Die Menstruation ist für viele Frauen eine nervige Angelegenheit: Hygieneprodukte parat halten, schmerzhaftes Ziehen im Bauch, teilweise sogar unerträgliche Krämpfe. Die Empfindungen von Frauen vor und während ihrer Blutung sind divers, die wenigstens jedoch positiv – und dennoch, ein natürlicher Zyklus ist das Zeichen eines gesunden Hormonhaushaltes, der intakten Zellbildung und ein kleiner Hinweis dafür, dass das mit der Fortpflanzung vermutlich funktioniert.

Paulina Scheiring


Wenn für die meisten Frauen die Periode eine zwar unangenehme, aber unbedeutende monatliche Episode ist, kann sie für professionelle Sportlerinnen über Sieg oder Niederlage entscheiden, ist es doch oft die Tagesverfassung, auf die es am Wettkampftag ankommt.

Durch die öffentlichen Äußerungen bekannter Athletinnen beziehen immer mehr Frauen bzw. deren Trainer:innen ihren Menstruationszyklus in die Trainingsgestaltung ein. So spricht etwa die erfolgreiche deutsche Triathletin Laura Philipp von einem zyklusbedingten Hormon-Boost, den frau gezielt im Training nutzen kann. Sie animiert in Blogs und Videos Athletinnen zu einem gesunden und nachhaltigen Training, in dem der natürliche Zyklus aktiv mitberücksichtigt werden sollte.i

Zykluszykluszyklus – was passiert denn da nochmal genau?
Der natürliche Zyklus dauert bei Frauen durchschnittlich 28 Tage, wobei er von Frau zu Frau variiert und auch zwischen 21 und 35 Tage dauern kann. Der Eisprung findet etwa in der Mitte des Zyklus statt und bildet die Zäsur; die Phase vor dem Eisprung wird Follikelphase genannt, jene nach dem Eisprung Lutealphase. Ein Zyklus beginnt mit dem ersten Tag der Regelblutung, die dann einsetzt, wenn der Körper die Gebärmutterschleimhaut abstößt. Die frühe Follikelphase ist durch einen insgesamt sehr niedrigen Hormonspiegel gekennzeichnet, der danach jedoch stetig steigt.

Welche Hormone und wenn ja woher?
Vieles beginnt im Kopf – auch die Hormon-„Post“. Im Gehirn befindet sich die Hypophyse (Hirnanhangdrüse), die neben vielen anderen Aufgaben auch unseren Hormonhaushalt organisiert. Nach der Regelblutung sendet sie das follikelstimulierende Hormon (FSH) in die Eierstöcke, damit dort mehrere Eibläschen heranreifen. Die Follikel fungieren als Schutzhülle für die Eizelle und sie produzieren die Hormone Östrogen, Progesteron und Testosteron.

Östrogen steigt bis kurz vor dem Eisprung immer weiter an, zusätzlich wird das luteinisierende Hormon (LH) ausgeschüttet und bewirkt, dass jener Follikel platzt, der zu diesem Zeitpunkt am besten herangereift ist. Dieses Platzen – der Eisprung – findet zwischen dem 13. und 16. Zyklustag statt. Die nun auf sich allein gestellte Eizelle gelangt in den Eileiter und ist für 24 Stunden befruchtungsfähig.

In der Lutealphase fällt das Eibläschen zusammen und wird zum Gelbkörper, der das Hormon Progesteron produziert. Es ist ein sogenanntes Schwangerschaftshormon, das der Gebärmutter beim Aufbau der Schleimhaut hilft, um sich für eine Einnistung der befruchteten Eizelle vorzubereiten. Wird die Eizelle nicht befruchtet, stirbt der Gelbkörper ab und der Progesteronspiegel sinkt wieder.ii

Viele Schwankungen – unergiebige Studien
Was man an dem soeben aufgezeigten Hormonzirkus unschwer feststellen kann: Es tut sich jeden Monat so einiges im Körper einer Frau. Dem Gedanken, dass diese hormonellen Schwankungen auch Auswirkungen auf die sportliche Leistungsfähigkeit haben könnten, wurde lange Zeit keine große Beachtung geschenkt – erst seit wenigen Jahren rückt das Thema in den Fokus sportwissenschaftlicher Forschung.iii

Bis in die 1980er Jahre ging man in Bezug auf Trainingsprozesse von einem nahezu identen Verhalten des männlichen und weiblichen Körpers aus.iv Obwohl die Präsenz von Frauen im Leistungssport stark anstieg – waren 1960 bei den Olympischen Spielen in Rom lediglich 11 % der Teilnehmenden Frauen, so schaffte man in Japan 2020 beinahe eine Geschlechterparitätv – gibt es nach wie vor nur wenige Studien, die sich mit Athletinnen auseinandersetzen.vi

Dies ist nicht allein auf den allgemeinen Männerüberhang im Sport zurückzuführen, sondern auch darauf, dass es die Individualität der Zyklen und die unterschiedlichen Hormoneinflüsse bei Frauen schwierig machen, alle relevanten Daten zu messen, angemessen zu vergleichen und daraus seriöse Erkenntnisse abzuleiten. Männer bilden hier homogenere Gruppen. Metastudien kamen daher zu dem Ergebnis, dass aus den bisherigen Studien keine klaren wissenschaftlichen Ergebnisse abgeleitet werden konnten, die einen direkten Zusammenhang zwischen Zyklusphase und Leistungsfähigkeit belegen könnten.vii, viii

