Heliskiing ist in Österreich ein besonderes Erlebnis. Auch, weil es besonders rar ist. Lediglich auf zwei Bergen auf der Vorarlberger Seite des Arlberggebiets ist es erlaubt. Im Süden Kärntens nützt man aber die Grenznähe zu Italien für ein Skiabenteuer mit Hubschrauber.
Von Klaus Höfler
Heliskiing und Österreich – das ist ein seltsam distanziertes Verhältnis. Zwar sind wir als Skination eine Weltmacht, haben die besten Skifahrer, Liftanlagen und Skihütten. Aber Hubschrauber-Transporte am Berg? Gibt es für Skifahrer hierzulande nur im Notfall und in die andere Richtung: vom Berg herunter mit dem Notarzt.
Aber es wäre nicht Österreich, gäbe es nicht Ausnahmen. Um genau zu sein: eine Ausnahme. Um noch genauer zu sein: eineinhalb Ausnahmen. Zum einen wäre da der Arlberg. Dort darf das Unternehmen Wucher Skifahrer auf zwei ausgesuchte Bergflanken bringen: zum 2.652 Meter hohen Mehlsack und zum Schneetäli auf 2.450 Meter Seehöhe. Beide in Vorarlberg gelegenen Hänge funktionieren als Rutsche in eine andere Dimension des Skifahrens. Kein enges Gewusel wie auf einer präparierten Piste, kein zeit- und konditionsintensiver Aufstieg wie beim Tourengehen, kein Zwischending zwischen Lift und Off-Piste wie beim Freeriden. Stattdessen ein gemütliches, wenn auch nicht ganz leises Dahinschweben in Vogelperspektive Richtung Gipfel in exklusiven Kleingruppen.
Auch der Preis ist freilich exklusiv. Rund 150 Euro kostet der Spaß pro Person und Flug. Die Begleitung durch einen ausgebildeteten Ski- und Bergführer ist verpflichtend (und im Preis nicht inkludiert), eine adäquate Sicherheitsausrüstung ebenfalls. Ohne eingeschaltetes und überprüftes LVS-Gerät darf keiner in den Hubschrauber.
Video: Heliskiing-Impressionen vom Arlberg
EINGESTAUBT UND ABGEHOBEN
Schon das Abheben vom Kriegerhorn im Skigebiet Lech ist ein Erlebnis. Nicht nur, weil sich zwei Flüge vor einem gerade Hermann Maier für den Abflug fertig gemacht hat. Es ist das Startprozedere, das eine positive Form von Stress erzeugt. Sich in den Schnee hockerln. Von den Rotorblättern des heranschwebenden Hubschraubers einstauben lassen. Geduckt in den Heli klettern.
Und plötzlich wird man wie von einem Magneten Richtung Himmel gezogen. Dann rattert man verschneite Felswände entlang, die Aussicht dehnt sich aus, beim Überfliegen von Gipfelgraten bricht plötzlich der Boden unter den Füßen weg. Man fühlt Schwerelosigkeit, bevor der Pilot mit einer waghalsigen Steilkurve rund um den Gipfel den Landepunkt anvisiert. Diese Inszenierung verliert auch bei erfahrenen Heli-Skifahrern nie an Faszination. Bei Gegnern dieser Bespaßungsvariante der Berge sorgt sie dagegen für erhöhten Blutdruck und Unverständnis.
DISKUSSIONEN IM 5-JAHRES-TAKT
So bricht am Arlberg bei jeder Verlängerung der auf fünf Jahre befristeten Flugbewilligung eine Diskussion über Sinnhaftigkeit und Naturverträglichkeit dieser Art von Wintersport los. Zwei Welten prallen da aufeinander. Hier die Touristiker und das Flugunternehmen, die vor allem mit der überschaubaren Anzahl von rund 250 Flügen pro Saison argumentieren. Dort eine Gegenfront aus Umweltschutzorganisationen wie der Alpenschutzkommission oder dem Umweltdachverband, die auf die Barrikaden steigen, wenn – wie aktuell – wieder eine Verlängerung der Bewilligung ansteht. Derzeit geht es um die Flugperiode bis 2021.
Geflogen wird wenn es die Wetterverhältnisse zulassen von Montag bis Freitag. Rund 800 Gäste werden so pro Winter zum Tiefschneefahren auf den Berg geflogen. Diese Menge sei ok, sagt Wucher-Sprecher Dieter Heidegger. Einem Hadern mit den hierzulande strengen Reglements will er keinen Raum geben: „Die Vorschriften in Österreich sind in Ordnung." In Sachen Expansion ist Wucher mittlerweile nach Georgien „ausgewandert", wo man ein Heliskiing-Angebot nach kanadischem Vorbild betreibt.
