Ein schlauer Kopf hat einmal ausgerechnet, dass die leeren Sauerstoffflaschen, die irgendwo im Everestgebiet herumliegen, übereinandergestapelt die 8.848 Meter weit überschreiten würden ...


Der höchste Berg der Welt als Müll­halde des Massentourismus – dieses Horrorbild ist ja kein neues. Wenn wir nun daran anschließen wollten, dann müssten wir auch für die heimische Bergwelt den mahnenden Zeigefinger erheben – und zum Beispiel auf die Tonnen von Müll verweisen, die der Alpenverein allein auf dem Hohen Sonnblick im Vorjahr in einer großen, 13.000 Euro teuren Aktion zusammengetragen und mit dem Hubschrauber abtransportieren hat lassen. Von den 2,3 Millionen Liter Abfällen, die der in Vorarlberg sitzende „Alpenschutzverband“ im Lauf der Jahre im österreichischen Gebirge nach eigenen Angaben eingesammelt hat, ganz zu schweigen.

WER IST HIER DER SCHMUTZFINK?
Nur: Ganz so einseitig, wie diese Zahlen suggerieren, ist die Sache auch wieder nicht. Willi Seifert, Naturschützer im Alpenverein, will vorab schon eines klargestellt wissen: „Das Verhalten der Bergsportler in Bezug auf das Ablagern von Müll ist in den letzten Jahren um ein Vielfaches besser geworden. ,Schwarze Schafe‘, die aus Bequemlichkeit die Landschaft mit ihrem Mist bereichern, zählen heute zur absoluten Minderheit.“ Und diese Minderheit werden wir auch mit noch so dramatischen Zahlen nicht erreichen. Ganz abgesehen davon, dass die „brave“ Mehrheit der Bergtouristen dann möglicherweise in den pauschalen Verdacht käme, ebenfalls zu den „Schmutzfinken“ zu gehören. Das tun sie aber nicht.

Und noch eine kurze Erklärung zu den vorhin genannten Zahlen am Beispiel der Aktion am Hohen Sonnblick: Der weitaus überwiegende Teil des zusammengesammelten Mülls bestand aus Bauschutt, aus Eisenseilen und Holz, aus alten Telefonkabeln und Ähnlichem! Jedenfalls stammt er aus vergangenen Jahrzehnten, als das Wort Umweltschutz noch nicht einmal existierte und es schlicht zu viel gekostet hätte, den beim Aufbau einer alpinen Infrastruktur anfallenden Abfall zu beseitigen. Bergtouristen haben zu diesen Tonnen nur einen geringen Teil beigetragen.

NICHTS WIRD ZURÜCKGELASSEN
Ist also doch alles super? Nein, das auch wieder nicht. Den alpinen Schützern von Flora, Fauna und Landschaft wie Willi Seifert geht die Arbeit nicht so schnell aus. Auch weil die Berge im Zuge der touristischen Vermarktung von immer mehr Menschen frequentiert werden, die sich noch nicht so ganz mit den allgemeinen Spielregeln auskennen.

Müll ist dabei nicht das einzige Thema – bleiben wir aber trotzdem noch kurz dabei. Da gibt es für Bergsportler nämlich nur eine Richtlinie: Nichts, aber auch gar nichts lässt du am Berg zurück! Und zwar weder in der Landschaft noch in den Berghütten, auch wenn dort Mülleimer stehen. Ist ja auch logisch: Alles, was oben bleibt, muss irgendwann und oft per Hubschrauber heruntertransportiert werden. Zwar geschieht das gemeinsam mit dem Abfall, der sowieso aus der Bewirtschaftung der Hütten anfällt – aber wenn der Helikopter wegen des zusätzlichen Mülls ein weiteres Mal fliegen muss, ist das wieder eine Belastung.

VON WEGEN BIOMÜLL
Auch zum sogenannten Biomüll, der nach Meinung vieler „ja in der Landschaft sowieso verrottet", weiß Willi Seifert anderes zu berichten: „Orangenschalen brauchen zwei bis drei Jahren bis sie sich zersetzt haben. Kaugummi und Zigaretten­stummel sogar fünf Jahre. Es wäre also schön, wenn es alle schaffen, vom heraufgetragenen ‚Bruttogewicht' von Orange, Banane und Co auch das ‚Nettogewicht' der Schale wieder ins Tal mitzunehmen und sie da zu entsorgen." Übrigens: Auch Papiertaschen­tücher liegen mehrere Monate lang in der Landschaft herum, bis sie verrottet sind. Also bitte ebenfalls mitnehmen – unser Tipp dazu: Ein kleines Mistsackerl passt in jeden Rucksack ...

