Elisabeth Fürstaller ist Bergführerin in Heiligenblut im Kärntner Großglocknergebiet. Ein Gespräch über die Freiheit der Berge, Verantwortung des Bergführerberufs – und warum sie immer schon Bergführerin sein wollte.
Dein Vater war schon Bergführer. Welche Kindheitserinnerung in Bezug auf die Berge kommt dir in den Sinn?
Spontan fällt mir eine Tour auf den Ritterkopf ein, einer meiner ersten 3000er. Wir waren mit dem Papa unterwegs und man hat den Gipfel gesehen, er hat so nah ausgeschaut und ich habe gedacht, jetzt sind wir gleich oben. Dabei waren wir nicht einmal bei der Hälfte. Man geht und geht und irgendwann ist man doch oben und da war ich irrsinnig stolz. Eine andere Erinnerung ist, dass, bevor der Vater aufgebrochen ist, die Bergsachen immer so schön aufgebreitet gelegen sind, die Mannerschnitten zwischendrin. Dann war er wieder weg. Wenn er wieder heimgekommen ist, habe ich mich riesig gefreut, weil ich gewusst habe: Jetzt bin ich wieder dran, jetzt kann ich mit ihm gehen.
Wann und wie hast du deine Liebe zu den Bergen richtig entdeckt?
Das ist mit dem Vater einhergegangen. Wir waren fünf Geschwister auf einem Bergbauernhof, waren von dem her immer in Bewegung, sind als Kinder schon geschickt worden, nach den Tieren zu schauen. Meistens sind wir zu dritt gegangen, meine zwei älteren Schwestern und ich, damit wir aufeinander aufpassen. Zwischen 8 und 10 Jahren war ich so oft schon den ganzen Tag in den Bergen unterwegs. Das Größte war immer, auf einen Berg raufzukommen, später dann auch das Klettern, zu dem mich der Vater auch immer mitgenommen hat.
Der Entschluss, die Ausbildung zur Bergführerin zu machen, kam wann?
So weit ich zurückdenken kann, wollte ich immer Bergführerin werden. Mein Vater hat sehr früh mit seinem Bruder zusammen bei uns daheim in Taxenbach eine Alpinschule gegründet und da habe ich schon sehr viel geholfen. Von klein auf wollte ich immer gleich cool sein wie mein Vater und das Gleiche machen wie er.
Was ist das Schöne am Bergführersein – dort unterwegs sein zu können, wo man gern ist? Oder ist es das Zwischenmenschliche?
Sicher beides. Irgendwo erfüllt man sich selber Träume. Dass man unterwegs sein kann und auf Berge kommt, die man privat vielleicht nicht ansteuern würde. Die Bewegung – ohne Bewegung würde ich mich fühlen wie ein eingesperrter Vogel, der in seinem Käfig verhungert. Und den Gästen kann man das geben, was man sich selber wünscht – man erfüllt ihnen einen Traum. Das ist ein schönes Gefühl.
Dein Gebiet ist der Großglockner von Heiligenblut aus. Hat die Region für dich etwas Besonderes – oder hat sich das einfach ergeben?
Es hat sich von der Kindheit aus schon irgendwie ergeben, weil meine Mutter oft gesagt hat, der Vater ist am Großglockner unterwegs. Sobald ich meinen Radführerschein hatte, bin ich von Taxenbach aus mit dem Rad zum Glockner hingeradelt, das Käfertal rein. Das gehört überhaupt stark zu meiner Kindheit dazu. 2000 bin ich nach Kärnten gezogen und habe den Glockner von der Kärntner Seite kennengelernt. Irgendwie ist er von beiden Seiten Heimat. Die Salzburger Heimat habe ich ja aufgegeben, erhalten geblieben ist sie mir über den Großglockner und die Region, die Grenzberge. Ich bin auch irrsinnig gern Mitglied beim Verein der Heiligenbluter Bergführer, wofür extra die Statuten geändert wurden, um als „Externe“ aufgenommen zu werden.
Wie oft warst du schon am Glocknergipfel – oder bist pro Saison oben?
Mitgezählt habe ich nicht. Zwischen 30 und 60 mal pro Sommersaison. Heuer werde ich wieder sehr viel oben sein.
Wenn man so viel beruflich in den Bergen unterwegs ist – gibt es die besonderen Momente da noch?
Auf jeden Fall. Die gibt es immer. Entweder weil man sich selber anstrengt und etwas erreicht oder weil es einfach ist, wie es gerade ist. Ob beim Bergsteigen, mit den Skiern unterwegs oder beim Klettern – es gibt einfach diese Augenblicke, die bleiben dir voll in Erinnerung. Ein superspezieller Kletterzug zum Beispiel, der gelingt. Es kann aber auch die Wetterlage sein.
Ohne Bewegung würde ich mich fühlen wie ein eingesperrter Vogel, der in seinem Käfig verhungert.
Und gibt es diese speziellen Momente auch mit Gästen unterwegs oder eher privat auf Tour?
Die gibt es immer. Ich würde da keinen Unterschied sehen. Ein großer Unterschied von privaten Bergtouren zum Führen ist natürlich, dass du eine ganz andere Verantwortung zu tragen hast. Die Zielsetzung ist natürlich eine andere: Beim Führen geht es nicht um meine Ziele, sondern darum, die Gäste so gut wie möglich zu unterstützen, dass sie ihr Ziel erreichen. Aber das Bergsteigen selber macht mit Gästen genauso Freude und Spaß und ich bin genauso gefordert.
Was muss jemand haben, damit du gern mit ihm oder ihr unterwegs bist?
Auf privaten Touren: Eigenverantwortung tragen, Verantwortungsbewusstsein haben. Eine Bergpartnerschaft ergibt sich im Lauf der Zeit, irgendwann versteht man sich ohne große Worte. Gerade beim Klettern und wenn es technischer wird, verlässt man sich auf einen Partner, dem kann man blind vertrauen. Speziell beim Klettern redet man oft gar nicht mehr viel miteinander, weil man alles übers Seil spürt.
Wie siehst du das Thema Eigenverantwortung bei Gästen?
Bis zu einem gewissen Punkt dürfen sie die Verantwortung abgeben, deswegen nimmt man sich auch einen Bergführer. Eigenverantwortung ist dennoch nötig und fängt schon dort an, zu wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie sich zu einer Tour entschließen.
Deine Tochter ist sieben – was versuchst du ihr in Bezug auf Natur und Berge zu vermitteln?
Achtsam mit der Natur umzugehen und sie zu schätzen. Auch zu schätzen, dass man selber fähig ist, sich draußen zu bewegen. Dass man den ersten Schritt machen kann und sagen, ich will da jetzt rauf, und auch, dass man nicht gleich aufgibt, sondern dranbleibt. Das lebt sie schon – sie hat volle Freude, wenn sie sich bewegen kann und draußen sein kann. Ich hab noch zwei mittlerweile erwachsene Söhne, die ab der Pubertät ganz andere Interesse hatten. Beide leben mittlerweile in Deutschland und entdecken das alles wieder, haben echt Sehnsucht nach den Bergen, der Freiheit und Schönheit, die wir hier haben.