„Heliskiing ist eine Form von Tourismus, die wir in Österreich nicht wollen und auch nicht brauchen", wettert dagegen Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes, und verweist auf die Alpenkonvention, die seit 2002 in Österreich gilt und Heliskiing eigentlich verbietet. Auch das Tiroler Naturschutzgesetz untersagt kommerzielle Heliflüge in den Schnee. Nachdem es in den 1980er-Jahren zwischen Montafon und Arlberg noch 50 Landezonen gegeben hat, sind heute nur noch die beiden Spots auf der Vorarlberger Seite des Arlbergs übrig geblieben. Sie werden aber auch von den benachbarten Skigebieten in Ischgl und Galtür aus beworben, wo örtliche Skischulen den Transfer organisieren.
Video: Heliskiing am Arlberg teilt Vorarlberger Landesregierung
RAUFFLIEGEN IN ITALIEN ...
Neben dem Arlberg gibt es aber seit vergangenem Winter auch eine zweite Heliskiing-Destination in Österreich. Zumindest eine halbe, denn das Angebot im Grenzgebiet zwischen Italien und Österreich ist ein Unikum im juristischen Freiraum. Geschickt nutzt man das national Erlaubte im einen, um das Verbotene im anderen Land zu umfliegen. Konkret: Der kommerzielle Transport von Skifahrern und Ausrüstung mit dem Hubschrauber auf einen Berg ist in Österreich dem eingangs erwähnten Anbieter am Arlberg vorbehalten, sonst überall verboten. In Italien wiederum gibt es für das Skifahren im freien Gelände zum Teil strenge naturschutzrechtliche Restriktionen, zum Beispiel in Natur- und Wildschutzgebieten.
Aber nur, weil etwas gesetzlich nicht erlaubt ist, muss es ja nicht automatisch unmöglich sein – dachten sich der Unternehmer Christian Sölle und Freerider Alexander Huber, beide aus Hermagor am Fuße des Nassfelds in Kärnten. Über einen slowenischen Mittelsmann kamen sie mit einer Heli-Firma aus Tolmezzo knapp 20 Kilometer nördlich von Udine in Kontakt, die Heliskiing-Flüge auch in Cortina anbietet.
Gemeinsam nutzen sie seit vergangenem Winter mit Pragmatismus und Fantasie den Umstand, dass die Staatsgrenze direkt entlang des Höhenzugs am Rande des Skigebiets Nassfeld verläuft. Heißt: Der Hubschrauber startet knapp hinter der österreichischen Staatsgrenze am Ufer des Pramollo-Stausees auf italienischem Staatsgebiet und fliegt die Skifahrer im italienischen Luftraum auf den Rosskofel vulgo Monte Cavallo auf 2.240 Meter (700 Höhenmeter Abfahrt) und den Rio Secco/Trögl auf 2.203 Meter (700 Höhenmeter). Am Gipfelplateau wird auf italienischer Seite gelandet. Man könnte hier freilich auch auf italienischer Seite bleiben und ins Tal abfahren – in den Karnischen Alpen gibt es diesbezüglich kein Verbot.
... UND ABFAHREN IN KÄRNTEN
Aber der „Kniff" ist hier ein anderer, geht es doch um ein Heliskiing-Abenteuer in Österreich. Also heißt es für die Skifahrer, nachdem sie aus dem Hubschrauber gekrabbelt sind und das Abfliegen des Hubschraubers abgewartet haben, sich die Ski zu schnappen und die Staatsgrenze oben am Berg zu überschreiten. Es braucht nur wenige Schritte und sie befinden sich in Österreich – wo es im freien Naturraum Richtung Tal geht.
Gut, könnten Skeptiker dieses Geschäftsfelds einwenden, für diesen Gipfel braucht man nicht zwingend einen Hubschrauber, mit ein bisserl Kondition kommt man auch im Rahmen einer attraktiven Skitour in den Genuss der atemberaubenden Aussicht. Stimmt! Aber bei klarer Fernsicht blickt es sich nach einem flotten Heliflug ausgeruhter Richtung Obere Adria, in die Bergketten der Julischen Alpen, zu den slowenischen Giganten Triglav und Mangart, hinüber nach Südtirol oder in die Hohen Tauern im Norden.
Es empfiehlt sich also, zu schauen, zu genießen und die Bilder im Kopf abzuspeichern, bevor es über unverspurte Hänge hinunter Richtung Skigebiet geht. „Wir wollen in einem ohnehin erschlossenen Skigebeit den Gästen ein zusätzliches Angebot bieten", wirbt Sölle. Und der Bedarf scheint gegeben: In diesem Winter wird das Angebot ausgeweitet. Angeflogen werden auch der Monte Zermula (2.143 Meter, 900 Höhenmeter Abfahrt) und für Einsteiger die „Krone" (1.832 Meter/300 Höhenmeter).
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