Als Kind gehänselt und von Trainern nicht ernst genommen. Als Erwachsener erfolgreicher Mountainbikeprofi. Ehrgeiz und Durchhaltevermögen haben Lukas Kaufmann weitergebracht. Und, dass seine Eltern immer hinter ihm gestanden sind.

Georg Michl


„Mit zwölf Jahren bin ich in Landescups Letzter geworden. Oder Vorletzter, wenn sich ein anderer verfahren hat“, erzählt Lukas Kaufmann und lacht. Mittlerweile ist der Oberösterreicher allerdings nicht mehr von Navigationsfehlern der Konkurrenz abhängig. Spätestens mit dem dritten Platz auf der Königsstrecke der Salzkammergut-Trophy im Jahr 2019 hat er seine Klasse auf dem Mountainbike unter Beweis gestellt. „Meine Stärke ist, dass ich nie aufgebe und alles mit Freude mache. Wenn man an seine Ziele und Träume glaubt und alles dafür tut, dann kann man sie erreichen.“ Dass er einmal die 200 Kilometer im Herzen Österreichs auf dem Podest beenden würde, hätte sich der Letzte der Cuprennen 2006 aber nicht gedacht. Denn auf dem Weg vom Burschen zum Profi vergoss der Kronstorfer nicht nur viel Schweiß. Als Jugendlicher durchlief er eine Wandlung. 

„Sagen wir es einmal so: Ich war als Kind dem Essen nicht abgeneigt.“ Die Mutter war die erste Frau Österreichs, die den Titel „Meisterköchin“ verliehen bekam und ihre Kochkünste waren für den Sohn in jungen Jahren von einer verhängnisvollen Güte. „Bei uns hat es immer sehr gute Sachen gegeben, aber ich habe auch viel ungesunde Dinge extra dazugegessen.“ Wenn es beim Einkauf nicht etwa eine Leberkässemmel gegeben hat, konnte der Sprössling schon einmal ungehalten werden. Zu den Favoriten zählte ein lukullischer Gipfelsturm: die Bergsteiger. Aber nicht, weil der Vater als passionierter Bergsportler ihm schon damals die Liebe zu den Massiven vermittelt hat, durch die er jetzt pedaliert. „Es war so, dass ich selbst schon zu Geburtstagen so Geschenkkörbe von den Verwandten bekommen habe.“  Hänseleien von anderen Kindern blieben ihm nicht erspart. „Die haben mich teilweise schon beschäftigt“, erzählt er, „aber meine Eltern sind immer hinter mir gestanden und sie haben mir das Gefühl gegeben, dass es das Wichtigste ist, dass ich glücklich bin.“ 

Ich habe als Kind wirklich ungern verloren. Wenn ich dann eine auf den Deckel bekommen habe, habe ich was anderes gemacht.

Lukas Kaufmann

Der Sport war schon damals ein wichtiger Teil seines Lebens. Die Konsequenz von heute hat ihn damals aber noch nicht ausgezeichnet, der Ehrgeiz war jedoch bereits ausgeprägt – nur noch nicht so kanalisiert und reflektiert wie heute. „Ich habe als Kind wirklich ungern verloren“, sagt er und schmunzelt, „wenn ich dann eine auf den Deckel bekommen habe, habe ich was anderes gemacht.“ Über die Naturfreunde ist er auch zum Mountainbiken gekommen und dem ist er bis heute treu geblieben. Die Erfahrungen von damals haben ihn geprägt und fließen in seinen Beruf als Techniktrainer ein. „Ich habe es am eigenen Leib erlebt, wie es ist, wenn Trainer einen nicht ernst nehmen.“ Kindern müsse man „lange genug eine Chance geben und man muss sich besonders um Leute kümmern, die sich nicht gleich leichttun. Ich bin lange hinten nachgefahren und dann groß geworden, als die anderen aufgehört haben. Ich habe mit vielen Talenten angefangen und bin der Einzige, der noch fährt.“ 

Die Weichen hat er in einem Sommer gestellt. In den Ferien nach der dritten Klasse Hauptschule hat er unglaubliche 20 Kilogramm abgenommen. „Früher hat das mit dem Abnehmen nicht geklappt, dann habe ich einfach meine Ernährung umgestellt.“ So wurden aus der Leibspeise Bergsteiger im Laufe der Jahre die Thunfischnudeln. „Ich esse noch immer unglaublich gerne. Aber ich fahre jetzt viel Rad, dass ich es mir leisten kann“, sagt er und fügt an, „wenn die Karriere vorbei ist, muss ich aber sicher umstellen.“ 

Verbrannt wird von seinem Körper genug, denn im Mittel trainiert er 25 Stunden pro Woche. „2019 bin ich Profi geworden und seit damals trainiere ich auch mit einem konkreten Plan“, sagt er. „Es muss trotzdem immer Spaß machen. Aber seitdem ich mit einem Trainer zusammenarbeite, mache ich auch Einheiten, die ich früher nicht gemacht habe.“ Etwa besonders intensive Intervalle. „Ich kann mich in einem Rennen richtig pushen und quälen. Im Training habe ich das früher nicht so gemacht“, sagt er und fügt mit einem Lachen an, „aber nun ist es vorgeschrieben.“ Großen Wert legt er aber weiterhin auf eine solide Grundlage. Die sei neben der Regeneration „extrem wichtig“. Vor seiner Zeit als Profi war an ein getimtes ­Training nicht zu denken. „Ich habe nie fixe Arbeitszeiten gehabt und oft auch nicht gewusst, wie lange ich arbeiten muss. Daher habe ich trainiert, wie es sich ausgegangen ist oder es gepasst hat“, sagt der gelernte Biomechaniker.

