Steinadler, Bartgeier, Alpenbraunelle, Steinbock – es gibt immer was zu sehen. Die Nature-Watch-Touren in der heimischen Bergwelt bringen Wanderer auf Tuchfühlung mit der Natur – zahlreiche Aha-Erlebnisse inklusive.
Auf der Franz-Josefs-Höhe, am Fuße des Großglockners, liegt noch Schnee. Durch den stapft Markus Lackner jetzt an diesem frühen Nachmittag Anfang März daher und schlüpft aus der Bindung seiner Schneeschuhe. An Tagen wie diesen liebt er seinen Job besonders. „Ich komme gerade von einer Schneeschuhwanderung mit Steinbockbeobachtung zurück“, erzählt der Ranger vom Nationalpark Hohe Tauern. Er macht, wonach es gerade enorme Nachfrage gibt: Tier- und Naturbeobachtungstouren in der heimischen Bergwelt. Denn das Innehalten, das bewusste Schauen auf die Vielfalt der Natur, das ist – gerade in Zeiten des Leistungsdrucks und der immer schnelleren Taktung des Alltags – in. „Da sind schon einmal 60 Leute vor der Tür gestanden und wollten eine Führung machen“, erinnert sich Lackner. Daher müsse man sich jetzt voranmelden.
Ganz ähnlich ist das auch im Alpenpark Karwendel, wie Toni Heudorfer, Naturführer und stellvertretender Geschäftsführer der fünf Parks in Tirol, berichtet. „Alleine 189 Besuchertouren haben wir pro Jahr und dazu kommen dann noch die Schulführungen.“
Massenabfertigung ist das aber hier wie da keine. Die Gruppen umfassen sowohl im Nationalpark Hohe Tauern als auch im Karwendel zwischen 10 und maximal 20 Leuten. „Denn es will ja jeder Teilnehmer etwas haben davon“, sind sich die beiden Ranger einig. Zwischen zwei und fünf Stunden dauern solche Touren in der Regel. Abhängig von der Gruppe und ihrem Beobachtungsdrang kann die Zeit variieren.
In die Ferne schweifen
Ihren Ausgang haben diese Touren aber ganz wo anders genommen. 2009 haben Tirol Werbung und Swarovski Optik das „Nature Watch“-Programm entwickelt. Den Gästen sollte ein Mehrwert geboten werden. „Unter professioneller Begleitung sollen sie die Natur anders erleben und Tiere und Pflanzen beobachten, die sie sonst nicht zu Gesicht bekämen“, sagt Julia Leitner von Swarovski Optik. Die Firma stellt den Parks kompakte Ferngläser und Beobachtungsfernrohre, sogenannte Spektive, zur Verfügung.
Durch die 8-10-fache Vergrößerung kann man Steinböcke, Gämsen oder Bartgeier in bis zu einem Kilometer Entfernung beobachten. „Den Steinböcken kommen wir oft aber auch so nahe, dass man sie mit freiem Auge gut beobachten kann“, sagt Markus Lackner vom Nationalpark Hohe Tauern. 30, 40 Schritte Distanz zu diesen fantastischen Kletterern sind keine Seltenheit. Anhand von Spuren und der Losung – wie die Ausscheidungen der Tiere im Fachjargon heißen – wissen die Ranger und Naturführer, wo sich die Tiere aufhalten. „Und weil wir viel Erfahrung haben und über den Lebensraum des Wildbestands Bescheid wissen.“ Im Sommer zum Beispiel findet man die Steinböcke oft in höheren Lagen, wo noch kleine Schneefelder liegen. „Dort können sie sich abkühlen.“
Gämsen dagegen kommt man nicht leicht so nahe. „Trotzdem haben wir im Karwendel auf unseren Touren fast eine Gams-Garantie“, sagt Toni Heudorfer nicht ohne Stolz. Er und seine Kollegen verwenden die Ferngläser aber nicht nur für die große Entfernung. Damit kann man auch eineinhalb Meter in eine Blumenwiese hineinschauen und entdeckt Neues. Aber es geht auch ganz anders. Dreht man die Ferngläser nämlich um, und geht ganz nahe an ein Objekt heran, kann man sie als Lupe verwenden. „Das ist immer ein großes Aha-Erlebnis für die Teilnehmer“, sagt Heudorfer. Und eben auch etwas, das die Leute von den Nature-Watch-Touren mitnehmen. „Du lernst, genau hinzuschauen. Immer wieder sagen Leute: ‚Das haben wir noch nie gesehen, obwohl wir schon so oft da waren.‘“
Fotos durch das Fernglas
Die Erlebnisse in der Natur hinterlassen einen bleibenden Eindruck. „Ganz egal, ob Kinder oder Erwachsene“, sagt Markus Lackner. „Wenn sie zum ersten Mal einen Steinbock oder eine Gams durch das Fernglas oder hautnah sehen, merkst du an der Reaktion, dass das ein besonderes Erlebnis ist.“ Eines, dass dank der modernen Technik auch nicht nur im Kopf gespeichert werden kann. Ans Okkular der Ferngläser kann man per Adapter ein Smartphone anschließen und den Steinbock, die Gämse, den Bartgeier auch in einem Kilometer Entfernung so fotografieren, wie man ihn durch das Glas gesehen hat. Damit Naturliebhaber dann auch Information für zu Hause haben, bekommen sie auf den Karwendel-Touren folierte Booklets mit Infos zu ihrer Tour. „Darauf sieht man die Gämsen zum Beispiel im Sommer- und Winterkleid, sowie die Vegetation in Frühling und Herbst“, sagt Heudorfer. Bei ihm sind es neben Gämsen auch Steinadler, Flussuferläufer und Ringdrosseln, die es zu beobachten gibt.
Bei Markus Lackner ziehen neben den Steinböcken vor allem Steinadler und Bartgeier die Besucher an. „Das Schöne ist: nichts sehen gibt es eigentlich nicht.“ Darum gibt es auch keine beste Jahreszeit für einen Besuch am Fuße des Glockners oder in den Alpenparks Karwendel. Wiewohl beiden der Herbst am liebsten ist: Denn da ist in ihrem Arbeitsgebiet der große Ferienandrang vorbei und Lackner und Heudorfer kommen zu dem, was sie am liebsten tun – selbst in die Berge gehen.
Anton Heufelder | ist Naturführer, Ranger und stellvertretender Geschäftsführer der Alpenparks Karwendel. |
Markus Lackner
| ist Ranger im Nationalpark Hohe Tauern und kommt aus Heiligenblut am Großglockner. |