AUF DIE ROUTE KOMMT ES AN
Schaut man sich die einzelnen Sportarten an, dann kann man sagen, dass die Wanderer eigentlich am wenigsten Schaden anrichten können. Die Richtlinie „Bleibt auf den Wegen" kennen fast alle und die meisten halten sie auch ein. Und wenn nicht – das Profil eines Bergschuhs besitzt nicht die Kraft des Stollenreifens eines Mountainbikes. Biker sollten daher schon bewusster agieren, mahnt Willi Seifert: „Viele der lustmachenden Fotos der Tourismusverbände, bei denen Mountainbiker über Stock und Stein fahren, dürfte es streng genommen gar nicht geben. Leider nehmen sich klarerweise einige diese Bilder zum Vorbild. Daher zur Erinnerung: Mountainbiken im Waldbereich – und dazu gehört auch das Be­fah­ren von Forstwegen – ist nach dem österreichischen Forstgesetz verboten! Außer es gibt eine ausdrückliche Zustimmung des Grundeigentümers bzw. Wegerhalters. Auch das Befahren von Wanderwegen ist verboten, eine Ausnahme bilden hier nur offiziell ausgewiesene Singletrails."

Der Sinn solcher Verbote liegt nicht darin, dass sich Wanderer und Biker in die Quere kommen sollen, vielmehr geht es dabei in erster Linie um Ruheräume für Wildtiere. Und um Erosionsschäden des Bodens: Wo die Grasnabe verletzt wurde, wächst nichts mehr! „Offroad-Fahrten" über Almwiesen, auf Skipisten oder im Wald sind daher völlig zu Recht verboten und gelten unter verantwortungsvollen Bikern auch als uncool.

Dort, wo das Mountainbiken grundsätzlich erlaubt ist, ist dennoch nicht alles, was möglich ist, auch zu empfehlen. Möglichst spät mit blockierenden Rädern zu bremsen und damit den Untergrund umzugraben, ist sogar eine ziemliche Unsitte. Eine „sanfte" Fahrweise ist nicht nur umweltschonender, sondern auch viel stressfreier. Und weil es gerade zum Thema Stress passt: Eigentlich ist es müßig zu erwähnen, dass Lärm in jeder Form in der Natur generell vermieden werden soll, weil er für Wildtiere Stress bedeutet.

AUCH KLETTERER SIND GEFORDERT
Was für die Mountainbiker gilt, das kann auch für viele andere Sportarten festgehalten werden: Klettern, Canyoning, im Winter Skitourengehen oder Schneeschuhwandern – die Route macht's aus. „Wie sehr man die Natur mit einer Sportart stört – oder gar zerstört –, kommt immer auf den Einzelnen an", erklärt es der AV-Experte. „So kann eine Skitour auf einer günstigen Route in höchstem Maß naturverträglich sein – nur 100 Meter abseits davon würde man aber einen Jungwald oder eine Wildfütterung durchfahren." Anderes Beispiel: Kletterer, die in sensiblen Gebieten herumkraxeln, können im Fels nistende Vogelarten aufscheuchen.

Weil es gerade für Einsteiger naturgemäß nicht leicht zu erkennen ist, welche Route umweltgerecht ist, gilt die ganz allgemeine Bitte: Auf vorgegebenen und für die Sportart freigegebenen Strecken bleiben und Verbote (örtlich und zeitlich) bedingungslos akzeptieren. Auch wenn der Sinn dahinter vielleicht nicht immer sofort einleuchtet, so gibt es in der Regel dennoch einen triftigen Grund dafür. Für Mountainbike-Fahrverbote genauso wie für Start- und Landeverbote von Paragleitern. Über freigegebene Strecken und Verbote erkundigt man sich dabei am besten bei den lokalen Alpenvereinsstellen oder auch bei den Tourismusverbänden. ­In den Bundesländern Salzburg und Tirol sind zum Beispiel alle freigegebenen Mountainbikerouten einheitlich beschildert.

„EVENTS" IN DEN ALPEN
Den oben erwähnten Touristikern will der Naturschützer dann – entgegen mancher Vorurteile – keinesfalls den pauschalen Schwarzen Peter zuschieben. Wenn er auch mit manchen Eventauswüchsen in der Alpenwelt („zum Beispiel mit manchen Bergbeschallungen und -beleuchtungen") naturgemäß keine Freude hat. „Wie stark Naturschutz- und Umweltgesichtspunkte heute in die touristische Planung einfließen, hängt sehr stark von den einzelnen Regionen ab. In manchen ist es eine Selbstverständlichkeit, andere haben noch viel Aufholbedarf", sagt Willi Seifert.

Zwei ganz einfach umzusetzende Empfehlungen hätten wir abschließend noch für alle Bergsportler:

  • Punkt 1: Wenn die Anfahrt mit dem eigenen Auto notwendig ist, dann bitte nicht wild irgendwo parken, sondern dafür freigegebene Parkplätze nutzen. Auf jeden Fall ist es, wenn man sowieso in der Natur marschieren oder biken will, nicht notwendig, bis zum allerletzten möglichen (und ohnehin meist überfüllten) Parkplatz zu fahren.
  • Und dazupassend Punkt 2: Noch umweltgerechter ist es, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen. Denn gerade auch von den kritisierten Tourismusverbänden werden oft Servicedienste mit Wanderbussen angeboten. Schließlich haben wir doch alle ein gemeinsames Ziel: unsere Berge und unsere Natur sauber zu halten, um möglichst lange Spaß daran zu haben ...



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