Der Mountainbikesport hat in Österreich nicht so einen hohen Stellenwert und es gibt nur eine Handvoll Fahrer, die davon leben können.

Lukas Kaufmann

Nach der HTL und dem Heer arbeitet er im Lager und der Zustellung. Nun dreht sich das Leben um den Sport. Zwischen April und Oktober ist er hauptsächlich auf seinem Arbeitsgerät anzutreffen, gelegentlich kurbelt er aber auch auf dem Rennrad seine Runde. 2020 in der Krise fiel quasi die komplette Saison flach und da entschied er sich spontan, am Race Around Austria teilzunehmen. Solo, versteht sich, hat er die 2200 Kilometer und 30.000 Höhenmeter in Angriff genommen und auch absolviert. „Beim ersten Lockdown habe ich noch gedacht, dass das in zwei, drei Wochen wieder vorbei ist“, sagt er, „dann sind der Reihe nach aber alle Rennen abgesagt worden. Aber das RAA hat stattgefunden. Bei der Anmeldung hatte ich noch nicht einmal ein Rennrad.“ Diesen Nachteil hat er beim Material und Fahrkönnen schnell aufgeholt und am Ende stand er nach vier Tagen und sechs Stunden als Vierter im Ziel. Mit wohltätigen Extremevents (Skitourengehen oder Laufen) hielt er sich in der Zeit der Krise im Gespräch und fit. Sie zeigten auch die sportliche Vielseitigkeit. So bezwang er mit Tourenski 132 Mal einen Anstieg über 100 Höhenmeter, oder lief 24 Stunden rund um einen Stausee und sammelte damit Spenden. „Beim Laufen hält sich der Spaß vor allem gegen Ende hin in Grenzen und es ist mental schon sehr hart.“ Um im Training der Monotonie zumindest im Winter zu entfliehen verbringt er viel Zeit auf Tourenski und Langlauflatten. „Im Winter absolviere ich rund zehn Prozent meines Pen­sums auf dem Rad.“ 

Zum Leben als Profi gehört es für Kaufmann auch, die Brücke zwischen Sport und Vermarktung zu schlagen. „Viele Sportler glauben, wenn du schnell radeln kannst, kommt es von selbst. Aber der Mountainbikesport hat in Österreich nicht so einen hohen Stellenwert und es gibt nur eine Handvoll Fahrer, die davon leben können. Daher ist die Eigenvermarktung sehr wichtig. Das ist ein Teil vom Profi-Sein.“ Schon in jungen Jahren hat er sich selbst um Geldgeber oder Material gekümmert, während viele von Hauptsponsor „Mama und Papa“ abhängig waren. „Ich habe mir dann bald selbst Sponsoren gesucht und mir auch überlegt, was die brauchen.“ Der Gang als Bittsteller zu großen Konzernen war wenig erfolgreich. „Im Laufe der Zeit habe ich dann gemerkt, dass Radfahrer hauptsächlich von Menschen unterstützt werden, die sie kennen.“  Neben einer aktiven Medienarbeit sind etwa auch Veranstaltungen mit Sponsoren ein „Teil des Gebens und Nehmens“. Er habe in seinem (Sportler-)Leben viel davon profitiert, „dass ich mir viel erarbeiten musste“. Vor allem in der Krise hat sich diese Lebensschule gelohnt. Da konnte er auch den Ausfall seiner geplanten Vorträge besser verarbeiten. „Nach den ganzen Absagen der Rennen habe ich gedacht, dass ich wieder arbeiten gehen muss. Aber mein großer Pluspunkt war, dass ich mit den Charity-Events aktiv geworden bin.“ 

Nun will er aber wieder in seiner eigentlichen Leidenschaft richtig aktiv werden und hofft auf ein Erwachen der Rennszene nach dem einjährigen Schlaf und an ein Rennen denkt er immerfort. „Die A-Strecke der Salzkammergut-Trophy einmal zu gewinnen, wäre das höchste der Gefühle und ein Traum.“ Aber wenn man an die Träume glaubt und alles dafür tut, dann kann man sie ja erreichen.

Kindern muss man lange eine Chance geben: vom Gehänselten zum Mountainbikeprofi
Lukas Kaufmann
Lukas Kaufmann

Der 27-jährige Linzer ist seit 2019 MTB-Profi und Fahrtechniktrainer. Erfolge: Sieg beim Granitbeisser-Marathon auf der Extremdistanz (2014), bester Österreicher bei der Ultra-Mountainbike-Marathon-EM 2018, Sieg beim Appenninica-MTB-Stage-Race (ITA/2019), 3. Platz Salzkammergut-Trophy (2019).
WEB: www.lukas-kaufmann.com