Es war ein Heimspiel. Vom 15. Bis 18. September 2010 fanden die Europäischen Meisterschaften im Klettern in den Disziplinen Speed, Vorstieg und Bouldern in Imst (Vorstieg) und Innsbruck (Bouldern). statt. Ein Kinderspiel war es deshalb noch lange nicht. Johanna Ernst, amtierende Tiroler Sportlerin des Jahres und Weltcup-Gesamtsiegerin im Vorstieg 2009, reiste mit wenig Erwartungen an.
Drei Monate zuvor musste sich das linke Sprunggelenk der 18-jährigen Wahl-Innsbruckerin den Gesetzen der Physik beugen: Die Bänder rissen, das Sprunggelenk splitterte. Mit einer derartigen Verletzung ist die Saison eigentlich dahin. Doch getreu dem olympischen Gedanken, dass dabei sein alles ist, präsentierte sich Johanna den 3.000 Zuschauern in einer unglaublichen Form. Wer das vielleicht am wenigsten erwartete, war das Mitglied des SALEWA alpineXtrem Team selbst.
„In den letzten zwei Wochen musste ich im Vorbereitungstraining ständig gegen Schmerzen im Sprunggelenk kämpfen“, gesteht Johanna nach dem Finale. Doch im Wettkampf schien dann auf einmal alles vergessen. „Ich war extrem konzentriert und von den Zuschauern und der Stimmung so gepusht, dass ich während des Wettkampfs keine Schmerzen hatte.“ freut sie sich rückblickend.
Bereits die Tatsache, dass sie den Einzug ins Finale der besten Acht erreichte, überraschte alle, die von ihrer Verletzung und dem daraus resultierenden Trainingsdefizit der letzten Zeit wussten. Dann spielte sie ihr Können und ihre Nervenstärke voll aus. Die Finalroute, deren Schwierigkeiten nach oben hin mit jedem Höhenmeter zunahm, verlangte ihr körperlich alles ab. Die letzte Expressschlinge im Ausstiegsdach klinkte sie one-hand, also nur mit einer Hand am Griff hängend. Ihre Füße fanden an dem für ihre Größe sehr weit entfernten Tritt einfach keinen Halt. Es war vermutlich an dieser Stelle, wo sie ihre letzten Kraftreserven investierte, denn kurze Zeit später siegte die Schwerkraft. Angela Eiter, Landsfrau und Teamkollegin von Johanna, schraubte die Griffe der Finalroute noch konsequenter zu und musste sich erst beim letzten Zug geschlagen geben. Verdient sicherte sie sich mit dieser Leistung den Europameistertitel.
Herzlichen Glückwunsch!