Mit der aktuellen Generation Sportuhren ist ein Wert in den Blickpunkt gerückt, den viele Uhren ausweisen – die VO2max. Was hat es damit auf sich und wie kann man sie trainieren?

Christof Domenig
Christof Domenig


Ob Garmin, Polar, Suunto oder Coros – bei vielen modernen Sportuhren bekommt man seinen „VO2max“-Wert ausgewiesen, wenn man die Uhr im Lauftraining (oder einem anderen Ausdauertraining) regelmäßig nutzt. Was hat es mit diesem Wert eigentlich auf sich? Die VO2max sei für Läufer wie die PS fürs Auto, so hat es ein Lauftrainer in unserem Magazin einmal salopp ausgedrückt. Ist der Wert hoch, bist du (ausdauer-)stark. Aber: Hat der Wert im Hobbyläuferleben auch Relevanz – außer dass man ihn am Läuferstammtisch ausspielt wie einst die Karte beim Autoquartett?
 

Reichen wir die Fragen weiter – an Sportwissenschafter und Trainer Hans Holdhaus von „Holdhaus-­Nord“. Die Buchstabenkombination VO2max steht grundsätzlich für die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität und wird in Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht pro Minute ausgewiesen, klärt Holdhaus auf. Vereinfacht ausgedrückt: „Es ist der Wert für die aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit. Je höher, desto besser ist die Fähigkeit des Körpers ausgebildet, Sauerstoff aufzunehmen und für eine gerade ablaufende körperliche Aktivität zu nutzen.“ Eine hohe VO2max bedeute somit, „dass man eine körperliche Anstrengung länger aufrechterhalten kann, bevor man ermüdet. Sie führt aber auch zu einer besseren Regenerationsfähigkeit nach dem Lauf, weil Sauerstoff effizienter und schneller zu den Muskeln transportiert werden kann.“

Die Werte, die auf den Uhren ausgewiesen werden, sind als Annäherung zu verstehen, die mittels Algorithmen errechnet werden. Wer seine VO2max exakt wissen will, kann sie mithilfe einer Spiroergometrie bei einer Leistungsdiagnostik austesten lassen. Zur groben Einordnung der Größenordnung:  Eine untrainierte Person hat meist eine maximale Sauerstoffaufnahmekapazität zwischen 30 und 40 ml/kg/min, ein durchschnittlich trainierter Hobbyläufer liegt oft irgendwo zwischen 45 und 55. Leistungssportler weisen je nach Sportart zwischen 
60 und 85 auf – oder auch mehr.

Der Wert selbst hilft nur bedingt
Was bringt es jetzt, seine VO2­max zu kennen? Im Leistungssport ist es üblich, den Wert regelmäßig auszutesten – zu Vergleichszwecken und um eine Entwicklung sichtbar zu machen. Für den Freizeitsportler ist die Aussagekraft dagegen begrenzt, meint Holdhaus: „Den Wert zu kennen, hilft per se nicht dabei, um den individuellen Weg zum Besserwerden zu ermitteln.“ Deshalb werden in einer Leistungsdiagnostik von Hobbyathleten sinnvollerweise zuerst andere Parameter ermittelt, die sich dann tatsächlich zur Trainingssteuerung eignen: „Beim klassischen Laktatstufentest kann man Muskelstoffwechsel und Herzrate erfassen, danach exakt die Trainingsbereiche bestimmen und einen Trainingsplan erstellen. Das alles kann ich mit der VO2max nicht.“

Und wie trainiert man jetzt seine VO2max? Meist werden „harte“ Trainingsformen wie Intervalltrainings mit der Entwicklung der VO2max in Verbindung gebracht – was zwar nicht falsch ist, aber für Holdhaus dann doch zu kurz greift. „Es gibt grundsätzlich mehrere Möglichkeiten, die VO2max zu trainieren – Intervalltraining ist eine Variante. Es sind aber auch lange Läufe möglich, bei denen man sich immer wieder in moderater Intensität bewegt. Intensive Bergläufe wären eine weitere Möglichkeit.“

Zwei Varianten eines Intervalltrainings, die sich eignen, wären: 5 Minuten locker warm laufen, dann 30 Sekunden sprinten und locker laufen/gehen abwechseln, 10 bis 15 Minuten lang, dann 5 bis 10 Minuten ausgehen. Oder: warmlaufen, 8 x 400 m annähernd am Maximum, dazwischen jeweils 2 Minuten Pause, dann wieder auslaufen.

Vielseitigkeit ist gefragt
Allerdings hat es wenig Sinn, solche Trainingsformen isoliert zu betrachten, fügt Holdhaus an. „Den meisten Hobbyläufern mangelt es an der Grundlage“, weiß der Experte aus einer Vielzahl von Leistungsüberprüfungen. Das im Leistungssport bewährte moderne, polarisierte Training haben wir in der jüngeren Vergangenheit in unserem Magazin schon oft auch Freizeitsportlern empfohlen, auch Holdhaus ist ein Verfechter dieser Methode: Dabei wird die meiste Zeit, etwa 80 Prozent, in sehr moderaten Belastungsbereichen rund um die aerobe Schwelle trainiert – und dazu werden als zweiter Pol gezielte Kontraste mit einigen harten Belastungsspitzen wie eben den oben genannten Intervalltrainings gesetzt. 

Wie man ein Haus nicht auf ein weiches Fundament stellen könne, so könne man auch ohne Grundlage nur bedingt Trainingsfortschritte machen. Außerdem: Die VO2max steigt auch nicht durch eine bestimmte Trainingsform allein an, sondern dann, wenn das Gesamtkonzept Training stimmt, betont Holdhaus.

Was es für den Sportwissenschafter also vor allem braucht: ­einen strukturierten Plan, der lange Läufe genauso wie Intervalltrainings beinhaltet. Es braucht zwischen den Anstrengungen gut abgestimmte Pausen, vor allem nach intensiven Einheiten. Regelmäßigkeit ist ebenfalls gefragt: „Viele komprimieren das Training am Wochenende, wollen das nachholen, was sie unter der Woche versäumt haben, aber das funktioniert physiologisch eben nicht gut.“ Es braucht genauso ein gewisses Volumen: Unter drei Einheiten pro Woche wird es schwierig, den Körper eine bessere Sauerstoffaufnahme zu lehren. Holdhaus empfiehlt Vielseitigkeit sowie das ständige Suchen nach Alternativen, um die doch monotonen, langsamen Grundlageneinheiten auch mental wirklich zu verkraften.  

Wie ein Rad, das jede Speiche für seine Stabilität braucht, muss auch das VO2max-Training letztlich all die genannten Punkte in Harmonie miteinander vereinen, so vergleicht es Holdhaus. Dann klappt es mit dem PS-Tuning für Läufer.

Mag. Hans Holdhaus
Mag. Hans Holdhaus

Der Sportwissenschafter und Coach ist Mitbegründer und Geschäftsführer von „Holdhaus-Nord“ in Kottingbrunn (NÖ), arbeitet mit zahlreichen Spitzen- und Freizeitsportlern.

WEB: www.holdhausnord.at