Was die Outdoorbranche aktuell bewegt und womit man in Sachen Ausrüstung und Bekleidung in naher Zukunft rechnen darf.  

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Mit der nunmehr 16. Auflage der Alpinmesse in Innsbruck und der legendären ISPO München in den Büchern, ließen sich die Hersteller der Berg- und Outdoorbranche ein weiteres Mal bereitwillig in die Karten des aktuellen und kommenden Jahres blicken. Was man dabei so erspäht? Ohne Frage, die Performance steht bei Berg­sport- und Outdoorprodukten nach wie vor im Fokus. Allerdings stellt man diese nicht mehr kompromisslos über alles – und schon gar nicht über die Umwelt. Das Thema Nachhaltigkeit, so erweckt es den erfreulichen Anschein, hat sich vom „Trend“ zum neuen „Normal“ entwickelt. Im Gros der Käuferschichten hat sich die fragile Vergänglichkeit von „Spielplatz Natur“ ins Bewusstsein gebrannt, was Kaufentscheidungen beeinflusst, Toleranz auch gegenüber mitunter höheren Preisen oder leicht verringerte Performance (etwa durch PFAS-freie Textilien, die dadurch zwar „gesünder“, aber auch weniger wasserabweisend sind) schafft und Hersteller einen neuen, grüneren Markt erschaffen lässt. Die Verwendung von Recycling- und Naturmaterialien ist dabei bei nachhaltig orientierten Produkten zum neuen Standard geworden, aktuelle Innovationen drehen sich in diesem Sektor schon eine Ebene weiter, hin zu recyclingfähigen und reparierbaren Produkten.

Performance, breit gedacht
Was auch durch die Bank auffällt: Immer mehr Produkte werden vielseitiger oder sogar multifunktional gedacht, wodurch sich die Einsatzbereiche erweitern und teils sogar mehrere Sportarten mit einem Produkt abgedeckt werden können. So wagt etwa am heiß umkämpften Skitourenschuhmarkt Dynafit mit dem neuen Ridge Pro aus der Feder von Pin-Bindungs-Erfinder Fritz Barthel und Eric Hjorleifson mit neuer, innovativer zweiteiliger „Floating Tongue“, 70° Schaftrotation und einem Gewicht von 1250 Gramm den Spagat zwischen agilem und schnellem Speed-Tourenskischuh und vertrauenerweckend stabilem Abfahrer. Zunehmend erweitern klassische Isolationsjacken beispielsweise durch wasserdichte Ausrüstung ihren Einsatzbereich von der reinen Wärme-Lage hin zum durchaus wetterfeste(re)n Outdoorbegleiter. Und Hersteller Oakley, um hier ein weiteres Beispiel zu nennen, macht mit seiner in wenigen Handgriffen von der   Goggle zur Sonnenbrille umfunktionierbaren „Flex Scape“ sozusagen den Ganzjahreseinsatz möglich. Und auch Lawinenrucksack-Vorreiter ABS schlägt mit seinem A.Round Lawinenrucksack mit einfach abnehmbarem Twin-Airbag-System ein neues Kapitel auf, was den Bergsportrucksack zum ganzjährigen Begleiter macht.
 

Gerne werden aber auch Bekleidung oder Accessoires für gleich mehrere Sportarten entwickelt. Wie der Salomon MTNLab-Helm oder der Mammut Haute-Route-Helm, die beide die Sicherheitsnormen für Alpin, Bergsteigen und Radfahren erfüllen, was eine breite Nutzung im sportlichen Alltag ermöglicht. Apropos Alltag – auch dass es seit Jahren in sportiven Kreisen als chic gilt, sich durchaus alpin gekleidet den täglichen Aufgaben zu stellen, hat die Branche mittlerweile für sich genutzt, kombiniert dafür bei vielen Jacken, Hosen, Shirts und Westen geschickt alpine Performance-­Attribute mit praktischen Alltags-Features und zeitlosen Designs – oder verpasst umgekehrt ihren High-End-Modellen urbanen Flair. Nicht wenige Hersteller, denen man per Tradition eher die Berge denn die Laufstege ans Firmenlogo heften würde, greifen dazu sogar auf eigene Kollaborationen mit bekannten Designern zurück. Ein durchaus nachvollziehbarer Gedanke, bedenkt man die Preise hochwertiger Outdoorkleidung – wäre doch schade, diese hochfunktionalen und wertvollen Teile für wenige (Wochenend-)Einsätze im Jahr aufzusparen?

