Freeriden ist - nicht nur in Österreich - beliebter denn je. Immer mehr Wintersportler schnallen sich die breiten Tiefschneelatten an und suchen im unverspurten Backcountry ihre skifahrerische Erfüllung. Freeride-Weltenbummler Bastian Bäumer weiß genau, was bei der Suche nach Topspots zu beachten ist – und worauf er selbst abfährt.


Freeriden – eine junge, begeisternde Sportart. Die aber, wenn man ehrlich ist, gar nicht so jung ist. Schon lange bevor die ersten präparierten Pisten entstanden, wurde Ski gefahren. Und zwar dort, was heute trendig als Backcountry bezeichnet wird ...
Freeriden ist also weniger ein neuer Trend, sondern eher die moderne Interpretation der ursprünglichsten Art des Skifahrens. Eine Interpretation, die viel Spielraum lässt und damit zu einem sehr persönlichen Sport wird. Und so vielschichtig unsere Art des Freeridens somit ist, genauso
individuell werden wir unsere liebsten Freeride-Destinationen auswählen.

WO SIND DIE TOPSPOTS
Alle Freeride-Topspots der Alpen aufzuzählen, grenzt an ein Ding der Unmöglichkeit, schon allein, da es kein objektives Maß gibt. Nicht die schlichte Anzahl der Hänge, nicht die Steilheit, nicht die Quadratmeter des Areals und nicht die Kapazitäten der Lifte sind entscheidende Faktoren für uns Freerider. Jedoch gibt es Argumente, die in verschiedener Gewichtung für Anfänger und Profis eine Rolle spielen und die letztlich dazu beitragen, ob man einen Spot als freeridegeeignet sieht oder nicht. Besonders den Einsteigern versuchen sich die Skigebiete mit verschiedenen Ideen und Aktionen anzunehmen: Kurse werden angeboten, Informationstafeln mit nötigen Sicherheitsinformationen errichtet, Freeride-Areale in unterschiedliche Schwierigkeitsstufen gegliedert.

Video: Bastian Bäumer beim Freeriden


ERKENNEN DER GEFAHREN

Aber so verlockend weit mancherorts die Tür zum Backcountry auch offen steht: Jedem – egal, ob Profi oder Beginner – muss auf der Suche nach der optimalen Line stets bewusst sein, dass die alpinen Gefahren, die abseits der gesicherten Pisten lauern, in jede unserer Entscheidungen am Berg mit einbezogen werden müssen: Kann ich einen Hang bei der gegenwärtigen Lawinensituation befahren? Gibt es Felsabbrüche, die einen Bereich zur „No-Fall-Zone“ werden lassen? Besitze ich (wie alle in meiner Gruppe!) die nötige Notfallausrüstung – und weiß auch damit umzugehen? Dies sind nur ein paar der zentralen Fragen, denen wir Freerider uns beim Schritt ins Gelände stellen müssen. In vielen Regionen werden Grundlagenkurse externer Veranstalter angeboten. Aber auch die Destinationen selbst setzen sich für die Aufklärung bei alpinen Gefahren ein. Nur ein Beispiel von vielen: Die Region Ramsau am Dachstein führt ganz neu den „Tiefschnee-Pass“ ein! In Tageskursen werden potenziellen Freeridern alle nötigen Grundlagen vermittelt – von der Beurteilung der Lawinengefahr über den Umgang mit der Lawinen-Notfallausrüstung (LVS, Schaufel, Sonde) bis zur Ersten Hilfe am Berg.
Für diejenigen, die nicht gleich so komprimiert die kompletten Grundlagen erlernen wollen, bieten sich geführte Touren durch ausgebildete Guides an. In Hochfügen etwa können ab Januar im Rahmen der kostenlosen Guiding-Aktion „Ski- Friends“ Interessierte jeden Samstag ohne Vorkenntnisse ins Freeriden hineinschnuppern. Am Mölltaler Gletscher wiederum wird die längste Freeride-Route der Ostalpen einmal wöchentlich als geführte Tour angeboten. Und das sind nur zwei von vielen Einstiegsmöglichkeiten.

EINSTEIGER-INFORMATIONEN
Hat man sich die nötigen Grundkenntnisse für das Verhalten abseits der Pisten angeeignet, erleichtern Gebiete, die sich speziell auf die Freerider eingestellt haben, den Schritt ins Gelände durch Informationstafeln und ausgeschriebene Freeride-Areale. Speziell für Einsteiger, die noch keine Erfahrung im Einschätzen des Geländes haben, ist das eine große Hilfe, denn hier wird nicht nur über Lawinenwarnstufe und Wetter informiert – freerideaffine Destinationen wie Heiligenblut, Hochfügen, Sportgastein etc. beschreiben mit verschiedenen Schwierigkeitsstufen die Varianten, die im Gelände des Gebietes existieren. Die beiden letztgenannten gehören auch zu den Gebieten Österreichs, die sogar ein elektronisch gesteuertes Übungsfeld für die Lawinen-Verschütteten-Suche anbieten. Schließlich können im Notfall Sekunden entscheidend sein, sodass ein regelmäßiges Training der Abläufe für jeden Freerider Sinn hat.

