Du bist schon fleißig gelaufen, hast gut trainiert? Dann ist es an der Zeit, etwas Würze in deinen Trainingsalltag zu streuen – am besten mit der Teilnahme bei einem Laufevent. Hier erfährst du von einem echten Siegertyp, aus welchen Puzzleteilen du eine gute Startvorbereitung zusammenstellen solltest.

Achim Mörtl ist ein Wettkampftyp – und ein Erfolgstyp. Den Kärntner werden allerdings noch einige eher als erfolgreichen Motorsportler denn als Ausdauerathlet kennen. Daher die Erklärung: Seit fünf Jahren vertraut Mörtl, der seine Laufbahn einst in der Leichtathletik begann, später PS-starke Rallyeautos und Motorräder durch die Landschaft trieb, nur noch den PS in seinen Muskeln. Als Trailrunner, Biker und Triathlet – der aber nicht nur selber läuft, sondern auch mehrere Sportler unterschiedlicher Leistungsklassen coacht und auch als Fachreferent für Ausdauersport an der Bundessportakademie sein Wissen weitergibt.
Für uns ist damit Achim Mörtl auch genau der richtige Mann, um die Frage zu beantworten: Wie können Hobbyläufer und vor allem Wettkampfneulinge die letzten Tage vor einem Rennen bestmöglich nutzen. „Denn gerade da“, sagt der wettkampferprobte Achim, „wird von Freizeitläufern viel Potenzial verschenkt. Denn meistens beschränken sich die Vorbereitungen auf tägliches Nudelessen, ein Bierchen als Schlummertrunk gegen die Nervosität – sonst haben viele mit echter Wettkampfvorbereitung nichts am Hut.“

ERFOLG LÄSST SICH PLANEN
Klar: Ein lockeres Herangehen an einen Wettkampf, der ja schließlich auch Spaß machen soll, vielleicht sogar an den ersten Marathon – das ist ja auch kein Fehler. Und zu viel Verbissenheit schadet auch mehr, als sie nützt. Aber wer sich ein wenig mit der Sache auseinandersetzt, erhöht seine Chancen signifikant, sein selbstgesetztes Ziel zu erreichen, für das man schließlich im Vorfeld schon viel Zeit und Schweiß investiert hat. Und da sollte die eine oder andere zusätzlich gut investierte Stunde wohl noch drin sein.
Erfolge passieren nur in den seltensten Fällen aus Zufall – diese Profi-Weisheit gilt auch für Freizeitsportler. Achim Mörtl vergleicht es mit einem Puzzle: „Erst, wenn alle Teile richtig gelegt sind, ergibt sich ein stimmiges Bild.“ Konkret sind es drei Puzzlesteine, mit denen man sich in den letzten Tagen vor dem Rennen noch auseinandersetzen sollte:
1. Mit dem ganzen organisatorischen Ablauf rund um den Wettkampf;
2. mit der richtigen Ernährung in den Tagen vor dem Start;
3. und schließlich mit dem, was im Rennen selbst passieren kann und wie man dann damit umgeht.
Für alle drei Punkte gilt ein gemeinsamer Satz: Nur ja nicht planlos! Hintergrund für diese Empfehlung: „Wer einen genauen Plan hat und für Eventualitäten gerüstet ist, vermeidet Stress am besten. Denn Stress ist der größte Leistungskiller“, weiß Achim Mörtl und kommt dann gleich konkret zum ersten der oben genannten Punkte.

PUZZLETEIL 1: DIE ORGANISATION
„Mein Tipp: Jeder muss für sich persönlich den Ablauf der Veranstaltung durchstrukturieren.“ Wann reist du an, wann und wo sind die Startunterlagen abzuholen, und habe ich womöglich jemanden, der mir das erledigt? „Einen Partner oder Freund mit dabei zu haben, der einem hilft und organisatorische Dinge abnimmt, ist Goldes wert.“ Ganz logisch: Eine lange Anreise erst am Wettkampftag ist absolut kontraproduktiv. Je größer der Event, desto früher sollte man sich um ein Hotelzimmer kümmern, denn die Unterkünfte, von denen aus das Startgelände schnell zu erreichen ist, sind begehrt. Das solltest du also schon vor der letzten Woche erledigt haben.
Alles andere kann man locker in den letzten Tagen vor dem Rennen in Erfahrung bringen. Am besten die Homepage des Veranstalters von der ersten bis zur letzten Seite durchforsten – wenn auch nicht jede Info wertvoll ist, so hilft es doch, sich auf den Event einzustimmen. Auch die Beschäftigung mit dem Wetter ist wichtig, um den „Tag X“ gedanklich immer wieder durchspielen zu können. (Mehr zum „Visualisieren“ liest du weiter unten).

