In der City, am Land oder in den Bergen: Obstacle Course Races und Dirt Runs erfreuen sich seit Jahren wachsender Beliebtheit. Im Bereich der trendigen Hindernisläufe hat sich eine richtig große Szene entwickelt. Wer teilnehmen kann und warum man das unbedingt auch einmal machen sollte.

Christof Domenig
Christof Domenig

Klettern, hangeln, robben, springen: alles kein Problem für Manuel Innerhofer. „Die Sandsäcke waren aber das Härteste“, erzählt der 26-jährige hervorragende Berg- und Straßenläufer aus Neukirchen am Großvenediger (der unter anderem schon Halbmarathonstaatsmeister war). „Mit meinen 65 Kilo einen 50-Kilo-Sack auf die Schultern wuchten und zu bewegen, war nicht ohne.“ Aufhalten ließ er sich auch durch diese Challenge nicht. Der Neukirchener gewann im Vorjahr alle drei „Predator Races“, die an drei Tagen hintereinander in seiner Heimat, genauer: in der Wildkogel Arena in Neukirchen, ausgetragen wurden. Die Spezialisten für die Obstacle Course Races („OCR“), wie die Hindernisläufe in der Szene genannt werden, ließ Innerhofer minutenlang hinter sich.
In der Eliteklasse der boomenden Hindernisrennen mit oft martialisch klingenden Namen (wie „Tough Guy“, „Strongman Run“, „Spartan Race“ ...) haben sich Spezialisten etabliert. Für die Masse geht es zugleich nicht um den Sieg, sondern um die Herausforderung, das Erproben der eigenen Grenzen und schlicht den Spaß. 

Scheu vor den Elementen ist fehl am Platz: Wasser und Schlamm gehören bei den Läufen zum Standard-Repertoire – was für spektakuläre Bilder sorgt. Die Frage, was für Erwachsene am „Gatschhupfen“ lustig ist, beantwortet Andreas Mauerhofer, Veranstalter der „Beat the City“-Serie mit den drei Events Grazathlon, Innsbruckathlon und Linzathlon so: „Ich denke, den Teilnehmern gefällt daran, wenn sie wieder ihr ‚inneres Kind‘ hervorholen können.“ Wieder Kind sein, sich gemeinsam ordentlich dreckig machen, aus dem streng getakteten Alltag ausbrechen – so betrachtet ganz logisch, dass das ankommt!

Oft wird das Gemeinschaftserlebnis bei den Hindernisläufen betont. „Stimmt absolut – und mit Ausnahme der Eliteläufer ist es gewissenmaßen auch eine Notwendigkeit, weil manche Hindernisse alleine kaum zu schaffen sind“, erklärt Mauerhofer. „Man hilft sich gegenseitig oder tritt gleich als Team an. Daraus entsteht auch die besondere Dynamik, die für die Läufe charakteristisch ist“, erläutert der Veranstalter der „Beat the City“-Serie. 
Auch Predator-Sieger Manuel Innerhofer kann die Atmosphäre nur loben: „Beim Berglauf und beim Straßenlauf ist man hauptsächlich mit der Uhr beschäftigt, mit seinem Puls und der Zeit. Bei den Obstacle Runs denkst du von Hindernis zu Hindernis – das ist total kurzweilig, die Zeit vergeht gefühlt viel schneller“, sagt Innerhofer. „Außerdem ist die Stimmung super, jeder wird an den Hindernissen angefeuert – der Erste wie der Letzte“, erklärt Innerhofer.

„Urvater“ aus England
Die Ursprünge der OCRs liegen in militärischen Hindernisparcours. Als Erster der „zivilen“ Hindernisläufe und somit gewissermaßen Szene-Urahn gilt das „Tough Guy Race“ in Perton, England. Billy Wilson heißt der Mann, der es entwickelt hat. Er entwarf zuvor Trainingscamps für die Elitetruppen der königlichen Grenadier Guards, so besagt die Geschichte.
 
