Ein gutes Sportjahr beginnt ... nein, nicht unbedingt mit einem neuen Paar Laufschuhe oder mit dem ersten Ausritt auf einem neuen Bike. Ein gutes Sportjahr beginnt ... mit ein paar Stichen ins Ohr! „Leistungsdiagnostik“ heißt das sportliche Piercing. Aber leider leisten sich noch viel zu wenige Hobbysportler den „Luxus“, ihren wahren Fitnesszustand bestimmen zulassen – um dann endlich so zu trainieren, wie es optimal für sie passt!


Der Begriff selbst dürfte ja sogar den meisten sportinteressierten Couch Potatoes bekannt sein: „Leistungsdiagnostik? Na klar, da stechen sie den Kickern nach der Winterpause ins Ohr und wissen dann, ob sie über Weihnachten zu viel gefaulenzt haben.“ An dieser Erklärung ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Aber das mit den Kickern ist eben eine ganz andere Geschichte. Die Preisfrage, die wir hier klären wollen, lautet so: Warum kaufen sich Hobbysportler um 6.000 Euro ein Rad oder investieren viel Geld in eine Marathonreise nach New York – aber die 150 Euro für eine Leistungsdiagnostik sind ihnen zu teuer?
Und es kann eigentlich nur am Geld liegen, denn am großen Nutzen dieses Tests gerade auch für Hobby- und Gesundheitssportler ist sicher nicht zu rütteln. Oder ist es doch die Unwissenheit, worum’s bei der Leistungsdiagnostik wirklich geht? Wie sie abläuft, und was sie wirklich bringt? Also, wenn es daran liegt – das können wir auf der Stelle ändern! Und zwar mit Hilfe eines absoluten Experten in dieser Causa: Mag. Walter Hable, seit vielen Jahren bundesweit als Trainer von Spitzensportlern tätig, hat vor fünf Jahren in Weinburg bei St. Pölten ein sportwissenschaftliches Zentrum geschaffen, in dem die Leistungsdiagnostik zur alltäglichen Schwerpunktarbeit geworden ist.
Und unser Trainerprofi räumt gleich einmal das „Bringt mir ja nix“- Argument, das Hobbysportler gegen eine Leistungsdiagnostik ins Treffen führen, aus dem Weg. „Fakt ist: Jeder sportlich aktive Mensch hat ein bestimmtes Ziel – egal, ob es sich über Gesundheit oder über sportliche Leistung definiert. Und für alle gilt: Um ein Ziel zu erreichen, muss man entsprechend trainieren. Und damit ein Training greift, muss man sich in bestimmten Intensitätsbereichen bewegen.“
So einfach ist das. Die Grundschule der Trainingslehre. Was man über Laktat und Co. wissen sollte, findest du hier.
Und Walter Hables zweite Korrektur: „Eine Leistungsdiagnostik ist nicht bloß, wie viele glauben, ein simpler Fitnesstest nach dem Motto: ,Wie gut bin ich grad drauf‘ – die Leistungsdiagnostik ist viel breiter aufgestellt. Sie kann mit unterschiedlichen Belastungstests und Aufgaben ganz gezielt und abgestimmt auf die jeweilige Sportart Aufschluss genau über die Werte geben, die für den jeweiligen Sportler entscheidend sind: Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Koordination und Beweglichkeit – mit der Leistungsdiagnostik können ganz gezielt alle Stärken und Mängel herausgetestet werden. Und sie zeigt hieb- und stichfest an, welches Training in welchem Bereich, mit welchem Umfang und in welcher Intensität genau das Richtige ist.“

