Kälte konserviert und hält jung. Davon ist Josef Köberl überzeugt. Der Wiener ist Österreichs bekanntester Eisschwimmer, krault nachts durch die Donau, schwamm über den Ärmelkanal und propagiert Schwimmen als Ganzjahressport. Warmes Wasser hält er gar nicht aus.
Eisschwimmen ist eine Randsportart. Und doch ist es immer wieder erstaunlich, welches Medieninteresse die Abenteuer von Josef Köberl und seinen Kollegen auslösen. Oder seine Unfälle. Denn mit dem Vorfall unter der Floridsdorfer-Brücke in Wien sorgte er 2016 für kuriose Schlagzeilen. Köberl kraulte gerade – für ihn ist das völlig normal – in der Donau. „Da habe ich rund um mich herum ein paar Semmeln bemerkt. Plötzlich macht's bumm und es trifft mich was am Kopf." Wie sich herausstellte, hatte jemand auf der Brücke einen Sack mit altem Brot und Semmeln ausgeleert. Wohl um die Enten dort zu füttern. Ein großer Brotlaib traf den Schwimmer. „Jetzt stehen dort vier Tafeln, dass Entenfüttern verboten ist", lacht Köberl, der danach bei der Polizei und im Krankenhaus Erklärungsbedarf hatte. Überall ungläubige Gesichter. Aber das ist der Wiener gewohnt.
Im Oktober starteten Köberl und seine Mitglieder der „Ice Swimming Association Austria" (Köberl ist Präsident dieses Verbandes) die Saison. Nicht im Hallenbad oder in einem See, sondern bei minus 12 Grad am Hintertuxer Gletscher. In einem unterirdischen See der Eishöhle auf 3200 Meter Seehöhe. Und wie immer bei den Eisschwimmern nur mit knapper Badehose und Badehaube. „Wasser 0 Grad, Luft 0 Grad, Spaßfaktor 100 Prozent", postete Köberl freudig auf Facebook. „Dort ist ein tunnelähnlicher Kanal, 80 Meter lang, die Wassertiefe variiert zwischen 30 Metern und 50 Zentimetern. Über dir 30 Meter Eisschicht, komplett finster, die Stimmung war irgendwie erdrückend. Das Wasser ist alt und abgestanden, vielleicht tausende Jahr alt, deshalb kann es nicht mehr gefrieren. So ein schwarzes Wasser habe ich noch nie gesehen."
2014 schwamm Köberl als erster Österreicher in seiner steirischen Heimat im Grundlsee die „Ice-Mile", 1600 Meter in unter 5 Grad kaltem Wasser. Dass er danach (als Sicherheitsmaßnahme) auf der Intensivstation landete, ist für ihn nur eine Anekdote. Er war bei der WM der Eisschwimmer und schwamm in 14 Stunden über den Ärmelkanal von England nach Frankreich. Im Sommer scheiterte er am Projekt, die 35 Kilometer von Irland nach Schottland zu schwimmen. Nach 15 Stunden musste er abbrechen, denn die Strömung war zu stark, er schaffte nur noch 1 km/h im 13,8 Grad kalten Wasser. Von Begegnungen mit Quallen-Teppichen, Seehunden und aggressiven Möwen erzählt er wie andere von Goldfischen, Perserkätzchen und Wellensittichen. In Wien organisiert Köberl „Vollmondschwimmen" in der Donau und löste damit einen regelrechten Boom aus, zuletzt kamen 220 Schwimmer, vorrangig aus Studenten- und Medizinerkreisen. „Veranstaltungen und begleitete Schwimmreisen könnte ich wie ein Reisebüro fast hauptberuflich machen", lacht Köberl, der als Zivilbeamter im Verteidigungsministerium arbeitet.
DER JUNGBRUNNEN
„Kälte hält jung, davon bin ich überzeugt", sagt Köberl. Seine Oma habe sich einst im Grundlsee immer die Haare gewaschen, sie fuhr mit 89 noch Fahrrad. Und man müsse sich einmal die glatte und gesunde Haut von russischen Eisschwimmerinnen anschauen. „Derzeit schwimme ich in der Früh in der 6 Grad kalten Donau. Das Gefühl der Kälte und die Schmerzen zögere ich regelrecht hinaus, ich ziehe mich ganz langsam an, das härtet ab. Dann im Büro bin ich wie aufgeladen und voller Tatendrang. Und der Smile im Gesicht vergeht den ganzen Tag nicht."
Was auf den ersten Blick wie nackter Wahnsinn aussieht („Von den zehn Geboten der Baderegeln gelten für mich nur ein paar"), wird medizinisch genau überwacht. Für den Nordkanal schluckte Köberl eine Kapsel, die via Bluetooth seine Kernkörpertemperatur übermittelte, die bis auf 32 Grad sank. Ständig melden sich Mediziner (und sogar die US-Armee), die seine Daten haben wollen oder Projekte anbieten. Für seine Abenteuer isst er sich mit spezieller Ernährung „braunes Fett" an, das vor allem Neugeborene haben. Diese Zellen produzieren durch die Oxidation von Fettsäure Wärme. Dazu ist viel Fisch, Q10 und Vitamin D3 nötig. „Darüber und wie unsere Mitochondrien funktionieren, weiß man noch sehr wenig. Aber es gibt neue Forschungen, wie man unsere Organe länger kühlen kann, oder warum man nach Unfällen im eiskalten Wasser länger überlebt." Ein ewiges Leben in der Kälte? Für einen wie Köberl ein wohlig warmer Gedanke. Er organisiert die österreichische Meisterschaft am 17./18. Februar in der Donau, träumt von einem mobilen 25-Meter-Eisschwimmbecken, Weltcups und dem Olympia-Status.
Nur Hitze mag er nicht. Ins Meer geht Köberl nur bis April. In Schwimmbäder und Thermen muss er zwangsläufig bei Familienausflügen. „Aber bei warmem Wasser stellt es mir die Zehennägel auf, ich krieg fast Kreislaufprobleme", sagt Köberl und erzählt vom Besuch in einer ungarischen Therme. „Ich hab die Wärme nicht ausgehalten und bin in den Saunabereich geflüchtet. Dort habe ich mich im Tauchbecken versenkt. 30 Minuten bei 13 Grad, herrlich! Nur der ungarische Saunawart ist ein bissl nervös geworden."
Josef Köberl | Der Eisschwimmer betreut auch den Auftritt des eigenen Eisschwimmer-Verbandes IISA. Web: www.facebook.com/IISA-Austria |
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