Grundla-GÄHN-ausdauer? Will jeder haben, aber kaum wer trainieren. Wie du die Freude am Schneckentempo findest und wie du daraus das Beste herausholst.
Ist das schon Laufen oder noch Gehen? Gedanken, die einem auf der ersten Laufrunde nach einer Leistungsdiagnostik kommen. Die hat schonungslos festgestellt, dass es mehr Grundlagenausdauer braucht und für die wiederum muss man langsam, also laaaaaangsam laufen. „Im Bereich von 70 bis 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz“, sagt Sportwissenschafter Stefan Arvay. Wissen wir ja prinzipiell, ist halt aber schon sehr anstrengend – mental, nicht körperlich. Man hat das Gefühl, als würde man sich selbst auf die Füße steigen. „In diesem Bereich lernt der Körper optimal, sich die Energie aus dem Fett und nicht aus den Kohlenhydraten zu holen.“ Das hilft dem Sportler bei Wettbewerben länger durchzuhalten ohne tempomäßig einzubrechen. Dem Freizeitsportler ohne Rennambition bringt es Abnehmeffekt und Gesundheit. Es ist also für alle.
Viele schaffen es trotzdem nicht, dieses Training über einen längeren Zeitraum durchzuziehen. Es fehlt ihnen die Ausdauer für die Ausdauer. „Man darf nicht die einzelnen Trainings beachten“, sagt Arvay, sondern müsse einen Zeitraum von mehreren Monaten beobachten. Bis sich ein Effekt einstellt, dauert es im Durchschnitt zwischen sechs und acht Wochen. „Aber Achtung: Du kannst dann nicht automatisch einen 10er schneller laufen. Man merkt es, weil man im moderaten Tempo die gleiche Strecke bei gleicher Herzfrequenz schneller laufen kann.“
Bis dahin aber erst kommen. Nervlich vor allem. Wenn du Fußgänger nur so langsam überholst, wie ein Lkw den anderen auf dem Brenner? Muss dir egal sein. Einen Trick hat Sportmediziner Robert Fritz parat. „Zum Beispiel am Samstag harte Intervalle laufen, dann hast du am Sonntag gar keine Lust schnell zu laufen und machst da das Grundlagentraining.“ Gesagt, getan. Ergebnis: Man läuft tatsächlich lieber langsam, also laaaaangsam. Natürlich muss man sich immer noch zwingen, die Frau mit Kinderwagen NICHT schnell zu überholen, sondern gemächlich und nur eine Spur flotter als sie vorbeizulaufen. Aber dieses Problem lösen die Wiederholungen. Denn nach vier, fünf, sechs Grundlagenläufen stellt sich der Trainingseffekt ein und du läufst bei gleichem Puls schon deutlich schneller.
Wo genau der optimale Herzfrequenzbereich für die Grundlagenausdauer liegt, lässt sich am besten mit einer Leistungsdiagnostik feststellen, bei der die „Laktat Turn Points“ und die aerobe, sowie anaerobe Schwelle ermittelt werden. „Die Fitnesstests auf den verschiedenen Sportuhren bieten aber auch schon einen recht guten Anhaltspunkt“, erklärt Arvay. Vorteil dabei: Du musst dich nicht komplett ausbelasten wie bei einer Diagnostik. Auch die Herzfrequenz-Regel liefert einen brauchbaren „Daumen mal Pi“-Wert. Kannst du auf der Laufrunde noch ganze Sätze mit deinem Partner sprechen und fühlt es sich ganz locker an, stimmt die Richtung auch.
Es gibt aber auch Leute, die ihre Grundlagenausdauer gar nicht mit dem Laufen trainieren können, weil sie so langsam laufen müssten, um im Pulsbereich zu bleiben, dass der Effekt verpufft. „Mit denen mach ich zuerst schnellere Einheiten, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern.“ Sind Muskeln, Bänder und Gelenke dann fit für ein schnelleres Tempo, „darennt“ der Körper also eine gewisse Pace, geht es an die Grundlage.
Das Tolle am Grundlagenausdauertraining: Es ist egal, in welcher Sportart man es ausübt. Also musst du nicht laufen. „Man kann Radfahren, eine Skitour gehen, Nordic Walken – den Effekt holst du dir auch so.“ Das bringt Abwechslung ins Training und reduziert die Gefahr, es aus Langeweile wieder bleiben zu lassen. „Außerdem stoßen Läufer irgendwann an ihre Grenzen, wo es für die Muskulatur in den Bewegungsapparat zu anstrengend wird. Drei Stunden Laufen sind schon ziemlich viel. Beim Radfahren ist die Belastung für den Körper wesentlich geringer.“ Merkst du was? Die Ausreden brechen weg.
Verbessern kann man den Trainingseffekt auch mit der richtigen Ernährung. „Das ist ein wichtiges Zusammenspiel“, weiß Arvay. Vor einer GLA-Einheit sollte man auf Kohlenhydrate weitgehend verzichten. „Drei Stunden vorher also keine Nudeln, Bananen oder Riegel essen, sondern Eiweiß zu sich nehmen.“ Sonst zapft der Körper wieder die schneller verfügbare Energie aus Kohlenhydraten an und der Trainingseffekt für den Fettstoffwechsel setzt später ein. Optimal wäre ein Nüchtern-Training. „Da reichen dann schon 30, 40 Minuten, um dem Körper wieder neue Reize zu geben.“ Wichtig dabei: langsam steigern. Mit der Zeit lässt sich das auf zwei, zweieinhalb Stunden ausdehnen. Diese Art ist auch ein guter Indikator für die richtige Intensität. Wenn du ohne Hungerast heimkommst und nicht das Gefühl hast, durch die Eingangstür hineinzufallen, hat die Intensität sehr wahrscheinlich gestimmt.
Nach sieben, acht, neun Wochen stellt sich – zumindest beim Autor – noch etwas ein: die Freude am langsamen Laufen. Natur genießen, ohne Hunger, ohne Durst, ohne Schmerzen auch nach zweieinhalb Stunden – herrlich. Tricks zur Überwindung an das – schon nicht mehr ganz so langsame – Tempo braucht es gar nicht mehr. Die sanfte Bewegung und der Genuss wecken sogar die Freude daran. Sowie der Gedanke, dass du mit weniger Aufwand am Ende mehr erreichst.