EIN PAKET AUS FÜNF TEILEN
Weil es für die meisten unserer Leser wohl am besten passt, lassen wir uns von Walter Hable den Ablauf einer Leistungsdiagnostik mit Schwerpunkt Ausdauer genauer erklären. „Eigentlich besteht eine Leistungsdiagnostik aus vier Elementen: Erster Teil ist ein ausführliches Anamnesegespräch, dann folgt ein Muskelfunktionstest, um funktionelle Mängel festzustellen. Als Teil 3 folgt eine Körperkompositionsanalyse, bei der alle relevanten Werte der Körpermasse gemessen werden. Teil 4 ist dann der Ausdauer-Belastungstest mit Laktatmessung. Und der 5. Teil ist die ausführliche Nachbesprechung samt Trainingsempfehlungen. Das ganze dauert zwischen eineinhalb und zwei Stunden.“
Bleiben wir gleich beim Herzstück der Leistungsdiagnostik – dem Laktattest. Womit sich zwangsläufig die Frage auftut: Worum geht’s überhaupt bei Laktat und Laktattest? „Laktat ist ein Produkt unseres Kohlenhydrat-Stoffwechsels. Eine Art Salz aus der Milchsäure, das sich in unserem Blut ablagert und wieder abgebaut wird. Beim Laktattest wird unter Belastung Blut genommen und auf seinen Laktatwert geprüft.“ Wissenschaftlich formuliert klingt das so: „Aus dem Ansteigen bzw. der jeweiligen Höhe der Laktat-Konzentration im Blut kann man erkennen, wie hoch die jeweiligen Anteile der energieliefernden Substanzen sind, auf die unser Körper zugreifen muss, um Leistung bringen zu können.“
Aber um es leichter verständlich auszudrücken: Strengt man sich wenig an (z. B. bei einem langsamen Dauerlauf), werden hauptsächlich die eingelagerten Fette als Energielieferanten genutzt. Weil der Körper von diesen Fetten relativ viel zur Verfügung hat, kann er diese Energiegewinnung auch relativ lang in Leistung umwandeln. Ergo: Langsam kann man länger laufen.
Die obere Grenze dieser Energiegewinnung im Fettstoffwechselbereich nennt man aerobe Schwelle. Sie ist erreicht, wenn der Laktatwert im Blut bei etwa 2mmol pro Liter Blut liegt.

DIE ANAEROBE SCHWELLE
Steigt aber die Belastung an, greift der Körper vermehrt auf unsere Kohlenhydratspeicher zu. Das Problem dabei ist, dass unser Körper dieses Glykogen eben nicht unbegrenzt zur Verfügung hat. Gehen also auch diese Energiespeicher zur Neige, muss schließlich der Körper auf unsere letzten Reserven, auf die Proteine (Eiweiß) zugreifen. Und damit wird direkt unsere Muskulatur angegriffen – die schließlich gegen die immer größer werdende Sauerstoffschuld rebelliert, indem sie übersäuert und letztlich schlapp macht. Diese obere Grenze, an der die Energiebereitsstellung aus den Kohlenhydratspeichern endet und in die Crash-Phase übergeht, nennt man anaeorbe Schwelle. Das ist der Punkt, an dem sich Laktatbildung und Laktatabbau gerade noch die Waage halten. Aus dem Laktattest ist diese Schwelle bei jedem Einzelnen exakt herauszulesen – im Allgemeinen ist sie ungefähr dann erreicht, wenn die Laktatkonzentration bei rund 4 mmol/l liegt.

SO LÄUFT EIN LAKTATTEST AB
Lassen wir Walter Hable erklären, wie im Detail ein Laktattest abläuft: „Die Aufgabe ist es, eine aussagerelevante Laktatkurve zu bekommen. Dafür benötigt man eine entsprechende Anzahl von Messpunkten, die wir mit Hilfe eines Belastungsstufentests ermitteln. Durchgeführt wird dieser Belastungsstufenstest auf einem Laufband, einem Fahrradrgometer oder auch bei einem Laufschwellentest im Freien.“ Auch möglich in Weinburg: Durch eine Spezialvorrichtung kann beim Ergometertest sogar das eigene Bike verwendet werden!
Aber egal, wo und wie – der Ablauf ist grundsätzlich immer gleich: „Noch im Ruhezustand wird beim Testkandidaten die erste Herzfrequenzmessung durchgeführt, aus dem Ohrläppchen wird mit einem kleinen Stich ein Tropfen Blut entnommen und mit einem Röhrchen abgesaugt. Dann beginnt der Belastungstest mit moderater Bewegung, abgestimmt auf den Fitnesszustand des Testkandidaten – also etwa mit einem Tempo zwischen 4 bis 6 km/h am Laufband bzw. zwischen 30 und 50 Watt am Ergometer.“ Nach drei Minuten folgt dann der erste Stopp: Wieder wird die Herzfrequenz gemessen, wieder ein kleiner Stich ins Ohr, ein Tropfen Blut in ein neues Röhrchen – und weiter geht’s, aber nun mit etwas mehr Tempo. Walter Hable: „Am Laufband wird die Geschwindigkeit bei jeder Teststufe um etwa 2 km/h gesteigert, am Ergometer steigt der Widerstand um 30 bis 50 Watt. Grundsätzlich hängt die gewählte Belastung aber immer vom Fitnesszustand des Testkandidaten ab.“
Und so geht es weiter, Stufe für Stufe, Stich für Stich, Röhrchen für Röhrchen. Jeder abgenommene Blutstropfen wird sofort im Laborgerät auf seinen Laktatgehalt und auch auf den Glukosegehalt geprüft – solange, bis der Tester genügend Werte gesammelt hat, um in Kombination mit den Herzfrequenzwerten eine aussagekräftige Laktatkurve erstellen zu können.

