissen, inwieweit jeder Alkoholkonsum auf den Körper wirkt und in Folge unsere Fitness beeinflusst.

  • Alkohol entwässert den Körper, mit dem Urin werden neben der Flüssigkeit auch wichtige Salze ausgeschieden. Durch die Dehydrierung steigt somit auch das Risiko von Krämpfen.
  • Auch der Schlafrhythmus und die Qualität des Schlafes wird durch Alkoholkonsum beeinträchtigt. Dadurch wird auch die wichtige Regenerations- und Reparaturphase, die während der Schlafstunden stattfindet, gestört.
  • Gestört wird auch das Speichern von Glykogen, das gerade im Ausdauersport ein wesentlicher Baustein ist.
  • Nach dem Alkoholkonsum wird bis zu sechs Stunden danach vermehrt Cortisol ausgeschüttet. Dieses Stresshormon bremst Heilungsprozesse nach Verletzungen bzw. es fördert die Anfälligkeit für Entzündungen.

Um auch das Thema „Fitkiller Alkohol“zu bilanzieren: Forscher haben errechnet, dass bereits fünf oder sechs Drinks an einem lustigen Abend den Trainingsnutzen eines ganzen Monats zunichte machen. Auch interessant: Ausgetrunken: 9 Gründe, warum Alkohol und Sport nicht zusammenpassen.

DIE VERSTECKTEN FEINDE
Wie schon gesagt: Immer mehr gesundheits- und fitnessbewusste Menschen wissen um den Schaden, den Nikotin und Alkohol bereits in kleineren Mengen ausmachen – und haben diese Fitness-Killer unter Kontrolle. Trotzdem kann unser Sportmediziner Christian Matthai auf für sie noch keine Entwarnung geben, „denn leider ist unsere Umwelt überhäuft mit stillen Killern, von denen wir kaum etwas mitbekomen. Zucker ist da beispielsweise ein großes und immer prominenteres Thema“. Matthai weiß genau, wovon er spricht. Er selbst hat ein Jahr lang komplett (!) auf Zucker verzichtet, „und selbst für mich als Ernährungsmediziner war es extrem schwer, die vielen Zuckerfallen zu meiden.“

Gemeint sind damit natürlich nicht die süßen Klassiker-Sünden wie Eiscreme und Co., sondern die versteckten Zuckerdepots. „Kaum ein Brot oder eine Wurst ist frei von Zucker. Von Fertigprodukten rede ich erst gar nicht. Vor allem beim Auswärtsessen kommt man kaum an dem süßen Schad- und Suchtstoff vorbei.“

Zucker ist aber längst nicht die einzige versteckte Fit-Falle in unserem Alltag. Matthai: „Schädigend für die Fitness, für das Wohlbefinden und die Gesundheit sind letztlich all jene Stoffe, die der Körper über die Leber entgiften und verstoffwechseln muss. Bei Alkohol, Drogen und Medikamenten ist den meisten Menschen ja geläufig, dass sie über die Leber abgebaut werden. Dass aber auch Farb- und Konservierungsstoffe, ebenso wie Geschmacksverstärker und sämtliche anderen künstlichen Beigaben die Leber in einem Höchstmaß fordern, registrieren die wenigsten.“ Gleiches gilt übrigens auch für die vielen Restprodukte, die in Fleisch zu finden sind. „Kaum ein Stück Fleisch ist frei von Hormonen oder zugefütterten Medikamentenrückständen. Alles, was dem Tier gegeben wurde, landet in abgewandelter Form auch auf unseren Tellern und damit in unseren Körpern.“

Aber nicht nur unsere Kühlschränke, sondern vor allem auch unser alltäglicher Lebenswandel ist vollgefüllt mit Risikofaktoren. Chronische Belastung psychischer Natur, innerer Druck, hohes Leistungsdenken, aber auch Umweltbelastungen wie Smog und Lärm, ebenso wie schlechter Schlaf und wenig Bewegung im Alltag sind Fit-Killer der ersten Liga. Noch dazu solche der am häufigsten unterschätzten Sorte. „Forscher fanden erst jüngst heraus“, sagt Dr.- Matthai, „dass psychische Belastungen oder chronisch schlechter Schlaf ebenso schädlich sein können, wie eine ausgiebige Caipirinha-Orgie. Das alles sind Störfaktoren, die unseren Hormonhaushalt massiv durcheinander bringen und unsere Fitness beeinträchtigen.“

DIE DOSIS MACHT DAS GIFT
Es ist nicht das eine sündige Stückchen Schokolade oder das gelegentliche Krügerl Bier, das uns Steine in den Weg zum Leistungshoch, zur Wunschfigur, oder zu einem allgemein gesunden und vitalen Leben legt. Es ist auch nicht die Tatsache, dass wir hin und wieder Überstunden schieben oder uns über den Chef ärgern. „Es ist vielmehr die Summe aus allem“, sagt Matthai. Denn wie so oft im Leben macht auch bei den besagten Fitness-Killern die Dosis das Gift.