PUZZLETEIL 2: DIE ERNÄHRUNG
Ein Punkt ist rasch abgehakt: das Auffüllen der Kohlenhydratspeicher. Achim Mörtl, der selbst auf extremen Herausforderungen wie den „Salomon 4 Trails“ jedes Gramm Kohlenhydratreserve gut brauchen kann, ist nämlich kein Freund grammgenauer Vorwettkampf- Ernährungspläne. „Kohlenhydratlastig essen, ohne sich zu überessen – das reicht als Faustregel völlig“, sagt der erfahrene Wettkämpfer. „Grundsätzlich hat man zwei Möglichkeiten. Erstens die Sicherheitsvariante: Man füllt seine Glykogenspeicher randvoll an. Dafür reicht es, in den letzten drei, vier Tagen vor dem Lauf den Kohlenhydratanteil in der Nahrung deutlich zu erhöhen. Sprich: Nudeln, Reis und Kartoffeln sind erste Wahl.“
Möglichkeit zwei: die Superkompensation, die die körpereigenen Speicher noch vergrößert. Dafür sollte man vier oder fünf Tage vor dem Rennen mit einem Lauf um die zwei Stunden die Speicher komplett entleeren – und dann mit dem Auffüllen beginnen. Das zahlt sich aber erst bei Renndistanzenab dem Marathon aus – und vor allem gilt der Grundsatz: „Die Ernährung keinesfalls radikal umstellen oder dem Körper etwas geben, das er nicht kennt. Das bedeutet mehr Stress als es nützt.“

PUZZLETEIL 3: DER RENNABLAUF
Die meiste Aufmerksamkeit solltest du aber dem (potenziellen) Rennablauf im engeren Sinn widmen. Nach dem Motto: Den Erfolg „fühlen“ – über Pannen reden.
Punkt 1: Die Strecke will genau studiert sein, besonders, wenn es dort auch bergauf und bergab geht. Aber auch bei einem Stadtmarathon zahlt es sich aus, sich die Streckenabschnitte einzuprägen, eine klare Struktur zu schaffen, mit Hilfe derer du dir das Rennen einteilst. Internet-Recherche zum Streckenprofil ist das Mindeste, ideal wäre es, wie die Profis die Strecke oder einzelne Schlüsselstellen vorher abzulaufen.
„Streckenpläne, Höhenprofile, Erlebnisberichte – alles kann helfen, um später möglichst wenig überrascht zu werden. Und um sich schon vorab eine Taktik zurechtzulegen. Dazu gehört auch eine an die persönliche Zielzeit abgestimmte Marschtabelle.“ Hat man das erledigt, folgt das „Visualisieren“ bzw. die „Gesprächsregulation“.
Zur Erklärung dieser beiden Begriffe: „Visualisieren“ betrifft die positiven Erlebnisse. „Also alles, was man sich beim Rennen wünscht – dass die Beine leicht sind, die Marschtabelle stimmt, das Publikum einen anfeuert – das stellt man sich möglichst bildlich vor. Mehr noch, man fühlt es richtig im Vorfeld – und dann wird es auch eher eintreffen. In einem Rennen gut drauf zu sein, und damit Erfolge zu haben, kann man so tatsächlich steuern“, weiß der Wettkämpfer Mörtl.

REDEN STATT FÜHLEN
Die dunklen Seiten des Wettkämpfer-Lebens sollte man aber nicht verdrängen, sondern sich ebenfalls aktiv mit ihnen beschäftigen, bis hin zum Worst-Case-Szenario. Und dabei vorweg Lösungen suchen und finden: „Vom Stolperer bis zum ‚Mann mit dem Hammer‘ – was kann mir alles passieren, und wie hole ich trotzdem das Beste aus der jeweiligen Situation raus?“ Fast überflüssig zu erwähnen: „Einfühlen“ sollst du dich in ein Malheur natürlich nicht – besser ist es, darüber zu reden, als nur Denkarbeit zu leisten. Sprich mit einem Coach, einem Vereinskollegen, deinem Partner – oder (wenn grad niemand zur Hand ist) auch mit dir selbst. Und denk bei dieser „Gesprächsregulation“dran: Es muss und wird wahrscheinlich ja nichts Schlechtes passieren – aber wenn doch, kann dich auch das nicht umhauen.

AUCH EIN RITUAL KANN HELFEN
Und dann, direkt vor dem Start des Wettkampfs? Wer will, denkt sich dafür noch ein „Ritual“ aus (falls man sich noch keines angewöhnt hat), und behält es dann bei jedem Rennen bei. Denn das machen die Profis auch: Marathon europameister Viktor Röthlin geht nie ohne Röstimahlzeit an den Start; Haile Gebrselassie bekreuzigt sich vorm Loslaufen; oder – über den Tellerrand geblickt: David Beckham schießt vorm Anpfiff Bälle kerzengerade in die Luft, und Rafael Nadal richtet seine Trinkflaschen streng parallel zur Seitenlinie aus. „Das alles hat nichts mit Aberglauben oder Tick zu tun. Solche Rituale helfen, in einen Flowzustand zu kommen und signalisieren einem selbst, handlungsorientiert unterwegs zu sein“, weiß Achim Mörtl.
Aber sollte dir dieser letzte Tipp doch zu „strange“ erscheinen: Hast du im Vorfeld Mörtls drei Puzzleteile richtig ausgelegt, dann wird’s am Fehlen eines Rituals garantiert nicht scheitern, dass du dein erstes Rennen 2012 mit viel Spaß und auch erfolgreich hinter dich bringen wirst.

Weitere Tipps und Trainingsvorschlag für die Woche vor dem Wettkampf findest du hier.


DER EXPERTE
ACHIM MÖRTL (43) aus St. Jakob i. R. (K) ist Top-Leistungssportler (u. a. dreifacher Rallyestaatsmeister), Alpinist und seit 2007 ehrgeiziger Ausdauersportler (Berglauf, Rad, Triathlon). Dazu ausgebildeter Trainer sowie Fachreferent an der Bundessportakademie für Ausdauersport und Trainingslehre. Achim Mörtl veranstaltet in seiner Heimat Südkärnten Camps für Hobbyausdauersportler.
Kontakt:
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