Natürlich ist er der Sohn eines berühmten Vaters. In erster Linie aber ist er Freigeist und traditioneller Alpinist. Im Interview erzählt Simon Messner von seiner Höhenangst, von Salzkarawanen im Niger und von Momenten, die sich niemals teilen lassen.
Simon, du bist derzeit mit deinem ersten eigenen Film auf Festivals unterwegs. Worum geht’s?
Ich habe mit meinem Vater den Nanga Parbat umrundet und im Anschluss daran einen Siebentausender im Karakorum bestiegen. Der Film erzählt von dieser Reise, von den Bergen und den Menschen, die dort leben. Ich denke, es zeigt ein schönes Panorama dessen, was ‚traditioneller Alpinismus‘ bedeutet.
Und das ist?
Den Beginn des traditionellen Alpinismus markiert die Erstbesteigung des Mont Blanc im Jahr 1786. Heute wird der Alpinismus kaum noch in dieser Form betrieben. Ein traditioneller Alpinist geht nach draußen. Und vor allem geht er dorthin, wo die anderen nicht sind. Am Mount Everest über Fixseile nach oben geschoben zu werden, das wäre ein Graus für mich, das würde ich für Geld nicht tun.
Hast du wirklich noch nie einen Bohrhaken gesetzt?
Nur bei uns auf dem Balkon, an dem hängt die Hängematte. Den habe ich mir erlaubt, und ansonsten noch keinen. Natürlich darf jeder für sich entscheiden, welche Hilfsmittel er einsetzt, ob Bohrhaken oder Fixseil. Dennoch bin ich der Meinung, dass eine Route so bleiben sollte, wie sie erstbegangen wurde. Beim Bergsteigen geht es vor allem um die Einstellung. Und ich würde mich freuen, wenn wieder mehr Menschen auf fremde Hilfe verzichten würden. Um etwas wirklich zu verstehen, musst du deine Erfahrungen selbst machen.
Welche wichtigen Erfahrungen hast du gemacht?
Als ich zu klettern begann, das kann ich heute noch spüren, waren da vor allem Unsicherheit und Angst. Die Frage, woher diese Angst kommt und warum ich nicht damit umgehen kann, hat mich anfangs mehr gereizt als das Klettern selbst. Ich war in der Wand, hatte Angst, war froh, dass ich raus war – und schon wollte ich wieder rauf. Es war ein Zwiespalt, eine Hassliebe. Es ist anstrengend. Es ist kalt. Es flößt dir Respekt und auch mal Angst ein. Aber genau darum geht es. Sonst ist es für mich kein Alpinismus. Hat man die Herausforderungen jedoch angenommen und überwunden, wird man mit einem sehr intensiven Gefühl belohnt.
Es heißt, du hattest sogar Höhenangst?
Ja, es bereitete mir Mühe, auf einer zwei Meter hohen Leiter zu stehen. Heute würde ich es als Unbehagen bezeichnen. Ich bin besser geworden und ich weiß, solange ich es im Griff habe, wird mir nichts passieren. Mit diesem Verständnis und meiner Selbstsicherheit gehe ich gegen die Angst vor.
Besteht bei zu viel Selbstsicherheit nicht die Gefahr, es zu übertreiben?
Ein paar meiner Erstbegehungen im Winter waren in der Tat gefährlich, einmal ist ein ganzer Pfeiler aus der Wand gestürzt. Und in meiner Studienzeit habe ich Solos unternommen, die ich heute so nicht mehr machen würde. Mal bin ich in den Regen gekommen, manche Routen habe ich auch gar nicht exakt gekannt. Das war teilweise naiv.
Welche Touren waren das?
Ich rede nicht gerne darüber. Ein Solo ist fast schon etwas Intimes. Es spukt im Kopf umher, man will die Tour mal klettern, irgendwann kommt der Moment und man tut es. Manche Ideen habe ich auch nicht umgesetzt. Auf jeden Fall will ich die Zeit nicht missen. Es waren intime Momente, die man aber nicht teilen muss. Und wahrscheinlich auch gar nicht teilen kann.
Bist du lieber auf dem Berg oder im Tal?
Spontan würde ich sagen, auf dem Berg. Aber das Bergsteigen lebt auch vom Zurückkommen. Das ist meistens im Tal der Fall, und ich würde sagen, dass ich am Ende doch ein bisschen lieber zurückkomme als aufzubrechen. Wichtig ist die Verbindung aus beidem. Auf dem Berg lernst du, einfache Dinge wertzuschätzen. Ein Glas Wasser. Einen trockenen Schlafsack. Ich habe im Gebirge sehr viel Demut gelernt und so kann ich das Tal noch mehr genießen.
