Das Wasser von Wildflüssen ist auch im Hochsommer nichts für Warmduscher. Für alle anderen aber eine echte Erfrischung. Wie man sich als Neuling ans Paddeln im Wildwasser herantastet.

Christof Domenig
Christof Domenig

Eine Grundregel bei Sportarten im Wildwasser ist es, sich der Wassertemperatur und nicht der Lufttemperatur gemäß zu kleiden. Dabei gibt es nämlich im Hochsommer immer wieder Missverständnisse. „Doch auch, wenn es draußen 30 Grad heiß ist, haben Wildflüsse oft unter 10 Grad. Das gibt dann schon einen ordentlichen Kälteschock“, sagt Christian Tiefenbacher, Kanu-Instruktor und Bundesreferent der Naturfreunde für die Paddelsportarten. Immer wieder sehe man vermeintlich coole Typen mit freiem Oberkörper unter der Schwimmweste. „Aber wenn man einmal so nass geworden ist, und im Luftzug noch weiter auskühlt – dann kann das schon ungut werden.“ Abgesehen davon: „Ungut“ ist am Kajaksport, und überhaupt am Kontakt mit dem Wildwasser, eigentlich kaum etwas. Bestätigen alle, die es schon einmal ausprobiert haben, etwa auch beim Abenteuer- und Teamsport Rafting. Da ist die Einsteigsschwelle am niedrigsten (siehe Kasten hinten). Beim Kajak-Sport soll der Einstieg unbedingt mit dem Besuch eines Kurses erfolgen. „Das ist eigentlich Pflicht. Wenn man dann die Grundtechniken kennt und beherrscht, und die Grundregeln beherzigt, dann lässt sich die Sportart sehr sicher betreiben. Auf eigene Faust kann es gefährlich werden“, sagt Tiefenbacher.

Wie eine andere Welt
Richtig gelernt, gehört es zu den schönsten Naturerlebnissen überhaupt, mit dem Kajak einen Wildfluss zu befahren. „Es ist ähnlich wie beim Klettern: Man geht im Tun und im Augenblick auf und blendet alles aus, was den Kopf im Alltag belastet. Außerdem zeigt sich einem der Naturraum von einem Fluss aus in völlig anderem Licht. Es ist wie in einer anderen Welt“, so beschreibt es der Kajak-Instruktor, der diese Sportart seit 29 Jahren betreibt. Einsteiger-Kurse dauern meist über ein „verlängertes“ Wochenende. Besser: Fünf-Tage-Kurse wählen, da lässt sich entsprechend mehr vom Instruktor mitnehmen. Zur Kursteilnahme braucht es nicht viel: Man muss schwimmen können und zwölf Jahre alt sein. Badehose und Badetuch bringt man mit. Alles andere bekommt man geliehen. Also: Neoprenanzug, Neoprenjacke und -schuhe, Helm und Schwimmweste. Und natürlich ein Kajak, passend zur Körpergröße – dazu die Spritzdecke und ein Doppelpaddel. 
Material und Verhaltens-Basisregeln werden noch im Trockenen erklärt, die richtige Sitzposition wird eingestellt. Und dann geht es ins Wasser – wenngleich einmal ins Ruhige eines Sees.
Doch die Ruhe täuscht. Denn mit dem Kentern und Aussteigen steht gleich einmal die erste richtige Mutprobe auf dem Programm. Sich im Boot sitzend umfallen zu lassen, mit dem Kopf unter Wasser die Spritzdecke zu lösen, Ruhe zu bewahren und bei all dem das Paddel nicht zu verlieren, ist schon ein Erfolgserlebnis. Passieren kann nichts, der Coach steht direkt dabei. „Wasserkühlung“ und gute Stimmung in der Gruppe helfen gegen den Stress.

Kursziel: Stufe II von VI
Ins Wildwasser geht es in Einsteiger-Kursen dann in der Regel am zweiten oder dritten Tag. Die Grundschläge müssen zuvor am Flachwasser gelernt und geübt werden. Für den ersten Fließwasser-Kontakt wird ein einfacher Flussabschnitt gewählt. Laut Schwierigkeits-Tabelle der Internationalen Canu-Föderation (ICF) versteht man unter Wildwasser Stufe I übrigens jedes fließende Gewässer. Kursziel in einem fünftägigen Einsteigerkurs ist es, Stufe II („mäßig schwierig“) sicher befahren, und sich dabei im Notfall selbst helfen zu können. Die ICF-Definition sieht danach noch vier weitere Schwierigkeits-Stufen – also III bis VI – vor. „Geradeaus zu fahren, das Boot stabil auf Kurs zu halten und nicht in der Strömung zu kentern“, das ist zunächst im einfachen Wildwasser Herausforderung genug für Einsteiger. Es geht darum, ein Gefühl für das Kajak und seine Reaktionen zu entwickeln, die Herausforderungen liegt hier vor allem im koordinativen Bereich. Kraft und Ausdauer kommen später als Komponenten ins Spiel, wenn man das Gerät technisch schon beherrscht. Wie stets gibt es auch beim Paddeln Naturtalente und solche, die etwas mehr Zeit und Übung brauchen. Doch erlernbar ist der Sport für jeden. Logisch, dass das eine oder andere erfrischende Bad gerade in der Lernphase nicht ausbleibt. Doch durch die Tipps des Instruktors stellen sich zumeist rasch Fortschritte ein.

