„Auf Asphalt“ heißt ein stimmungsvolles neues Standardwerk über die Magie des Rennradfahrens. Im Interview spricht Autor Max Marquardt über Kopfsteinpflaster, legendäre Pässe und Momente für die Ewigkeit.
Max, wie hat die Passion des Rennradfahrens bei dir begonnen?
Als junger Mann suchte ich nach einem Bike, um es mir an die Wand zu hängen. Kein Witz. Ich fand ein gebrauchtes Chesini. Roter Stahlrahmen, Rahmenschaltung. Als ich es in die Hand nahm, packte es mich. Plötzlich wollte ich dieses Sportgerät so oft wie möglich benutzen.
Warum?
Es war so schön, so leicht. Ein formvollendetes italienisches Meisterstück, auf dem man sich auch noch schnell fortbewegen konnte. Das hat mich nicht mehr losgelassen.
Die Italiener haben aber auch einen Sinn für Stil …
Absolut. Einen italienischen Rennradfahrer erkennst du sofort. Die haben so eine Leichtigkeit. Und ob Jersey, Socken, Brille, da passt einfach alles. Ein Italiener sitzt schon mal auf einem 30 Jahre alten Stahlrad. Aber mit Campagnolo-Gruppe und top in Schuss. In Italien werden Räder nicht an die Wand gehängt: Sie werden gepflegt, geehrt und genutzt, hier sind sie Sportgerät und Heiligtum in einem.
Wie ging’s auf deinem Heiligtum weiter?
Mich begeisterte die Tatsache, dass ich immer weitere Strecken zurücklegen konnte und Orte entdeckte, die ich zu Fuß nicht erreicht und im Auto nicht wahrgenommen hätte. Hinzu kommt der Mystizismus des Radsports – die großen Rundfahrten, die Frühjahrsklassiker, Dramen und Triumphe. All dies lässt aus dem einfachen Sport des Pedalierens eine Leidenschaft werden.
In Italien werden Rennräder gepflegt, geehrt und genutzt, hier sind sie Sportgerät und Heiligtum in einem.
In deinem Buch finden sich Detailbilder von Asphalt. Ist das der Stoff, aus dem Rennradträume sind?
Du brauchst Asphalt als Rennradfahrer, so viel steht fest. Wenn es im März wärmer wird und die Sonne auf den Asphalt scheint, steigt ein typischer Geruch auf. Den assoziiere ich sofort mit dem Sommer, mit kurzen Jerseys, mit dem Gefühl, dass das Leben wieder leichter wird.
Was ist von Kopfsteinpflaster zu halten?
Ein paar Tage vor Paris–Roubaix findet auf der Strecke ein Amateurrennen statt. Ich verstehe nicht, warum man sich das freiwillig antut. Vergangenes Jahr bin ich die Tremola hochgefahren, die alte Straße des Gotthard, die mit Kopfstein gepflastert ist. Ich hatte schon einige Kilometer in den Beinen, da kam dieser Pass. Jeder Meter hat sich wie ein Hieb auf den Rücken angefühlt. Ich bin dann in der Entwässerungsrinne an der Seite gefahren, das war langsamer und sah wohl ziemlich dämlich aus. Aber ich wollte keinen weiteren Meter auf Kopfsteinpflaster fahren.
Kommen wir vom Kopfsteinpflaster zum „Deppenstempel“. Was hat es damit auf sich?
Den hast du, wenn du dir vom Kettenblatt einen Abdruck an der Wade holst. Daraus lassen sich zwei Dinge schließen. Erstens: Du pflegst dein Rad nicht richtig, weil nur zu viel Öl auf der Kette solche schwarzen Ablagerungen bildet. Und zweitens weißt du offensichtlich nicht, wie man vom Rad absteigt. Aber das kann natürlich jedem mal passieren. Kürzlich war ich mit einem Ex-Profi unterwegs, der sich beim Absteigen tatsächlich seinen Stempel aufdrückte. Er meinte dann lachend: Das ist der Beweis dafür, dass ich inzwischen Amateur bin …
Wie kann man sonst noch negativ auffallen?
Ich bitte, dieses Kapitel im Buch mit Humor zu nehmen. Wenn jemand mit einem Rucksack fahren möchte, sich die Socken bis zum Knie hochzieht oder eine Luftpumpe am Rahmen trägt, ist das völlig in Ordnung. Wichtig ist, dass man beim Rennradfahren Spaß hat und glücklich ist.
Wann hast du dir das letzte Mal die Beine rasiert?
Vorgestern. Im Sommer ist das Routine bei mir. Nach einem Sturz heilen Schürfwunden besser. Außerdem sieht’s einfach geiler aus.
Ist man auch schneller?
Tests im Windkanal haben in der Tat ergeben, dass Fahrer mit rasierten Beinen auf einer 40 Kilometer langen Strecke 70 Sekunden auf ihre haarigen Konkurrenten gutgemacht haben.
Wie lang ist deine Heimrunde?
Die hat genau 30 Kilometer.
Gar nicht mal so lang …
Es müssen nicht immer 150 Kilometer sein. Meine Runde hat ein paar Höhenmeter, bisschen Hauptstraße, geht mal kurvig durch den Wald. Wenn ich in weniger als einer Stunde zurück bin, weiß ich, dass ich fit bin. Ich habe den Kopf frei und kann zufrieden duschen.
Für dein Buch hast du 15 Pässe erklommen. Welche waren deine Highlights?
Der Passo Rolle in Italien liegt herrlich in den Dolomiten und ist viel ruhiger als die Sellaronda. Der Furkapass und der Grimselpass in der Schweiz sind landschaftlich zwei echte Highlights. Und am Mont Ventoux atmet man Radsportgeschichte. Auf dem Asphalt sind immer wieder die hingepinselten Namen von Tour-Fahrern zu lesen. Da kriegst du Gänsehaut.
Das Rennrad macht aus Langschläfern Frühaufsteher, aus Rauchern Nichtraucher.
Was ist überhaupt so schön daran, in dünner werdender Luft in eine Kurbel zu treten?
Jeder Rennradfahrer wird diese Frage anders beantworten. Ich denke, dass es um die Genugtuung geht, aus eigener Kraft einen Berg zu bezwingen. Das Rad fragt nicht. Es fordert dich. Es macht aus Langschläfern Frühaufsteher, aus Rauchern Nichtraucher. Mich persönlich hat es dazu gebracht, zum Sportler zu werden. Ich ziehe los, verlasse meine Komfortzone und werde direkt dafür belohnt, weil ich mit einem Grinsen im Gesicht nach Hause komme.
Dein schönster Augenblick im Sattel?
2019 war ich zum Rennradfahren im Iran. Ich bin eine Passstraße durch eine Steinwüste hinabgerollt, am Horizont lag eine monumentale Bergkette mit 5000ern. Das werde ich niemals vergessen, es war ein Moment für meine Ewigkeit.
Auf Asphalt – Passion Rennrad
von Max Marquardt ist 2022 im Callwey Verlag erschienen. 256 Seiten gebunden, mit 250 Fotos und Abbildungen.
Preis: 45€