Fakt ist aber, dass Hormone auf unseren Körper unterschiedlich wirken. Steigt nun ein anaboles (aufbauendes) Hormon wie Östrogen an, können Muskelfasern rasch aufgebaut werden und gut regenerieren – weswegen sich hier jedenfalls gezieltes und intensives Krafttraining anbietet. Progesteron hingegen hat einen katabolen (abbauenden) Effektix, da es dem Körper tendenziell Energie entzieht, dafür aber Sehnen und Bänder stärkt.x

Die Annahme, dass sich die Follikelphase bis zum Eisprung besser für Maximalkraft- und Invervalleinheiten eignet, bestätigen die subjektiven Empfindungen der Sportlerinnen: So ergab eine Athletinnenbefragung des Schweizer Olympischen Komitees, dass ca. 65 % der Frauen die prämenstruelle Phase als negativ für die sportliche Leistungsfähigkeit einschätzen. Während ca. 40 % ein positives Empfinden während der Trainingseinheiten zwischen der Menstruation und dem Eisprung erleben.xi

Individuelle Trainingspläne für Frauen
Neben Laura Philipp schreibt auch die Schweizer Schirennläuferin Michelle Gisin im Blog „Ungefiltert“ des Swiss Olympic Teams, wie sie jahrelang gegen ihren Körper gearbeitet hat und nun, da sie ihren Zyklus respektiert, ein viel ausgeglicheneres und effektiveres Training absolviert. Prämenstruelle Schmerzen haben ihr intensive Einheiten in der späten Lutealphase unmöglich gemacht, während sie im Laufe der Follikelphase eindeutig an Motivation und Leistung zulegen konnte.xii

Neben der dringenden Anregung, auch an und für Frauen großflächige Studien durchzuführen und die Forschung in Bezug auf die zyklusphasenbedingte Leistungsfähigkeit voranzutreiben, ist vor allem wichtig zu betonen: Frauen sind keine kleinen Männerxiii, daher kann sich ein unkritisches Anwenden von (männlichen) Trainingsplänen auf Frauen gegen ihre hormonellen Hochs und Tiefs richten und sich insgesamt negativ auswirken. Auch wenn noch nicht wissenschaftlich geklärt ist, welchen tatsächlichen Einfluss der Zyklus auf die sportliche Leistung hat, so hat er jedenfalls Einfluss auf das Wohlbefinden. Dass diesem Thema in der Forschung nun endlich mehr Beachtung geschenkt wird, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und ein Erfolg für das Women Empowerment im Sport.
   

Quellenverzeichnis

i Der Zyklusfaktor – Tabu und unterschätztes Potential (2022): Autor:innen: Anne Armbrecht, Ina Kast, Hendrik Maaßen, Produktionsleiter: Matthias Most, Redaktion: Matthias Camman. URL: https://www.ndr.de/fernse-hen/sendungen/sportclub/Der-Zyklus-Faktor-Tabu-und-unterschaetztes-Potenzial,sportclub13092.html [zuletzt zugegriffen am 15.12.2022].
ii Sims S, Heather A (2018) Myths and Methodologies: Reducing scientific design ambiguity in studies comparing sexes and/or menstrual cycle phases, Experimental Physiology uvm.
iii Meignié A, Duclos M, Carling C, Orhant E, Provost P, Toussaint J-F & Antero J (2021) The Effects of Menstrual Cycle Phase on Elite Athlete Performance: A Critical and Systematic Review. Front.
iv Sims/Heather 2018.
v Meignié et. al. 2021.
vi Costello, J T, Bieuzen, F, and Bleakley, C M (2014) Where are all the female participants in sports and exercise medicine research? Eur. J. Sport Sci. 14, 847–851.
vii McNulty K, Elliott-Sale, K, Dolan E, Swinton P, Ansdell P, Goodall S, Thomas K, Hicks K (2020): The Effects of Menstrual Cycle Phase on Exercise Performance in Eumenorrheic Women: A Systematic Review and Meta-Ana-lysis. Sports Medicine, 50(10), 1813–1827.
viii Meignié et. al. 2021.
ix Frankovich RJ, Lebrun C (2000) Menstrual cycle, contraception, and performance. Clin Sports Med. 19 (2), 251–71.
x Baltgalvis K, Greising S, Warren G, Lowe D (2010). Estrogen regulates estrogen receptors and antioxidant gene expression in mouse skeletal muscle. PLoS One. 5 (4), 101–64.
xi Daten aus der Athletinnenbefragung der Swiss Olympic 2021 aus einem Vortrag von Dr. Med. Sybille Matter Brügge am 15. und 16.10.2022 in Wien „Athletin im Fokus“.
xii URL: https://www.swissolympicteam.ch/de/spirit-of-sport/athletengeschichten-ungefiltert/Michelle-Gisin [zuletzt abgerufen am 15.12.2022].
xiii Übersetztes Zitat von Stacy Sims aus dem TED-Talk: Women are Not Small Men: a paradigm shift in the sci-ence of nutrition, URL: https://www.ted.com/talks/stacy_sims_women_are_not_small_men_a_paradigm_shift_in_the_science_of_nutrition [zuletzt abgerufen am 15.12.2022].

Weitere Quelle: Gespräch mit der Sportwissenschafterin und Personal Coach Marlies Hirschbeck, Website: URL: https://www.coachlizz.com/.