Es gibt nicht den einen per se schädlichen Fitness-Killer, der derart massiv ist, dass er unsere gesundheitliche Balance und Fitness nachhaltig zerstören kann. Jedenfalls solange ein verkraftbares Maß gehalten wird. „Eine gesunde Leber ist durchaus fähig, die Giftstoffe, die uns alltäglich begegnen, sorgfältig abzubauen. Das ist schließlich ihr Job“, sagt der Medizi ner, „die Leber unterscheidet sich insoweit von keinem anderen Arbeitnehmer. Sie macht ihren Job so lange gut und gründlich, wie sie nicht überfordert wird.“ Psychisch gilt das Gleiche: Sogar Stress – solange er im Rahmen bleibt – führt nicht gleich zum Burnout. Im Gegenteil: „Psychische Belastung kann uns sogar mental stärken.“

Wir müssen lediglich lernen, Maß zu halten, die „Fitness-Killer“, wo es geht, zu meiden – und Wege der Kompensation finden. Regelmäßige Detoxkuren etwa, bei denen der Körper entgiftet und sich die entsprechenden Organe regenerieren, sind laut Dr. Matthai beispielsweise eine gute Methode dieser gesundheitlichen Bilanzierung: „Beim Detoxprogramm wird keinesfalls streng gefastet, sondern über einen gewissen Zeitraum werden Giftstoffe gemieden und gleichzeitig der Lebensstil so umgestellt, dass unsere entgiftenden Körperfunktionen aktiviert und regeneriert werden.“

ÜBERBLICK UND ABWEHRCHECK
Wie anfangs bei den Klassikern Nikotin und Alkohol wollen wir hier auch die Auswirkungen der „stillen“ Fitnesskiller nochmals kurz streifen und auch aufzeigen, wie man sie bekämpft:

SCHLAFMANGEL
Im Schlaf finden die wichtigsten regenerativen Reparaturmechanismen des Körpers statt. Schlafen wir schlecht oder zu wenig, können bestimmte Hormone nicht ausreichend produziert werden. Ein anfälliges Immunsystem, allgemeines Unwohlsein, depressive Verstimmungen und ein gestörter Stoffwechsel sind typische Folgen.

  • Was kannst du tun? Neben regelmäßigen Entspannungstechniken und -ritualen sowie einem gesunden Schlafklima im Bett und Schlafzimmer empfiehlt sich der Gang zum Arzt: Über einen Hormoncheck kann festgestellt werden, ob hormonelle Störungen deinen Schlaf verschlechtern.


STRESS
Stress wirkt sich nicht nur im Kopf, sondern auch im Körper aus. Häufiger Stress schüttet Hormone aus, die zwar die Leistungsfähigkeit steigern, aber dafür die regenerativen Körperfunktionen drosseln. Langfristig können die Immunabwehr, der Gehirnstoffwechsel und so auch das psychische Wohlbefinden leiden.

  • Was kannst du tun? Entspannungstechniken, die helfen einen akuten Stressmoment zu meistern, sind ebenso hilfreich und wichtig wie eine langfristige Behebung der Stressursachen. Oft helfen Psychologen, aber auch ein Gespräch mit Freunden oder Familie, um die Stressursachen zu erkennen und zu beheben.


BEWEGUNGSMANGEL
Die Joggingrunde am Abend in allen Ehren – aber die ändert nichts daran, dass die muskulär einseitigen Belastungen, die zuvor den ganzen Tag über durch mangelnde Bewegung und langes Sitzen verursacht werden, unseren Stoffwechsel beeinträchtigen, die Psyche belasten und bekanntermaßen unser ganzes Körperkorsett schädigen.

  • Was kannst du tun? Schon kleine Maßnahmen zeigen hier eine deutlich große Wirkung: Treppen statt Lift, Aufstehen beim Telefonieren, Recken und Strecken zwischendurch, Spazierengehen in der Mittagspause (und natürlich ausgleichender Sport am Abend) sind profunde Mittel, am Arbeitsplatz dem Fitness-Killer „Bewegungsmangel“ entgegenzuwirken.


LICHTMANGEL
Licht ist Leben, heißt es im Volksmund. Ohne Licht werden gewisse Hormone nicht ausgeschüttet und der Stoffwechsel teilweise verlangsamt. Im Extremfall können Schädigungen der Knochensubstanz die Folge sein, viel häufiger sind jedoch Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit und verlangsamte Stoffwechselaktivitäten (z. B. Fettverbrennung) zu erkennen.

  • Was kannst du tun? Auch hier zählen kleine Maßnahmen: Geht so oft wie möglich ins Freie! Selbst durch dichte Wolken dringen noch ausreichend viele Sonnenstrahlen, die den menschlichen Organismus beleben.


ÜBERTRAINING
Viel hilft nicht immer viel. Wer es mit dem Sport übertreibt, raubt dem Körper die Möglichkeit der Regeneration. Nicht nur die Auswirkungen auf den gesamten Stützapparat, sondern auch auf das Immunsystem können enorm sein. Der vom Sport ohnehin schon geschwächte Körper verliert seine Abwehrfähigkeit und wird anfällig für Krankheiten und Verletzungen.

  • Was kannst du tun? Regelmäßige Trainingspausen konsequent einzuhalten ist ebenso wichtig wie die eigene Leistungsgrenze zu erkennen und zu akzeptieren. Die innere Stimme ist hier oft ein hilfreicher Berater: Zwinge dich nicht zu Verausgabungen, die dir innerlich widerstreben.


ZUCKER
Wie wir bereits berichtet haben: Zucker ist nicht grundsätzlich schlecht – es geht a) um die richtige Menge und b) um die richtige Art des Zuckers. Fakt ist: Zu viel Zucker macht dick, verursacht Diabetes, greift das Bindegewebe an und macht süchtig.

  • Was kannst du tun? „Einfachzucker“, wie er in Limonaden und Süßigkeiten vorkommt, sollte man, so gut es geht, meiden. Den „Mehrfachzucker“, den der Körper als Treibstoff braucht, holt er sich ohnehin aus Vollkornprodukten, Reis, Kartoffeln, Haferflocken etc.