Dass seine Idee so weite Kreise ziehen würde, hat Mr. Wilson wohl nicht geahnt. Heute gibt es Obstacle Races am ganzen Kontinent in unterschiedlicher Form. Als Serien oder Einzelrennen und mit Distanzen von kurz bis extrem, sodass fast jeder Freizeitsportler das Format findet, das zu ihm passt: Zwischen fünf bis 50 Kilometer (Letzteres beim „Zillingtaler Celtic Warrior“ im Burgenland) spannt sich in Österreich die Bandbreite. Zu unterscheiden sind auch die urbanen Läufe, jene am  Land sowie in den alpinen Regionen, wo auf Trails gelaufen wird und ordentlich Höhenmeter zwischen den Hindernissen liegen. Die Hindernisse wiederum lassen sich die Bereiche Wasser und Schlamm, Robben, Rutschen, Hanteln und Klettern einteilen, sagt Mauerhofer.
Nicht unterschätzen darf man jedoch den körperlichen Anspruch der Läufe: Neben der Ausdauer-Grundlage kommt der Sprung- sowie der Oberkörper- und Armkraft eine wichtige Rolle zu. Manuel Innerhofer war in seiner Jugend Biathlet, bevor er sich auf den Laufsport konzentrierte – die Basis vom Langlaufen hilft ihm bei den Hindernisrennen ebenso wie regelmäßiges Kraft- und Stabilisationstraining. „Wobei ich Training mit dem eigenen Körpergewicht bevorzuge“, sagt der Predator-Race-Sieger – ein solches empfiehlt er auch als Vorbereitung. Nach dem ersten der drei Predator-Rennen im Vorjahr war er dennoch „blau“ im Ziel, sagt der Salzburger, „die Armmuskeln waren steinhart und ich hätte nicht gedacht, dass ich am nächsten Tag antreten kann. Aber der Körper gewöhnt sich überraschend schnell an eine ungewohnte Belastung.“ 

Ein gewisses Maß an Laktattoleranz sollte man auch als „Mitläufer“ im Feld mitbringen. Vor allem im fortgeschrittenen Stadion der Rennen, wenn die Muskeln schon brennen, wird jedes Hindernis endgültig auch zum Kampf mit dem inneren Schweinehund. Aber das Adrenalin in der Masse und das „Wir-Gefühl“ helfen. Sich die Hindernisse vorher anzuschauen und (wenn geht) auszuprobieren, kann man allen Neueinsteigern nur empfehlen. Ebenso, sich zumindest rund zwei Monate lang spezifisch vorzubereiten – siehe auch die Trainingsstory. Wer das ganze Jahr über solche Übungen durchführt, ist universell deutlich fitter als „Nur-­Läufer“.

Mitspracherecht bei Hindernissen
Für 2022, wenn es bei den Events hoffentlich endlich wieder ohne große Einschränkung zur Sache geht, haben sich die Veranstalter wieder einiges Neues einfallen lassen. Wie entstehen eigentlich die Ideen für neue Hindernisse? „Wir orientieren uns klar an den Wünschen und Bedürfnissen der Teilnehmer. Dafür machen wir nach jedem Jahr eine detaillierte Umfrage, um dann auf die Wünsche eingehen zu können. Unsere Kreativabteilung hat also das Ohr ständig bei den Teilnehmern – und gemeinsam mit dem Know-how der Organisationsabteilung erarbeiten wir dann neue Hindernisse“, verrät Andreas Mauerhofer. „Machbar ist ja – fast – alles, wie man etwa an unserem Under-Armour-Bag-Jump sieht, wo man von 4,5 Meter in ein Luftkissen springt. Das ist ein einzigartiges Hindernis bei Beat the City.“

Wie kommt man gut und vor ­allem ohne Blessuren durch? Das liegt auch in der Hand jedes Einzelnen. Sich bei Abgängen aus größerer Höhe etwa mit der Hand abzustützen, ist deutlich sinnvoller, als sich im Rausch der Endorphine einfach hin­unterzustürzen, zumal solcherart dosiertes Risiko kaum Zeit kostet. Eine gute Vorbereitung hilft auch. „Ein Restrisiko ist bei jeder Sportveranstaltung gegeben – als Veranstalter tun wir aber unser Möglichstes, Verletzungsrisiko zu minimieren“, versichert Mauerhofer. „Mit einer dosierten Herangehensweise und etwas Hausverstand sind unsere Events weitgehend ungefährlich.“ Spaß ohne Reue sozusagen.