Youtube-Nachahmer, fette Reifen und E-Bikes verlangen nach einer Nachschärfung beim Thema Trail-Etikette: Für ein respektvolles Miteinander im Einklang mit der Natur braucht es neue Regeln, damit es zwischen Mountainbikern, E-Bikern und Wanderern nicht funkt.
Im Herbst gab es heftige Diskussionen um ein Video von Fabio Wibmer. Der österreichische Mountainbiker mit eigenem Youtube-Kanal fuhr für eine Red-Bull-Produktion die Berglaufstrecke des Dolomitenmanns in Lienz hinunter. An sich noch kein Drama, doch Wibmer, der sonst mit blitzsauberen Trialvideos für Aufsehen sorgt, verzierte ein paar der hochalpinen Trailabschnitte durch ein blockierendes Hinterrad mit langen Bremsspuren. Das reichte. Das Video hatte nach neun Minuten 1000 Likes (mittlerweile 37.000, 653 Daumen nach unten, 1800 Kommentare) und in vielen Bike-Foren entbrannten die Diskussionen um richtiges Verhalten beim Biken, Öko-Argumente und Trail-Etikette im Allgemeinen.
Zur Ehrenrettung Wibmers: Bis auf diese paar Sekunden ist das Video sonst frei von fahrtechnisch fragwürdigen Szenen – die Aufregung im Internet also auch ein wenig heuchlerisch –, aber die Vorbildfunktion von bekannten Bikern und deren Bildern war wieder Thema. Die Bike-Branche kann sich selbstkritisch an der Nase nehmen, denn Hersteller, Vermarkter, Magazine und Videoproduzenten setzen allzu oft auf spektakuläres Material von Fahrszenen, die – wenn überhaupt der Fahrrealität entsprechend – wegspritzende Steine und in Zeitlupe aufwirbelndes Erdreich und Wurzelwerk zeigen. Diese „Youtube-Fahrtechnik“ findet dann viele Nachahmer in den heimischen Wäldern und Bergen, auch wenn dort gerade keine HD-Videoproduktion abläuft. Techniken wie der dem Rallyesport entliehene „Scandinavian Flick“, wo ein Gegendrift den eigentlichen Drift einleitet, hinterlassen unweigerlich massive Spuren. Der Trend der letzten Jahre zu sehr breiten und griffigen Reifen vergrößert den Effekt aggressiver Lenk- und Bremsmanöver genauso wie der Umstand, dass viele Biker sich im Bikepark eine spektakuläre Fahrweise aneignen und dann in der Natur nicht ablegen. In Parks sind professionelle Shaper mit der Pflege der Strecken beschäftigt, im Wald nicht.
Neu und stärker spürt man auch die Auswirkungen des E-Bike-Booms, der auf die Trails schwappt. Die enorme Power der Motoren und die ebenfalls breiten Reifen können zu unschönen Spuren führen, im schlimmsten Fall kombiniert mit weniger versierten Neueinsteigern ohne Erfahrung ein neues Problemfeld.
So bitte nicht! Videos und spektakuläre Bilder verleiten zu aggressiver Fahrtechnik. Wenn schon, dann im Bikepark, nicht im Wald.
Die Lösungen
Die Konflikte Naturnutzer vs. Natur und Naturnutzer vs. Naturnutzer sollen aber vermieden werden. Das Trailbiken ist eine relativ neue Disziplin, es gibt bis auf die Gesetzeslage kein allgemein gültiges Regelwerk fürs Mountainbiken. Wir haben uns auf die Suche gemacht nach guten Ideen und Ansätzen der letzten Jahre (siehe in der Tabelle unten) und sind bei den Naturfreunden Österreich, „Bergwelt Tirol – Miteinander erleben“, den klassischen Regeln der Innsbrucker Vertriders und in Deutschland bei der DIMB (Deutsche Initiative Mountain Bike) fündig geworden. Allen gemein und unveränderlich sind Grundsätze wie Respekt, kein Lärm, kein Müll, freundliches Grüßen, Eigenverantwortung und Selbsteinschätzung. Zum Teil werden jetzt aber auch neue Ideen benötigt. Wie die folgende Empfehlung aus einem E-Bike-Video: „Beim Überholen von Mountainbikern ohne E-Antrieb Respekt zeigen. Nicht vergessen: Du fährst mit Unterstützung, sie nicht.“
Klassische Regeln der Vertriders Innsbruck | Trailrules der DIMB (Deutsche Initiative Mountain Bike) | Biker Fair-Play-Regeln der Naturfreunde Österreich |
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