Mona Mitterwallner hat kein geringeres Ziel, als die beste Radsportlerin aller Zeiten zu werden. Der Grundstein wurde 2021 mit der perfekten Saison gelegt, heuer startet die 20-Jährige erstmals im Mountainbike-Elite-Weltcup. Was treibt die ­Powerfrau aus Tirol an?  

Markus Geisler

Dass Mona Mitterwallner eines Tages mit Bewegung ihr Geld verdienen würde, war ihr schon als junger Teenager klar. Die Frage des Multitalents lautete nur: womit genau? Tänzerin? Volleyballprofi? „Ich hab’ sogar einmal Stuntfrau in Erwägung gezogen“, sagt die im Jänner 20 Jahre alt gewordene Tirolerin lachend. Weil aber auch ihr Tag nur 24 Stunden hat und die Eltern ob des ausufernden Sportprogramms, zu dem zwischendurch auch Eishockey, Taekwondo und Fußball gehörten, etwas besorgt waren, musste eine Entscheidung her. Die fiel dann allerdings relativ leicht. „Seit ich mit 15 Jahren mein erstes Mountainbike-Rennen gefahren bin, wusste ich: Das wird es!“

„Heute lacht keiner mehr“
Damals schmunzelten viele aus ihrem Umfeld über die Ankündigung, es dort bis in die Weltspitze zu schaffen. „Heute lacht keiner mehr“, sagt sie. Worüber auch? Im vergangenen Jahr legte sie die perfekte Saison hin, gewann alle sechs Rennen im U23-Weltcup und wurde in dieser Klasse Welt- und Europameisterin. „Das Schönste war aber der Titel bei der Marathon-WM der Elite-Fahrerinnen“, sagt sie. 80 Kilometer, 3100 Höhenmeter, eine fast fünfstündige Tortur. „Als ich mir auf Elba nach dieser tollen Saison noch das Regenbogentrikot überstreifen konnte, war es der emotionalste Moment für mich.“

Der Lohn dieses überragenden Jahres war nicht nur der lang ersehnte Aufstieg in den Elite-Weltcup, sondern auch ein Vertrag bei Cannondale, einem renommierten Ausrüster, der bis dato nur Männer unter Vertrag hatte. „Es war klar, dass sie sich nicht für irgendwen als erste Frau entscheiden würden“, sagt Mona. „Also muss ich jetzt auch den Beweis antreten, dass sie mit mir die richtige Wahl getroffen haben.“

Under Pressure
Das klingt nach Druck und den will Mitterwallner auch gar nicht kleinreden. Denn sie muss genau damit seit geraumer Zeit umgehen. „Ich lebe unter enormem Druck, will  alles immer richtig machen, damit es für meine Karriere am besten ist“, sagt sie. Dabei kann die Erwartungshaltung von außen niemals so hoch sein wie die, die sie sich selber macht. Eine Philosophie, die in der Ankündigung gipfelt: „Ich will die beste Radsportlerin aller Zeiten werden.“ Das ist mal eine Ansage.

Um dieses Ziel zu erreichen, lässt die Tirolerin keine Komponente aus. Sie beschäftigt sich seit Längerem mit Mentaltraining, hat einen exakten Regenerationsplan, lässt sich von Biografien erfolgreicher Sportler inspirieren. Und sie achtet auf eine optimale Ernährung, isst vegetarisch und nimmt keinen industriellen Zucker zu sich. „Meine persönliche Regel lautet: Wenn in einem Produkt mehr als fünf Zutaten drin sind, ist die Gefahr groß, dass es nicht mehr natürlich ist“, sagt sie. Vom Alkohol lässt sie komplett die Finger, nur beim Kuchen von der Mama kann sie nicht widerstehen. „Der besteht aber ausschließlich aus gesunden Zutaten, da greife ich gerne zu.“

Niemals möchte sie sich vorwerfen lassen, nicht wirklich alles für den Erfolg getan zu haben. Das gilt erst recht für die Ende März gestartete Saison, in der sie keineswegs vorhat, in ihrem Premierenjahr mal hineinzuschnuppern, wie sie mit der Elite-Konkurrenz zurechtkommt. „Ich möchte die jüngste Weltcupsiegerin aller Zeiten werden“, kündigt sie forsch an. „Das geht aber nur dieses Jahr, Jolanda Neff ist es schon mit 21 geworden.“ Mut macht ihr, dass sie bis auf eine Ausnahme alle Weltklassefahrerinnen schon einmal besiegt hat. Dabei soll sie auch die Corona-Infektion, mit deren Folgen sie sich bis Mitte März herumschlagen musste, nicht stoppen. „Besser jetzt als später“, meint sie. Hindernisse sind schließlich da, um überwunden zu werden.

Die Wut muss raus
Dass es allerdings auch unüberwindbare Hürden gibt, musste Mitterwallner vergangenes Jahr erfahren. Denn ihre Erfolge machten sie zu einer heißen Kandidatin für die auf 2021 verschobenen Olympischen Spiele in Tokio, allein der Mountainbike-Startplatz war bereits an Laura Stigger vergeben. „Also wurde mir angeboten, ein Ausscheidungsrennen auf der Straße zu fahren. Ohne gescheite Vorbereitung oder passendes Material.“ Dort zog sie gegen eine gewisse Anna Kiesenhofer den Kürzeren, was sie heute mit einem Lächeln quittiert. „Sie hat Gold geholt, also wurde alles richtig gemacht.“

Damals hat sie sich allerdings richtig geärgert, eine Woche lang ihr Handy abgedreht und sich komplett ins Auspowern gestürzt. „Training hilft immer. Ich lasse die ganze Wut an mir selbst aus, quäle mich auf dem Rad, haue bei den Krafteinheiten voll rein. Ich will dann noch mal härter arbeiten, damit mir so etwas nie wieder passiert.“ 

Ein Ansatz, der ihr bislang den Weg nach ganz oben geebnet hat. Der aber auch eiserne Disziplin erfordert, Ehrgeiz und Durchsetzungswillen. „Oft höre ich: ‚Mona, nimm die Dinge doch mal lockerer! Sonst schaffst du es nicht, dich lange im Spitzensport zu halten.‘“ Ein gut gemeinter Ratschlag, der aber an ihr abprallt. „Ich gebe lieber fünf Jahre lang alles, bin in der Zeit aber megaerfolgreich und dann vielleicht ausgebrannt. Das fände ich besser, als zehn Jahre so lala mitzufahren, mal hier und mal da einen kleinen Erfolg zu haben.“ 

Straßen-Pläne aufgeschoben
Ganz oder gar nicht, lautet die Devise. Das ist auch der Grund, warum sie ihre Pläne, heuer auch an Straßenrennen teilzunehmen („Wer die Beste sein will, muss auch dort Erfolge vorweisen“), schnell wieder verworfen hat. Denn mit neun Weltcup-Destinationen und daraus resultierenden 18 Rennen im Cross Country und Cross Country Short Track ist der Kalender bereits ordentlich gefüllt. „Die Straße ist ein Projekt für die Zukunft“, sagt sie. Kann ja auch für eine Powerfrau wie sie nicht schaden, noch das eine oder andere Ziel in der Hinterhand zu haben.