WAS DEN TOPSPOT AUSMACHT
Aber ist das alles, was einen Freeride-Topspot ausmacht? Informationen, Trainingsmöglichkeiten und Kurs-Angebot? Je länger man in diesem Sport verwurzelt ist, desto gewichtiger wird der Teil „Free“ aus dem Begriff. Frei von Zwängen, frei in der Linienwahl. Frei und voller Entdeckungsdrang. Die Lage des Gebietes, die Vielfältigkeit der Hänge wird entscheidend und natürlich die zu erwartenden Schneemengen im Winter: Wo sind sie, die berühmten „Schneelöcher“ der Alpen?
„Free“ heißt vielleicht auch frei vom Massentourismus. Für meinen Teil muss mein Allerwertester nicht von der Heizung unter dem lederüberzogenen Luxus-Sessellift gewärmt und in Höchstgeschwindigkeit an den Start der Piste verfrachtet werden. Lieber sauge ich den Winter mit all meinen Sinnen auf und habe auf einem urigen 2er-Sessel noch genügend Zeit, mir genussvoll die Vielfalt der Winterlandschaft anzusehen.

DIE MISCHUNG MACHT'S
Aber Freerider sind auch keine Kostverächter und Spaßverweigerer. Die Kombi macht’s perfekt: Das mondäne Alpendorf Bad Gastein etwa avanciert immer mehr zum Freeride- Dreh- und Angelpunkt im Salzburger Land. Dazu tragen auch die Szenetreffs des stark skandinavisch geprägten Kneipenviertels oder Hotels wie das Miramonte bei, wo sich die Atmosphäre mit Livebands und mit Skifilmen auf Großbildleinwand auch den Freeride-Klientel anpasst. Dazu ist Sportgastein eines der angesprochenen Schneelöcher Österreichs: verspieltes Gelände in direkter Liftnähe, Waldabfahrten für die Schlechtwettertage und massive, steile Nordflanken majestätischer Gipfel. Ein wahres Big-Mountain-Paradies.
Aber nicht die Größe entscheidet – es ist der Variantenreichtum eines Geländes, der uns Freerider anzieht. Wie ihn zum Beispiel auch Kappl im Paznaun bietet. Nicht umsonst wurde 2014 der Freeride Wold Tour Stopp Österreichs in das kleine Familienskigebiet verlegt. Denn auch Kappl ist eines der „Schneelöcher“ und hat selbst in schneearmen Wintern noch häufig eine gute Grundlage. Was zu einem abschließenden, wenn auch etwas trivialen Tipp führt: Destinationen, die Freeride-Wettkämpfe austragen, sind meist auch als Freeride-Spot durchaus geeignet …

VIELSEITIGKEIT IST GEFRAGT
Wenn mich ganz persönlich wer fragt: Für mich ist Hochfügen in Tirol einer der absoluten Freeride-Topspots, gekrönt von den Lines am berühmten Osthang. Hier wird Freeriden gelebt – für jede Könnerstufe, mit Angeboten von Einsteigerkursen bis hin zu einem der größten heimischen Freeride Contests, dem 4-Sterne-Qualifier der Freeride World Tour. Vielseitigkeit kann ein entscheidender Punkt bei der Suche nach Topspots sein, besonders wenn man in einer Gruppe unterwegs ist, die sich aus Anfängern und erfahrenen Freeridern zusammensetzt. Aber was auch immer wir versuchen, bei der Topspot-Wahl als Pro oder Kontra heranzuziehen – letztlich entscheidet doch das Bauchgefühl, ob und wo wir uns wohlfühlen. Und das ist gerade beim Freeriden häufig die Region, in der wir uns am besten auskennen. Also der eigene Homespot. Geht also raus und entdeckt euren ganz persönlichen Freeride-Hotspot!


Freerider und Journalist Bastian BäumerDER FREERIDER
Bastian Bäumer (31) ist freier Journalist, lebt in Bad Häring (Tirol) und hat als begeisterter Freerider (und Ex-Wettkämpfer) auf der Suche nach den besten Freeride-Topspots die halbe Welt bereist.

Weitere Infos findest du auf www.bastian-baeumer.com


SCHAU REIN: TIEFSCHNEEKURSE


BASTIANS FREERIDE-TOPSPOTS


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