Haile Gebrselassie rückt den Vienna City Marathon weltweit in den Blickpunkt. Zwei Olympiasiege, neun Weltmeistertitel und 27 Weltrekorde bzw. Weltbestleistungen haben ihn zu einer Legende des Laufsports gemacht. Mindestens ebenso sehr wie durch die sportlichen Erfolge hat er mit großzügigem und charmantem Auftreten, auch nach den seltenen Niederlagen, zu seiner Popularität und Bekanntheit beigetragen. All das ist bekannt. Aber damit kennt man noch nicht viel.
Einen Unterschied ausmachen
Haile Gebrselassies Leben ist vom Programm des „Trainieren-Essen-Schlafen“ eines typischen Profisportlers weit entfernt. „Ich will immer etwas schaffen, das wirklich einen Unterschied ausmacht“, beschreibt er seine Leitlinie. Darin vereint er seine vielfältigen Aktivitäten als Unternehmer, Sportler, Familienvater und sozial engagierter Mensch. Entsprechend dicht ist sein Tagesablauf in Addis Abeba, den er mit unglaublicher Energie, Herzlichkeit und einem wachen Geist meistert.
Training, Business und Familie
Das Lauftraining startet er spätestens um sechs Uhr früh direkt vor seinem Haus auf etwa 2600 Meter Höhe am Rande der Yeka-Hügel oberhalb von Addis Abeba. Danach fährt er in sein Büro, wo er sich um seine Firmen kümmert: Immobilien, ein Hotelressort am Awassa See mit 250 Mitarbeitern, ein Kino, ein Fitnesscenter, den Generalvertrieb von Hyundaifahrzeugen in Äthiopien und zwei Schulen. „Ich habe seit 1995 all mein Geld, das ich beim Laufen verdient habe, investiert und will hier in meinem Land den Leuten neue Möglichkeiten eröffnen“, sagt er. Am späten Nachmittag folgt ein zweites Training in seinem Fitness-Center, bevor er den Abend mit seiner Frau Alem und seinen vier Kindern Eden (14 Jahre), Melat (12), Batiy (10) und dem einzigen Sohn Nathan (5) verbringt.
Laufend auf Draht
Wichtigstes Utensil neben den Laufschuhen ist sein Mobiltelefon, das täglich viele Einsatzstunden zu verzeichnen hat: in seinem Büro, in seinem Auto (jenem Mercedes, den er
1993 bei seinem ersten Weltmeistertitel in Stuttgart gewonnen hat) und auch beim Essen. Selbst während des Trainings im Fitness-Center nimmt er Gespräche an, wenn sie für ihn wichtig sind. Dort arbeitet der Weltstar inmitten von Hobbysportlern meist auf dem Ergometer, manchmal auch am Laufband, und regelmäßig mit diversen Kräftigungsübungen an seiner Form.
Volksheld, der verändern will
Als wohlhabender Mann in einem Land, das im Human Development Index der UNO auf Rang 157 unter 169 gewerteten Ländern geführt wird, nimmt er soziale Verantwortung wahr. Dabei geht es nicht um Charity Aktionen, in denen er beispielsweise Schuhe oder Trikots zur Versteigerung weitergeben würde. Hailes Beitrag zur Veränderung und Hilfe in Äthiopien sind zwei von ihm in Assela, seinem Heimatort, und in Bahir Dar gegründete und betriebene Schulen. „Bildung ist der wichtigste Schlüssel, um etwas gegen die Armut zu unternehmen und das Land zu verändern. Meine Philosophie ist: ‚Helfen, bevor jemand kein Heim mehr hat.’ Denn ab dann ist es unendlich schwierig, ihn wieder zurückzuholen.“
Hailes Status als Volksheld in Äthiopien - die Menschen laufen zusammen, sobald sie ihn erspähen, winken ihm zu, wollen mit ihm sprechen und sich gemeinsam fotografieren lassen – dieser Status hat auch viel mit seinem sozialen Engagement zu tun.