Ich hatte kurzzeitig die Idee, ein Interview mit dir zu führen, ohne ein einziges Mal deinen Vater zu erwähnen. Wäre das schön gewesen?
Das hat es wirklich noch nicht gegeben. Ich kann es aber auch verstehen, das Interesse an meinem Vater Reinhold war und ist sehr groß. Und er ist nun mal ein Bestandteil meiner Biografie.
Wärst du manchmal trotzdem lieber Simon – Meier?
Als Kind habe ich mir das hin und wieder gewünscht. Aber die Frage stellt sich nicht für mich, denn es wird nicht so sein. Ich bin Simon Messner.
Hat dein Vater dir als Kind viele Geschichten von seinen Abenteuern erzählt?
In der Tat hat er mir und meiner Schwester häufig Gutenachtgeschichten erzählt, die typischen Berggeschichten. Wir waren fasziniert, aber nicht nur von den Geschichten, sondern auch von der Art, wie Reinhold erzählt hat. Ich glaube, er könnte beinahe jede Geschichte so erzählen, dass man wie gebannt zuhört. Das hat mich mit Sicherheit geprägt, in bestimmte Situationen konnte ich mich sehr gut hineinfühlen. Und natürlich wollte ich solche Erfahrungen dann, in meinem Rahmen, auch für mich erleben.
Als du 13 Jahre alt warst, habt ihr eine Salzkarawane begleitet. Wie hast du das erlebt?
Zu dieser Zeit war ich wie vernarrt in Wüsten, keine Ahnung warum. Ich habe jedes Buch über Wüsten und die dortige Bevölkerung verschlungen. Ich weiß noch genau, dass wir im Auto saßen, als Reinhold mir den Vorschlag für diese Tour machte. Wir haben dann eine Karawane in der südlichen Sahara im Niger begleitet. Die Tuareg wandern jedes Jahr mit ihren Kamelen von Agadez am Aïr-Gebirge, wo es kaum Salz gibt, durch die Ténéré-Wüste bis zu den Salinen nach Bilma. Auf dem Hinweg sind die Kamele mit Wüstengras beladen. Die Hälfte davon fressen sie, mit dem Rest werden Depots angelegt. Auf dem Weg zurück sind die Tiere mit Salz beladen. Die Kunst ist nun, die Depots mit dem Gras in der Wüste wiederzufinden.
Und ihr seid wochenlang durch die Wüste gestapft?
Ja, drei Wochen lang. Zehn bis zwölf Stunden am Tag, ohne Pause. Man muss sich vorstellen, da laufen mehrere Hundert Tiere aneinandergebunden hintereinander. Da wird nicht angehalten. Der jüngste Tuareg musste immer wieder nach vorne laufen, in einer Schale Tee kochen, um dann der vorbeiziehenden Karawane wieder nachzukommen und die Älteren damit zu versorgen. Die langen Märsche durch den Wüstensand waren anstrengend, Kamele laufen schneller, als man denkt. Aber es hat mich nicht gestört. Ich denke, dass mich bis heute keine Reise mehr fasziniert hat. Zu erleben, mit wie wenig diese Menschen auskommen, wie sie sich nur anhand der Sterne und Verwehungen im Sand orientieren, das war tief beeindruckend.
War die Leere der Wüste nicht beklemmend?
Ich konnte schon immer relativ gut alleine sein. Aber die Wüste zwingt einen dazu, in sich zu kehren. Du musst dich mit dir selbst beschäftigen, das ist schon eine besondere Erfahrung.
Erleben wir derzeit das Gegenteil? Menschen, die kaum noch bei sich sind?
Die sozialen Medien haben unsere Welt zweifellos noch schnelllebiger gemacht. Jeder sollte bewusst für sich entscheiden, ob ihn das wirklich glücklich macht.
Was macht dich glücklich? Immer weiter in die Berge zu ziehen?
Offenbar ist das so. Früher dachte ich, dass man als Bergsteiger irgendwann einen Grad an Zufriedenheit erlangt, weil man so viel gesehen und erlebt hat. Aber das Gegenteil scheint der Fall. Nach einer besonderen Tour erlebe ich ein Gefühl tiefer Zufriedenheit und dann suche ich schon wieder nach der nächsten Herausforderung. Ich denke, das hat man in sich.
Nach so vielen Erlebnissen an verschiedenen Orten: Was ist der schönste Platz auf Erden?
Für mich sind das die Dolomiten. Der intensive Kontrast zwischen grünen Almen, dichten Wäldern und den weißen Spitzen der Berge – das ist der schönste Ort, den ich mir vorstellen kann. Und was für ein Glück, dass ich diesen Ort meine Heimat nennen darf.