Unter Strom: Die stylischen Vivax-Assist-Bikes versprechen volles Mountainbike-Feeling, liefern aber mit einem unsichtbaren Hilfsmotor bis zu 110 Watt Extrakraft. Wir haben die Modelle getestet – bei einer Alpenüberquerung übers Pfitscher Joch.
Von Ernst Sittinger
Elektrobike, nein danke! Das sagen viele, die auf den Bergen ihre Sportlichkeit demonstrieren wollen. Doch man soll nichts ablehnen, was man nicht kennt. Und das Angebot, das die SPORTaktiv-Crew für uns bereithielt, klang verlockend: Wir sollten auf einer Alpenüberquerung im Frühsommer nicht irgendwelche unförmigen 24-Kilo-Elektroräder pilotieren, sondern die Vivax-Assist-Bikes, die rein optisch ohne weiteres als „normale“ Mountainbikes durchgehen.
Das System der Tiroler Firma Vivax hat es in sich: In das Sattelrohr eines handelsüblichen Mountainbikes wird ein kleiner Hilfsmotor eingebaut, der bei Bedarf bis zu 110 Watt Zusatzkraft liefert. Den Hauptteil der Arbeit darf der Biker selbst verrichten. Biker und Motor bilden sozusagen einen Hybrid-Antrieb der neuen Art. Und da das Assist-System samt Akku nicht einmal zwei Kilo wiegt, sind die Räder in puncto Wendigkeit und Agilität im Gelände konkurrenzfähig.
Doch wir wollten nicht unkritisch an die Sache herangehen, sondern auf unserer Alpenfahrt die Vivax-Werbeversprechen auf Herz und Nieren testen. Etwa, ...
- ... dass man die Räder auch problemlos ohne Motor fahren kann und sie sich auch auf verblockten Schiebe- und Tragepassagen bewähren;
- ... dass es letztlich darum geht, längere, ausgedehntere Touren zu packen;
- ... dass man den Hilfsmotor nur sehr dosiert auf kurzen Steilpassagen einsetzt, um den Streckenbedingungen nicht „ausgeliefert“ zu sein;
- ... dass die Vivax-Zusatzkraft dazu dient, bei zwei Radlpartnern die Leistungsunterschiede auszugleichen.
Mit freundlicher Unterstützung der SPORTaktiv Hotels Falkensteinerhof und Taubers Unterwirt | |
Beim Treffpunkt im freundlichen Radler-Hotel „Gasthof Baumgarten“ im tirolerischen Angerberg fiel zunächst auf, dass gar nichts auffällt: Die Vivax-Bikes sehen aus wie normale Bergräder! Der Motor steckt im Rahmen, der Akku dezent in der Satteltasche. Am Lenker gibt es einen kaum sichtbaren Taster für die Extrakraft. Ein bisserl wirkt das wie gezielte Tarnung – und die ist wohl beabsichtigt.
Trotzdem standen wir tags darauf bei der ersten Bergetappe über das Hösljoch im Bann der Gruppenpsychologie: Niemand wollte der erste sein, der im Gelände den Motor zuschaltet. Unsere SPORTaktiv-Testfahrer Sophie und Norbert aus Niederösterreich waren fast zu gut trainiert für das Doping aus der Steckdose. Rennradler Norbert erwies sich als bärenstarker 29-Jähriger, für den ein Hilfsmotor sowieso nicht in Frage kommt. Auch seine Partnerin Sophie hätte die gesamte Tour ebenfalls mit „muscles only“ geschafft. Dennoch wollte sie das Assist-System auf kurzen Zwischenspurts testen. Ich als wenig trainierter Büromensch des Typs „Kilo statt Watt“ war froh, den Elektro-Drücker in Griffweite zu haben.
AB INS GELÄNDE
Das Unterinntal bot uns ein ideales Testgelände, schon auf den Waldwegen zwischen Kundler Klamm und Gratlspitz erlagen wir der Versuchung: Ein kurzer Druck auf den Taster und schon wird das Treten leichter. Mit rundem Tritt erlebt man ein peppiges, trotzdem nicht unsportliches Fahrgefühl. Denn kräftig treten muss man ja trotzdem: Lässt man die Beine hängen, schaltet der Zusatzmotor ab. Der Hammer kommt, wenn man auf einer Steigung den Strom wegschaltet und ganz plötzlich wieder auf sich selbst gestellt ist. Der Vergleich macht sicher …
Wer auf langen Tagestouren ohne Ladepause durchkommen will, muss nicht nur mit der Körper-, sondern auch mit der Stromkraft haushalten. Auf der Route Hösljoch-Alpbach-Hochlindalm hatten wir bis 15 Uhr schon 1.400 Höhenmeter absolviert, wobei der Hilfsmotor nur auf kurzen Steilstücken helfen musste. Immerhin trugen wir als Alpenüberquerer das gesamte Nachtgepäck auf dem Buckel. Dann ging es mit abgeschalteten Akkus tief hinein ins Zillertal. Das dicke Ende kam zum Schluss: Eine 650-Höhenmeter-Rampe hinauf zum Alpengasthof Astegg hoch über Finkenberg. Da durfte der Vivax-Motor seine Leistung zeigen. Auch Sophie setzte auf Strom und konnte gemeinsam mit Norbert (der natürlich „ohne“ fuhr) ins Tagesziel gleiten.
TRAGEN STATT FAHREN
Am nächsten Tag die Alpenhauptkamm-Passage über das Pfitscher Joch: Die Anfahrt über Asphaltkehren zum Schlegeis-Speicher war noch trocken und wurde zwischendurch vom problemlos schnurrenden Vivax-System unterstützt. Doch noch vor dem Passübergang begannen auf 2.000 m Höhe die (erwarteten) Probleme: Tief verschneite Hänge zwangen uns zum Fußmarsch – und brachten die erstaunliche Erkenntnis: Das E-Bike war auch leicht genug für die Tragepassagen! Darum war’s auch nur halb so schlimm, dass wir auch auf der Alpensüdseite, wo wir auf eine lustige Abfahrt ins Pfitschtal gehofft hatten, die Bikes abermals schultern und auf dem extrem steilen Wanderweg in die Waldzonen hinuntersteigen mussten.
Beim Cappuccino im feinen SPORTaktiv Hotel Falkensteinerhof in Vals war die Plagerei schon wieder vergessen. Der nächste Tag brachte abwechslungsreiche Trails am „Kastanienweg“ nach Feldthurns. Schweißtreibender Südtirol-Bikegenuss vom Feinsten. Die Vivax-Zusatzwatt halfen mir im ruppigen Gelände aus mancher Verlegenheit, als unsere beiden Testfahrer am Horizont zu entschwinden drohten.
Im SPORTaktiv Hotel Taubers Unterwirt zogen wir dann Bilanz: Vivax hat in der Praxis überzeugt, auch wenn „echte“ Sportler die Nase rümpfen mögen. Im Mountainbike-Sport ist vieles in Bewegung, seit es E-Bike-Rennserien gibt. Und das Vivax-System ist eine solide Option für alle, die ihren Radius – und ihren Horizont – erweitern wollen.
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