Wandern einen Stock unter den imposantesten 3000er-Gipfeln Österreichs: Matrei in Osttirol beeindruckt auch ohne hochalpine Ambition. Ein Kurz­trip ­zeigte es uns und machte Lust auf mehr – mit dem Hotel Outside in Matrei als Stützpunkt.

Von Christof Domenig


Austrainierte Mountainbike-Puristen können sagen, was sie wollen. Ich sag: Ein E-Mountainbike ist großartig. Zum Beispiel, um CO2-neutral knapp 1000 Höhenmeter zu machen, bevor man losmarschiert. Beim Naturhotel Outside im Ortszentrum von Matrei auf 975 m satteln wir die vollgeladenen, hoteleigenen Bikes (um € 25,– pro Tag zu leihen). In gut einer Stunde sind wir vom Talboden über Forststraßen durch den kühlenden Wald raufgesurrt. Absteigen bei der Zunig-­Alm, 1846 m steht auf dem Infotaferl der Hütte. Akkustand bei über 50 Prozent – falls jemand danach fragt.

Nach gut 850 Höhenmetern aus reiner Pedalkraft müsste ich Bürobürger jetzt nicht mehr groß ans Wandern denken – dank dem E-Motor zwischen den Pedalen geht die Wanderung gerade einmal gut aufgewärmt los. Ja, E-Bike & Hike finde ich super. Gleich ein Tipp: Wer nicht wie wir mit Guide auf Biketour geht, der besorgt sich am besten gleich den Folder mit den ausgewiesenen Strecken an der Rezeption. Zu Fuß starten wir also Richtung Zunigsee – und der gemächliche Wanderschritt bei moderater Steigung erweist sich als ideal, um ein paar Basisinfos über die Region zu bekommen: Matrei ist die flächenmäßig drittgrößte Gemeinde Österreichs, bei bloß 4900 Einwohnern, erzählt unser Tourenguide Sepp. Der Ausblick: gewaltig. Was ebenfalls sofort auffällt, nicht erst, seit wir am Berg heroben sind, ist die Weite des Tales. Die bürgt auch unten am Talboden für viel Sonne, obwohl man von den höchsten Bergen Österreichs umgeben ist. Lasörlinggruppe, Venedigergruppe und Glocknergruppe umrunden Matrei im Halbkreis, der Großglockner (3798 m) ist nur 10 Kilometer Luftlinie entfernt, der Großvenediger (3666 m) rund 20 Kilometer.

„Den perfekten Überblick über 60 Dreitausender haben wir aber morgen“, verspricht Sepp; dann wollen wir die gegenüberliegende Seite der Bergwelt erwandern. Schauen und Staunen ist aber auch auf der rund einstündigen Wanderung zum Zunigsee (2105 m) Pflicht. Nur wenige Minuten über dem See, vom Ganitzle (2196) aus, ergibt sich das Panorama-Highlight des Tages. Wer zeitig aufbricht, dem steht hier auch der Weg zum Großen Zunig (2776 m), dem „Hausberg der Matreier“, offen. Wir lassen es für heute aber sein und machen uns auf den Rückweg, stärken uns auf der Zunig-Alm (Achtung: Riesenportionen!), steigen wieder aufs Bike und stehen nach 35 Minuten lockerem Talwärtsrollen mit gut gewärmten Bremsscheiben wieder vorm Hotel. Weil 2019 (auch in Matrei) der heißeste Juni der Messgeschichte ist, erweist sich danach der Naturschwimmteich im Hotelgarten als perfektes Ziel.

60 Dreitausender im Blick
Nach diesem Appetizer starten wir am zweiten Tag bei der Kuenzer Alm am Klaunzerberg auf 1700 m Richtung Europa-Panoramaweg. Hier wandert man zunächst durchs Skigebiet, das Großglockner-Resort Kals-Matrei. Die wahre Schönheit der Bergwelt eröffnet sich bald nach der Bergstation der Goldriedbahn (2107 m): Wir gelangen zum Goldriedsee, einem etwas abseits gelegenen, wahrlich idyllischen Platzerl, wo sich Forellen und Saiblinge im frischen Wasser tummeln und Frösche hüpfen. Bei so einer Tour mit Bergwanderführer kann man überhaupt viel zur Natur erfahren – zum Beispiel, dass das Herz von Murmeltieren (denen wir auch begegnen) im Winterschlaf bloß zwanzig Mal pro Minute schlägt, im Wachzustand dagegen 200 Mal, oder dass der gelb blühende Frauenmantel ein Wetterprophet ist: Kondensieren in den Blättern Wassertropfen, wird’s schlecht ...

Sonnencreme statt Regenschutz ist aber diesmal unser Begleiter. Und natürlich: der Blick auf die Dreitausender. Am folgenden Panoramaweg ist die Aussicht genauso grandios wie versprochen und der Glockner rückt am Ende gefühlt fast auf Griffweite heran. Logisch, dass Österreichs höchster Gipfel auch für viele Gäste ein Traumziel ist. Den Glockner-Interessenten empfiehlt der Guide, sich zuerst an die Höhe heranzutasten. Bretterwandspitze (2887 m, „ein Konditionsberg“), Rotenkogel (2762 m) oder eben Großer Zunig (2776 m) eignen sich in der Region zum Eingewöhnen an größere Höhen. Wenn alles passt: Über Lucknerhaus, Lucknerhütte, die Erzherzog-Johann-Hütte und den Stüdelgrat führt der Weg, über den die lokalen Bergführer Gäste auf den höchsten Punkt der Republik begleiten.

Wir genießen stattdessen lieber das nun beinahe ebene Dahinwandern am Hochplateau und dass die Blicke am Panoramaweg nicht nur auf 60 Dreitausender fallen, sondern bei der Hütte am Kals-Matreier-Törl (2207 m) auch ins Nachbartal, nach Kals hinunter. Am Ende geht es über den Bärensteig wieder zurück zum Ausgangspunkt.

Goldener September
Logisch gäbe es noch viel zu sehen und zu erleben – leider ruft schon wieder die Pflicht. Aber für einen Kurztrip hat sich auch die gute Erreichbarkeit Ostirols von Kärnten aus (oder von Norden: über den Felbertauern) als ideal herausgestellt. Noch einen Tipp vom Guide wollen wir weitergeben: „Die schönste Zeit ist Mitte September: Da ist es angenehm kühl, das Wetter schön, die Luft klar, alle Hütten haben noch offen. Wer später kommen will, muss wissen, dass die höheren Hütten am 28. September schließen.“ Gut möglich also, dass wir im Frühherbst noch einmal vorbeischauen. Vielleicht gibt es dann auch schon die angedachten „Digital Detox“-Pakete im Out­side, bei denen man das Handy abgibt. Wir würden das glatt buchen – denn wer braucht angesichts der mächtigsten Berge Österreichs Insta-Posts und Twitter-Tweets? 

Das Naturhotel Outside

Das „Outside“ der Familie Ganzer im Ortszentrum von Matrei im Nationalpark Hohe Tauern wurde erst 2018 komplett neu gestaltet und trägt seither eine 4-Sterne-Superior-Klassifizierung. Bei der Einrichtung setzten die Gastgeber ganz auf Naturmaterialien, die Kulinarik ist top (88 Falstaff-Punkte). Das Outside ist zertifiziertes Wanderhotel – dazu gehört es, mindestens an vier Tagen der Woche geführte Wandertouren mit ausgebildeten Guides exklusiv für die Hotelgäste anzubieten.

Alle Infos: www.hotel-outside.com