Ist es wirklich notwendig, bei jedem Trend dabei zu sein? Gewisse Neuerungen kommen wohl eher aus dem Marketing- als aus dem Technikbereich. Das meint zumindest Kolumnist und Hobbybiker Ernst Sittinger.

Von Ernst Sittinger


Die Vorjahresmodelle sind abverkauft. Jetzt locken die Fahrradgeschäfte wieder mit den Neuheiten der Saison. Und die haben es in sich, denn die Entwickler schrauben jedes Jahr zusätzlichen Schnickschnack an die Drahtesel, um auch dem letzten Schnorrer klarzumachen, dass er sich mit seiner schon zwei Jahre alten Rostlaube unmöglich auf dem Singletrail blicken lassen kann.

Wer diesen Zirkus beobachtet, stößt auf ewig gleiche Muster: Sensible Systemkomponenten werden so verändert, dass ein Austausch zwischen alten und neuen Bauteilen nicht möglich ist. Nach den 26-Zoll-Reifen kamen die 29er, dann die 27,5er. Die 29er gibt es weiterhin, doch leider geschah etwas total Unerwartetes: Man hat entdeckt, dass große Räder bei gleicher Aufhängung mechanisch weniger stabil sind als kleine. Um das herauszufinden, muss man zwar kein Diplomingenieur sein, sondern hätte nur den Dorfwirt von St. Pankrazen bei Einöd im dunkelhinteren Schluchtalptal fragen müssen.

Aber jetzt weiß das auch die Fahrradindustrie – und sie reagiert prompt: mit einer breiteren Aufhängung der größeren Räder. „Boost“ nennt sich die um einige Millimeter verbreiterte Nabe, die jetzt leider – oder zum Glück? – nicht mehr in die alten Radrahmen passt. Weshalb neue Räder gekauft werden müssen. Die Nabe wird übrigens vorne um ein anderes Maß verbreitert als hinten. Nur zur Sicherheit ...

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Weitere Neuheiten sind etwa die Upside-down-Federgabel, auf der man blöderweise die herkömmlichen Kotbleche nicht mehr montieren kann. Und jede Menge Schalthebel, die nicht mehr anzeigen, welcher Gang gerade eingelegt ist. Die früher üblichen Ganganzeiger kommen sicher in einigen Jahren als gefeierte Neuentwickung wieder ...

Aber dann! Dann hole ich mein altes Radl mit Gang-Sichtfenster aus dem Keller, poliere es neu auf und fahre damit als „Must have“ spazieren.

Ernst Sittinger ist Mitglied der Kleine-Zeitung-Chefredaktion, Kabarettist und begeisterter Biker und Outdoorsportler.
Der Kolumnist
ERNST SITTINGER ist Mitglied der Kleine-Zeitung-Chefredaktion, Kabarettist und begeisterter Biker und Outdoorsportler.


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