Umweltfreundlich performant
„Was die wasserabweisende Wirkung betrifft, die eine Schlüsselfunktion darstellt, werden wir immer effizienter – aber wir sind noch nicht da, wo wir vor 15 Jahren waren, weil PFAS entfernt wurden“, erklärte uns vor einigen Monaten Fredrik Lundberg, RD&D-Director von Norrøna, angesprochen auf PFAS-freie Funktionskleidung. Ja, was den Faktor wasserdicht/wasserabweisend betrifft, muss man als Kunde für die Umwelt noch kleine Abstriche machen. In anderen Aspekten sind nachhaltige Technologien aber mitunter sogar überlegen. Die Outdoorindustrie dreht tatkräftig an allen Schrauben, um hier trotz umwelt- und menschenfreundlicher Materialien bestmögliche Performance bieten zu können. Hersteller wie Houdini stricken sich beispielsweise ihre Shells zu 100 % aus natürlich wasser- und windabweisender Merinowolle. Das sogenannte Wool shell™ ist dabei zirkulär produziert, recycelbar und biologisch abbaubar. Vaude und Partner UPM zeigten auf der ISPO die erste Fleecejacke aus holzbasiertem Polyester.

Einige Hersteller beschreiten in Sachen Recycling wie bereits eingangs angesprochen künftig neue Wege. Statt etwa wie bisher PET-Flaschen zu recyceln, werden nun teils auch eigene Textilabfälle oder gebrauchte Kleidung aufgearbeitet, um Weggeworfenes zu reduzieren. Mehr und mehr Produkte werden darauf ausgelegt, zum Ende ihres Lebenszyklus möglichst einfach recycelbar zu sein – von der Jacke über den Ski bis zum Rucksack oder Schuh. Berghaus setzt hier etwa beim Freeflow 30+ Rucksack, genauer: bei dessen innovativem ergonomischen Tragegestell, auf Bluesign-zertifiziertes und vor allem zu großen Teilen recycelbares Polypropylen. Vereinzelt helfen QR-Codes den „Entsorgern“ mit Infos zur Materialzusammensetzung, Monomaterial-Produkte erleichtern ebenfalls die Kreislaufwirtschaft. Tecnica setzt hier beispielsweise im Rahmen seines „Recycle Your Boots“-Projekts bereits auf QR-Codes, um Sortierpartnern am Ende des ersten Lebenszyklus seiner Skischuhe wichtige Infos zu jedem einzelnen Bestandteil liefern zu können. Tecnicas neu aufgelegter Klassiker für Tourengeher mit gehobenen Ansprüchen an die Abfahrtsperformance, der neue Zero G Tour Pro, kommt künftig nicht nur mit optimierter Passform, dahingehend neu positionierten Schnallen, 1,5° mehr Vorlage und auf 1290 Gramm reduziertem Gewicht, sondern er folgt auch dem „Eco-Design“-Anspruch des Unternehmens, bei dem jedes einzelne Teil auf seine CO2-Emission hin untersucht und optimiert wird. Am Zero G Tour Pro kommt deshalb PU statt PVC zum Einsatz, das Lycra im Innenschuh ist recycelt und das Aluminium der Schnallen recyclingfähig. 

Nachhaltigkeit wird in der Outdoorbranche mittlerweile beinahe schon als das neue „Normal“ angesehen.

Das nachhaltigste Produkt bleibt aber immer noch das, welches man bereits besitzt. Und hier spielt nicht nur die Langlebigkeit, sondern vor allem auch die Reparaturfähigkeit eine große Rolle. Im Textilbereich bieten viele Hersteller bereits (teils sogar kostenlose) Reparaturservices an, mitunter werden Reparatursets direkt mitgeliefert. Hersteller wie beispielsweise Gear Aid bieten auch eigene Reparaturkits für alles von der Daunenjacke über den Rucksack bis zum Moskitonetz. Im Berg­sportbereich lässt sich das Leben eines Schuhs dank Wiederbesohlung seit Jahrzehnten verlängern, ein Ansatz, den manch Hersteller aber hier nun breiter, etwa auch im Zustiegsschuhbereich, denkt.

Nachhaltig bis performant – die Outdoorbranche bleibt spannend.