Die Rennradsaison beginnt heuer spät, aber früh genug, um noch voll in den Rennradboom einzusteigen. Anfänger, E-Rennrad, Gravel – die Themen stehen fest. Und schon blitzen die ersten Neuheiten der 2021-Modelle um die Ecke.

Christoph Heigl
Christoph Heigl

Nach der langen Zwangspause werden die Ärmel jetzt hochgekrempelt und so schnell nicht wieder heruntergeschoben. „Die Nachfrage ist brutal groß und übertrifft alle Erwartungen.“ Das meldet Alexander Steurer aus der Firmenzentrale von Simplon in Hard am Bodensee. Radfahrer sind heiß auf die neuen Bikes. Simplon spürt das speziell bei einem Thema, das vor Kurzem noch Nische war: dem E-Rennrad. „Vor zwei Jahren waren viele skeptisch, ob E und Rennrad zusammenpassen“, erzählt Steurer. „Unserer Einschätzung nach sind Rennradfahrer die großen Ästheten, sie haben hohe optische Ansprüche, da muss alles sauber integriert sein.“ Die Vorarlberger haben mit den neuen E-Modellen vom Rennrad Kiaro und dem Gravelbike Inissio zwei interessante Modelle am Markt, die das besonders gut hinbekommen, weil sie einen dezenten Leichtlauf-Nabenmotor von Ebikemotion im Hinterrad haben. „Von der Seite schaut es wie ein klassisches Rennrad aus, nur von hinten erkennt man die etwas breitere Nabe.“ Rennradfans schauen besonders auf das Gewicht, auch da können die Vorarlberger beim Kiaro mit 10,7 kg einen Topwert vorweisen.

Wie schaut die Zielgruppe für die neuen E-Rennräder aus? „Die ist erstaunlich groß, bunt und breit gefächert“, weiß Steurer vom Kundenfeedback. „Von älteren Rennradfahrern, die noch gerne in den Bergen herumfahren, bis hin zu Frauen und Paaren, die jetzt gemeinsam ausfahren können.“ Unlängst hat sich ein Rennradfahrer und treuer Simplonkunde mit 85 Jahren (!) ein neues E-Rennrad abgeholt. Es muss aber nicht „E“ sein. Rennradfahren macht auch in seiner Urform ­besonderen Spaß. Diese Leichtigkeit, scheinbar mühelos (zumindest mit extrem niedrigem Rollwiderstand) durch die Landschaft zu gleiten oder die Faszination, Pässe zu befahren, ist für viele Radfahrer das Nonplusultra. Und das Beste: Dieser Sport ist extrem einsteigerfreundlich, denn man braucht wirklich nicht viel dazu. Keine Extrastrecken, keine Tickets, keine Anreise. Rein ins Sportgewand, Helm auf und rauf auf den Renner. Strecke? Egal! Fahrtwind um die Nase wollen wir haben! Auch in der eigenen Heimat entdeckt man auf diese Art und Weise schnell neue Flecken und unbekannte Platzerl.

Rennrad-Kategorien

  • Marathon-Rennräder bzw. „Endurance“: modern, leicht, vielseitig, unkompliziert, teilweise gefedert bzw. gedämpft.
  • Aero-Rennräder bzw. „Race“: extrem aerodynamisch, fahrstabil, etwas schwerer, hohe Felgen, Kabel meistens voll integriert („unsichtbar“).
  • Performance/Allround: Alleskönner
  • E-Rennrad: meistens als komfortable Endurance-Variante mit leichtem Motor und breiteren Reifen
  • Exotische Varianten: Zeitfahrrad, Fixie, Bahnrad, Singlespeed, Ultraleicht-Bergrad, Querfeldeinrad.

Wichtigste Technik: 
Schaltung entweder per Seilzug, elektronisch (Shimano Di2) oder per Funk (Sram eTap), Scheibenbremsen, in der Regel 2 x 11 oder 2 x 12 Gänge, Reifenbreite 25 bis 32 mm (Gravelreifen 37 bis 54 mm), Reifendruck je nach Breite und Modell etwa 5 bis 8 bar, Rahmen aus ­Carbon bzw. Alu (günstiger), sehr selten aus Stahl oder Titan.

Bei der Rennradtechnik hat sich in den letzten Jahren extrem viel getan. Wer noch bis Mitte der 90er-Jahre den Basken Miguel Indurain zu seinen Seriensiegen bei der Tour de France fliegen gesehen hat, sah einen Stahlrahmen mit 1800 Gramm, der noch wie aus den 50er-Jahren wirkt, Felgenbremsen, einen Haufen Kabel. Heute baut derselbe Hersteller für den Tour-Sieger Egan Bernal ein futuristisches Geschoss, das mit 700 Gramm Rahmengewicht leichter ist als ein Packerl Milch, aus dem man schon zweimal getrunken hat. 6,8 kg ist das Gewichtslimit für UCI-Rennen, Freaks kommen (privat) leicht unter 6 kg, in der Regel pendeln sich Rennräder zwischen 7 und 8,5 kg ein. Und der Clou ist, dass diese Technik eben nicht nur den Profis zur Verfügung steht, sondern jedem Anfänger und damit das Rennradfahren noch einsteigerfreundlicher macht. Der Aufwand, den die Marken und Ingenieursabteilungen dafür betreiben, ist enorm, von den kleinen Feinen wie Simplon in Vorarlberg bis hin zu den Großen wie Trek in den USA.

