Vor einer Hundertschaft ausgewählter Journalisten aus aller Welt präsentierte adidas in seiner Zentrale im bayrischen Herzogenaurach einen Laufschuh, der laut Eric Liedtke, dem Head of Sport Performance, nicht weniger als eine „Revolution“ darstellt: Dank neuartiger Zwischensohle verspricht der „Boost“ laut internen Tests „den höchsten Energie-Rückgewinn in der gesamten Industrie“, und das bei Temperaturen zwischen minus 20 und plus 40 Grad bei gleichbleibender Leistung vom ersten bis zum letzten Schritt.
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Angestoßen wurde der Entwicklungsprozess vor mehr als drei Jahren, wie Bernd Wahler, der Chef des Innovationspools, im Gespräch mit dem Sportmagazin erzählt: „Wir haben Sportler gezielt nach spezifischen Bedürfnissen befragt und parallel dazu ein Team aus Biomechanikern, Sportmedizinern, Materialentwicklern und anderen Experten zusammengestellt, das sich mit den neuesten wissenschaftlichen Errungenschaften auseinandersetzt und überlegt, wie man diese in unserem Sinne nutzen könnte.“
Das altbekannte Dilemma vieler Läufer sei, fasst Wahler das Ergebnis der Befragung knapp zusammen, dass sie sich zwischen „bequemen“ oder „schnellen“ Schuhen entscheiden müssen. „Das Problem liegt in den physikalischen Eigenschaften von Ethylenvinylacetat, aus dem Sohlen normalerweise gefertigt werden: Die Schockabsorption an der Ferse killt zu viel Energie. Unsere Herausforderung war also: Wie kann man komfortables Laufen mit noch mehr Dämpfung gewährleisten und gleichzeitig die Energie, die man in jeden Schritt investiert, wieder herausbekommen?“
In Zusammenarbeit mit dem Chemieriesen BASF wurden kleine Kunststoffpellets entwickelt, die „noch vor fünf Jahren nicht denkbar gewesen wären, weil die Basis für den Verarbeitungsprozess erst gefunden werden musste“. Gerd Manz will über die Herstellung allerdings wenig sagen, „weil uns dieses tiefere Prozessverständnis einen wichtigen Wettbewerbsvorteil sichert“. Was der Chef eines 90-köpfigen Innovationsteams allerdings verraten kann, sind prinzipielle chemische Infos: „Das Vorprodukt ist ein ungeschäumtes Polymer, präziser: ein thermoplastisches Polyurethan, das in einem Glasprozess zu Schaum verwandelt wird.“
Etwa 2500 Stück werden je nach Schuhgröße zu einer Sohle fusioniert. Das Geheimnis ihrer energiegeladenen Wirkung liegt in ihrem Aufbau: „Die Zellen in der Kapselmitte sind sehr weit und werden gegen die Ränder hin immer enger. Diese anisotrope Verteilung von Bläschen erlaubt diesem weichen und trotzdem sehr widerstandsfähigen Material, immer wieder in die ursprüngliche Form zurückzukehren.“ Ben Herath zeichnet für die Optik des Schuhs verantwortlich: „Produkte wie das iPhone haben das Bewusstsein der Konsumenten für klare Formen geschärft. Inspiration für das Aussehen des Schuhs haben wir uns bei Premiumgeräten aus der Elektronikbranche ebenso geholt wie beim Interieur eleganter Autos oder bei schönen Möbeln. Der Schuh soll in die Lebenswelt potenzieller Kunden passen.“
Bei seiner Arbeit, die sich von der ersten Skizze vor drei Jahren bis zum finalen Produkt „einmal im Kreis gedreht hat, um letzt endlich nach unzähligen notwendigen Versuchen recht nah an der ursprünglichen Idee zu enden“, ging der Industriedesigner gern Kompromisse zugunsten der Performance ein: „Natürlich haben Resultate biomechanischer Tests großen Einfluss auf das Aussehen. Wichtig ist, dass das Design auf den ersten Blick signalisiert, wie viel Energie in ihm steckt. Aber noch wichtiger ist, dass die erstaunlichen Eigenschaften tatsächlich zum Tragen kommen.“
Für Bernd Wahler ist mit der Markteinführung nur ein erster Schritt getan: „Wir konzentrieren uns vorläufig auf Laufschuhe, die die größte Kategorie auf dem Weltmarkt darstellen, doch die Technologie ist für viele weitere Sportarten absolut denkbar.“ Die neue Zwischensohle soll sich zum dominanten Verkaufsschlager der kommenden Jahre entwickeln – und sie soll in der Welt des Sports deutliche Spuren hinterlassen: „Wenn Läufer weniger Energie verlieren, wirkt sich das auf ihre Performance aus: Sie werden schneller. Ich denke, dass eines Tages ein Marathon mit einem Boost unter zwei Stunden gelaufen wird."