Selbstverwirklichung in der Krise – geht das? Martin Heidlmair hat es getan und nicht bereut, weil er knallhart rechnet. Der Hüttenwirt war früher Banker.
Ein bisschen Installateur, ein klein wenig Techniker, dazu noch Koch, Wirt und beinhart im Rechnen oder ganz einfach: „Der Hüttenwirt ist kein Job für Träumer.“ Martin Heidlmair muss es wissen. Der 48-Jährige kündigte im Mai 2019 seinen sicheren Job als Geschäftsleiter einer selbstständigen Bank in Hinterstoder, um sich zuerst einmal eine Auszeit zu gönnen. „Ich wollte das alles so nicht mehr. Zwei Drittel meiner Arbeit waren Administratives, es blieb fast keine Zeit mehr für Kundenkontakt“, so der Naturbegeisterte, der 26 Jahre lang im Bankwesen tätig war, 15 davon in der IT.
95 Prozent meiner Gäste sind Österreicher, die in normalen Jahren wegfliegen, um Urlaub zu machen.
Nach einer kurzen Auszeit stieß er auf ein Inserat der Naturfreunde Linz – man suchte einen Pächter für das Rohrauerhaus am Großen Pyhrgas. Und so wechselte er seinen Businessanzug gegen Bergstiefel und die Bank gegen die Schutzhütte auf 1308 Metern Seehöhe. Aussteiger- und Umsteigerträume wie sie vor der Coronakrise oftmals zu lesen waren. Einfach aus der Tretmühle aussteigen, sich selbst verwirklichen und neu anfangen – den Reset-Knopf für das Ich und den Lebenslauf drücken. Ob Heidlmair bereut, kurz zuvor einen sicheren Job gegen die Selbstständigkeit getauscht zu haben? „Bereut habe ich es noch keinen Augenblick lang, aber vor allem auch, weil ich als Bankmensch alles genau durchgerechnet habe. Und zwar Winter ohne Schnee und Sommer mit Regen –und davon habe ich dann auch noch einmal 25 Prozent abgezogen“, erklärt der Hüttenwirt, der auch als Naturparkranger im Naturpark Kalkalpen tätig ist. Die durch Corona bedingte Pause nutzte er, um die Kachelöfen herzurichten und die Dichtungen auszutauschen. Geschichten wie seine locken natürlich Interessierte an, die auch gerne ihren Jobtraum verwirklichen würden. „Ja, die Menschen haben eine enorm romantische Vorstellung vom Leben heroben. Aber die Wahrheit ist: Man ist zwar in der Natur, aber man hat keine Zeit dafür.“
Seit Mitte Mai hat Heidlmair nun wieder geöffnet – „und dann hat es uns gleich einmal die Grenzen aufgezeigt“. Denn durch den Lockdown und die schwierigen Reisebedingungen ins Ausland suchen Österreicher zu Hause die Erholung. „Das merkt man spätestens daran, wenn dir 150 Liter Suppe an einem Tag nicht ausreichen“, lacht der Wirt. Vor allem Radfahrer und Weitwanderer sind seine Gäste, liegt die Hütte doch auf der Via Alpina, einem Weitwanderweg, der von Wien nach Bregenz führt. „95 Prozent meiner Gäste sind Österreicher, die in normalen Jahren schon wegfliegen, um Urlaub zu machen, sich heuer aber nicht drübertrauen.“ Rückblickend ist Heidlmair also froh, sich für diesen Weg entschieden zu haben. „Mein Rat ist, einfach machen, aber mit beinharter Rechnung und einem detaillierten Plan. Ob nun Corona oder nicht, ist aus meiner Sicht komplett egal.“ Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber leider auch hier: „Als ich in der Bank gearbeitet habe, war ich fast mehr in der Natur als jetzt. Heute stehe ich vor allem in der Küche, aber ich mache etwas, das ich gerne tue. Außerdem versuche ich, mir immer wieder einen Tag abzuzwacken, um auf den Berg oder wandern zu gehen.“
Rohrauerhaus
Das Rohrauerhaus ist nach dem Mitbegründer des Touristenvereins Naturfreunde, Alois Rohrauer, benannt. Das Haus liegt im Gemeindegebiet von Spital am Pyhrn in Oberösterreich auf 1308 Metern Seehöhe und ist eine Schutzhütte der Naturfreunde Österreich. Der Weg zur Hütte ist ein Teilstück des Europäischen Fernwanderwegs E4 und des Österreichischen Weitwanderwegs 01 (Nordalpenweg). Begehbar von Spital oder von der steirischen Seite von Ardning und Admont. Vor allem die Besteigung des Großen Pyhrgas (2245 Meter) ist von hier aus beliebt.
Die Hütte wurde 1925 eröffnet, brannte 1933 ab und konnte erst 1957 wiedereröffnet werden.
WEB: www.rohrauerhaus.at