Hauptsache Spaß
„Die restlichen Tage wird das Gelernte am Fließwasser umgesetzt und langsam gesteigert. Wichtig: Spaß muss dabei sein, damit sich ein guter Lernfortschritt einstellt“, sagt Christian Tiefenbacher. Am Ende des Einsteiger-Kurses ist man dann in der Regel so weit, das Erlernte selbst weiter trainieren zu können. Was der Grundkurs noch bringt: Man ist mit dem Material so weit vertraut, um sich eine eigene Ausrüstung zuzulegen (dabei aber unbedingt in einem Shop mit Fachkompetenz beraten lassen). Sich nach geschafftem Einstieg in den Sport einem Verein anzuschließen, ist sehr zu empfehlen. Allein sollte man im Wildwasser, ähnlich wie im Winter im ungesicherten Skiraum, nicht unterwegs sein, um sich im Notfall gegenseitig helfen zu können. „Ab jetzt heißt es üben, üben, üben“, gibt Christian Tiefenbacher seinen Schützlingen noch mit auf den Weg. Und: „Demnächst wieder einen Kurs besuchen.“ Fortgeschrittenen-Kurse werden in Kajakschulen für die unterschiedlichsten Leistungsstufen angeboten – und ein Technik-Update tut auch Routiniers immer wieder gut. Und für alle frisch Eingetauchten gilt: Bei Stufe II von sechs Wildwasser-Schwierigkeitsstufen gibt es noch viel Spielraum zum Lernen ...

Open Canoeing
Kanutouren auf Seen und (meist ruhigen) Flüssen erfreuen sich seit einigen Jahren stark steigender Beliebtheit. „Open Canoe“ oder Wandercanadier-Boote eignen sich hervorragend für längere Touren auch mit viel Gepäck. Sie sind oben offen und werden sitzend oder kniend mit einem Stechpaddel gefahren. Es gibt auch Open Canoes, die wildwassertauglich sind.

Riverbug
Der „Flusskäfer“ breitet sich im (touristischen) Wildwasser aus. Das ca. 150 x 80 cm kleine und 8 kg leichte Einmann-Raft wurde in Neuseeland erfunden. Es wird mit Armen und Beinen mit einer speziellen Paddeltechnik gesteuert. Riverbugs sind für Einsteiger geeignet und machen dennoch auch Fortgeschrittenen Spaß.
Info: www.riverbug.me

Rafting
Für den ersten Sprung ins wilde Wasser eignet sich Rafting bestens. Hier kann man sich – unter Anleitung eines Profiguides – ganz ohne Vorkenntnisse in die kalten Fluten stürzen. Beim Raften geht es neben dem riesigen Erlebnis auch ums Teamwork. Und man legt, motiviert von Guide und Gruppe, die Scheu, sich auf – und zur Not auch schwimmend – in einem Fließgewässer zu bewegen, schnell ab.

Wildwasser Hotspots in Österreich und Slowenien

Salza (St):
Das smaragdgrüne Naturjuwel im Naturpark Steirische Eisenwurzen im Gesäuse und – etwas weiter flussabwärts – rund um ­Wildalpen.
www.gesaeuse.at

Enns (St):
Der zweite wunderschöne Kajak- und Raftingfluss im steirischen Gesäuse – diesmal mitten im Nationalpark.
www.gesaeuse.at

Imster Schlucht (T):
Der Inn-Abschnitt zwischen Imst und Roppen ist ein Highlight für Rafting-Fans und geübte Paddler.
www.tirol.at

Lech (T):
Natur von ihrer schönsten Seite bietet der noch weitgehend unverbaute Wildfluss im Naturpark Lechtal.
www.tirol.at

Gail (K):
Ab Maria Luggau startet das Kajakvergnügen im Lesachtal – auf einem der reizvollsten Flüsse im ­Alpenraum.
www.lesachtal.com

Möll (K):
In der Wildwasser Arena Mölltal rund um das Zentrum Obervellach finden sich Flussabschnitte für Profis genauso wie solche für weniger Geübte. 
www.wildwasserarena-moelltal.at

Saalach (S):
Das Salzburger Saalachtal mit dem namensgebenden Fluss gehört zu den gefragtesten Spots im Land.
www.salzburgerland.com

Lammer (S):
Die Lammeröfen sind berühmt, leichter befahrbar ist der Fluss im Oberlauf.
www.salzburgerland.com

Isel (Osttirol):
Der gletschergespeiste Gebirgsfluss bietet Paddlern tolle Voraussetzungen in allen Schwierigkeitsgraden.
www.osttirol.com

Soca (Slo): 
Die blaugrüne Soca gilt als einer der schönsten Flüsse Europas - der beliebte Kajak-Spot ist von Österreich aus rasch erreicht. 
www.slovenia.info

Christian Tiefenbacher
Christian Tiefenbacher

... ist Bundesreferent für Paddelsport der Naturfreunde Österreich und Wildwasser Kajak-­Instruktor. kanusport.naturfreunde.at

Lernen kann man die Sportart in einer der zahlreichen Kajakschulen in und um Österreich. Bei den Naturfreunden ist man im Wildwasserzentrum Wildalpen (St) an der richtigen Adresse. Infos: Von 28. Juli bis 3. August findet die Int. Wildwasserwoche in Obervellach (K): statt. Dort werden viele Kurse vom Einsteiger über Fortgeschrittene verschiedener Leistungsstufen, bis zum Freestyle oder Open Canoe-Kurs geboten. Mehr Infos: www.kanusport.naturfreunde.at/wildwasserzentrum-wildalpen