MEDIZINISCHES ZEUGNIS
Der Test endet spätestens, wenn der Kandidat an seiner absoluten Leistungsgrenze angelangt ist. Mit diesem Hinführen bis an die Grenze zur völligen Erschöpfung erklärt sich auch, warum bei einer seriösen Leistungsdiagnose von Testkandidaten aus dem Hobbysport ein medizinisches Zeugnis verlangt wird. „Das ist bei uns eine klare Vorgabe“, sagt Walter Hable, „dass Kunden über 35 Jahre zuerst einen medizinischen Test machen und uns ein Belastungs-EKG vorlegen müssen. Das gilt klarerweise erst recht, wenn Sport als Therapie eingesetzt werden soll.“

DIE AUSWERTUNG
Die Laktatkurve ist dann die Grundlage für das abschließende Aufklärungsgespräch zwischen dem Testkandidaten und dem Sportwissenschafter. „Jede Leistungsdiagnostik“, sagt unser Experte, „ist nur so gut wie die Interpretation und Aufklärung danach. Reine Datenerhebung allein ist zu wenig – ich muss dem Sportler die Daten auch erklären und ihm daraus die entsprechenden Trainingsempfehlungen mit auf den Weg geben. Das ist immer eine sehr individuelle Sache, da kommt es viel auf die Erfahrung des Testers an. Denn er muss erkennen, wo der Sportler hin will, was er dafür braucht, und vor allem: Wie viel er tatsächlich trainieren kann.“ Am Ende des Gesprächs muss der Sportler genau wissen, was er ändern soll; er bekommt sozusagen ein Grundgerüst mit, das ihm als weitere Orientierung für sein Training dient. „Aber jedem muss klar sein: Du gehst vom Test mit wertvollen Tipps weg – aber es liegt in deiner eigenen Verantwortung, was du daraus machst. Denn unsere Auswertung ist nur eine Trainingsempfehlung – und keine Trainingsplanung.“
Diese Trainingsplanung kann natürlich extra in Auftrag gegeben werden. Kosten? „Das geht ganz normal nach Aufwand. Fürs Ausarbeiten einesindividuell angepassten Wochenplans mit je drei Einheiten, erstellt für sechs bis acht Wochen, brauchen wir etwa drei Stunden. Die Kosten werden also zwischen 150 und 200 Euro liegen.“ Aber wie schon die Leistungsdiagnostik (die in etwa gleich viel kostet) ist auch das gut investiertes Geld, „denn grundsätzlich ist auch für Hobbysportler eine Diagnostik allein zu wenig. Zumindest einmal sollten sie sich einen professionellen Trainingsplan ausarbeiten lassen, um ein Gefühl für die Umfänge und die Belastungsbereiche zu bekommen.“
Aber ganz egal, ob die Leistungsdiagnostik mit einer Trainingsempfehlung abgeschlossen wird, sich in einer Trainingsplanung fortsetzt oder ob die Zusammenarbeit sogar in eine professionelle Trainingsbegleitung und -Kontrolle übergeht – „wir verstehen uns in jedem Fall als Partner“, sagt Sportwissenschafter Walter Hable. „Und unser Auftrag ist es, jedem Sportler, vom Spitzenathleten bis zum Gesundheitssportler, bei der Trainingsoptimierung zu helfen. Mit dem Ziel: Die Zeit, die jeder Mensch in ein Training investiert, soll für ihn auch den bestmöglichen Nutzen bringen.“