Dort hat man das „Trek Performance Research Center“ eingerichtet, ein Forschungs- und Entwicklungslabor, in dem mit modernster Technik Experimente im Bereich Fahrradphysik und Biomechanik durchgeführt werden. Innovation und neue Produkte stehen ganz oben auf der Wunschliste. Das Labor ist mit einer Highspeed-­Kamera ausgestattet, die die physikalischen Vorgänge mit über 5000 Bildern pro Sekunde in Full-HD aufnimmt. Trek hat auch ein „Radlaufband“ gebaut, damit kann man Geschwindigkeiten bis 40 km/h und Steigungen bis 35 % bei Laborbedingungen testen, von glattem Asphalt bis hin zu variierenden Oberflächen mit bis zu 50 mm hohen Steinen und Wurzeln, die am Laufband simuliert werden. Aero, Gravel, E-Rennrad? Womit steigt man ein? Der Gravelboom des heurigen Jahres zeigt, dass viele mit diesem Konzept (breite Reifen, Scheibenbremsen, aufrechte Sitzposition, siehe dazu auch die Folgestory „Speed, Spaß, Schotter“) gut zurechtkommen und Gravelräder ein guter erster Kontaktpunkt mit dem Thema Rennrad sind. Doch auch klassische Räder, wenn es nicht gleich die extremste Aeromaschine oder das Tri-Zeitfahrrad ist, sind leicht zu beherrschen. Die Hersteller unterstützen den Trend und haben die Einstiegspreise noch weiter nach unten gezogen. Ab 600, 700 Euro findet man passable Einstiegsrennräder. Tipp: unbedingt auf Scheibenbremsen achten! Speziell Anfänger tun sich damit leichter. Und dann kann’s auch schon losgehen.

Aller Anfang ist leicht

Interview
Anders Ahlberg, Road Product Manager bei Trek in den USA

Was ist das ideale Einsteiger-Rennrad? Was muss es können?
Anfänger sollten ein Rad wählen, das ihnen Vertrauen gibt und Vielseitigkeit ermöglicht. Rennradfahren hat so viele Facetten, vom Kriterium bis Gravel. Anfänger wollen oft Allround-Räder, die alles abdecken, weil sie selbst noch nicht wissen, in welche Richtung sich ihre neue Leidenschaft entwickeln wird. Ich habe gerade einer Bekannten ein leichtes Alu-Einsteigerrad empfohlen, ein Checkpoint AL. Sie liebt es.

Welche Technik garantiert gute erste Erfahrungen? Braucht es ­Carbon, Scheibenbremsen und Di2 gleich zu Beginn? 
Das hängt natürlich vom Budget ab. Klar wäre ein Carbon-Rad mit Disc und elektronischer Schaltung gleich das Beste, aber das leistet sich nicht jeder. Scheibenbremsen sind allerdings meine klare Empfehlung! Sie sind so viel besser als Felgenbremsen und erlauben breitere Reifen – ein doppeltes Sicherheitsplus! Alu-Rahmen sind in den letzten 5 bis 10 Jahren extrem verbessert worden und auch die günstigen Schaltgruppen sind alle auf hohem Niveau. Ich bin kürzlich mit einer Sora-Schaltgruppe gefahren (Anm: zweitbilligste Einsteigergruppe) und war echt erstaunt, wie gut sie funktioniert hat. Bevor man aber zu sehr auf die Komponenten achtet, sollte man jemanden an der Seite haben, der dir das richtige Rad für deine Bedürfnisse und deinen Stil zeigt.

Was war technisch gesehen die größte Errungenschaft bei Trek in den letzten Jahren im Roadbereich? 
Bei Trek allgemein ganz sicher die WaveCel-Helme. Die Arbeit war hart, aber das Ergebnis ist beeindruckend. Am Rennradsektor ist es jenes Rad, das wir jetzt im Juni rausbringen –mehr darf ich noch nicht verraten! (lacht). Bei den bestehenden Techniken ist es sicher IsoSpeed (Anm: Rahmendämpfung durch Entkoppelung von Sattelrohr und Oberrohr sowie des Gabelschaftes im Steuerrohr). IsoSpeed hat die Art und Weise verändert, wie wir Rennräder konstruieren und hat diese ständigen Kompromisse auf vielen Ebenen eliminiert. Domane wurde komfortabler und Madone aerodynamisch noch schneller, wegen IsoSpeed.

Anders, wenn du in die Glaskugel schaust, wie werden wir in fünf Jahren Rennrad fahren? 
Generell werden wir bei Rennrädern wenige Kompromisse eingehen: So wie wir bei Domane und Madone, schneller und komfortabler. Wir werden auch in Zukunft keine Zwei-Kilo-Rennräder bauen, aber wir werden Rennräder haben, die vielseitiger einsetzbar sind und keine Kompromisse machen.