Thorsten Schmitz (46), Geschäftsführer von Intersport Austria, hat vor elf Jahren Downhillmountainbiken als seine Leidenschaft entdeckt. Ziel: das Regenbogentrikot des Weltmeisters.
von Alfred Brunner und Christof Domenig
Thorsten, wie wurdest du sportlich sozialisiert?
Wo ich herkomme, nahe der holländischen Grenze, gibt es keine Berge. Aber ich habe das große Glück, die Leidenschaft in meinem Leben gefunden zu haben – die nennt sich Fahrrad. Der Engländer sagt Life behind bars, ich finde das schön, diese Zweideutigkeit. Wenn ich einen Lenker vor mir in meinen Händen habe, ist die Welt völlig in Ordnung. Mein erstes Mountainbike war damals noch eine stolze Marke: Muddy Fox, eine englische Kultschmiede.
Bist du damit für dich gefahren oder schon Rennen?
Ich habe einmal an einem XC-Rennen teilgenommen – aber das war völlig fad. Ich war schon ein Fan von Hansjörg Rey, da haben wir, ich und ein Kumpel, begonnen, mit dem XC-Rad und Klickpedalen rumzuspringen. Ohne Berge muss man Trialer werden. Außer Videokassetten von Hans Rey hatten wir nichts, so haben wir uns mithilfe der Videos das Trialfahren selbst beigebracht.
In welchem Alter war das?
Mit 12, 13. Bis 18 habe ich Bike-Trial-Wettkämpfe bestritten. Beruflich hat es mich dann stetig weiter in den Süden in die Berge gezogen und da war die Idee: Jetzt könntest du dir mal wieder ein normales Mountainbike beschaffen. Meinen ersten Slopestyler, Hardtail, mit dem bin ich durch die Wälder gefetzt.
Dein erstes Downhillrennen hast du mit 35 bestritten. Wie kam es dazu?
Irgendwann hab ich mir einen hinten gefederten Slopestyler gekauft, mit dem bin ich mein allererstes Rennen gefahren. Die bayerische Downhillmeisterschaft in Osternohe bei Nürnberg. Das war eine brutale Schlammschlacht. Mein Slopestyler mit Schutzblechen war komplett zu vom Schlamm, ich hab das Bike über die Ziellinie getragen, weil nichts mehr gerollt ist. Es gibt so Rennen, wo du dir denkst: nie mehr. Dann ist das Fahrrad sauber, du sitzt im Auto und denkst dir: Wie geil ist das eigentlich. Das ist diese Emotionalität, die mich völlig gepackt hat.
Wie ging es weiter?
Ich hab mich bei den damaligen Wheels of Speed in Willingen angemeldet. Die Strecke war wild. Nur Megasprünge, dicke Gaps, Wurzeln. Du kommst als Trialfahrer hin und das ist, offen gesagt, die größte Herausforderung, wenn du mit 35 mit Downhill anfängst: Speed und Springen. Ich hab mir jeden einzelnen Sprung erarbeitet. Immer wieder hochgeschoben, irgendwie drüber. Das war für mich ein Wochenende, so eine Wachstumskurve, wo ich mir sagte: jetzt erst recht.
Hattest du in Sachen Fahrtechnik Ratgeber, Helfer?
In Willingen habe ich einen aktiven Downhiller aus Paderborn kennengelernt, mit dem ich heute noch gemeinsam Rennen bestreite. Er ist damals schon Europacup gefahren. Und dann, 2016, hab ich Markus Pekoll gestalkt ...
„Gestalkt“?
Es war in Kranjska Gora und hat in Strömen geschüttet. Markus Pekoll war auch da und ich hab ihn über seine Webseite kontaktiert und um ein paar Tipps gebeten. Es kam nix zurück. Dann hab ich mich bei einem Fancamp von ihm angemeldet und als dort die Frage aufkam, warum jeder hier ist, sagte ich: Weil du Sack nicht auf deine E-Mails antwortest. Er wusste gleich Bescheid. Seitdem sind wir befreundet. Wenn du in das Umfeld kommst, lernst du auch einen Andreas Kolb oder David Trummer kennen. Und wenn du mit denen fährst, fluchst du erst, versuchst dranzubleiben, o.k., dranbleiben geht nicht. Aber du machst wieder eine Evolutionsstufe durch. Und dann war da noch der Schuster Max ...
Schuster Max?
Vom Attersee. Am Feuerkogel in Oberösterreich gibt es eine Downhillstrecke, 5,8 Kilometer, und ich habe mich beim ersten Versuch runtergequält. Am Lift stand der Schuster Max, damals 57, jetzt ist er 65. Ich dachte, ich muss dem irgendwie erklären, dass er da nicht fahren kann. Wir sind hochgefahren, er sagte, er kennt sich hier ein bisschen aus – super, dann kannst du vorfahren, finde ich den Weg besser. Oben klickt er ein und ist weg! Am Ende gab er mir seine Kontaktdaten via Facebook, sein Titelbild: im Regenbogenjersey! Max ist jetzt mittlerweile zum dritten Mal Weltmeister. Das andere Ende und der Beweis: Es ist nie zu spät.
Mit Pekoll, Kolb und Trummer hast du die Top 3 in Österreich im Umfeld ...
Genau. Das ist massiv! Du merkst, was bei dir nach vorne geht, wenn du mit diesen Herren fahren darfst. Üblicherweise ist die Lebenskurve eine Gauß’sche Kurve. Mein Downhill-Leben ist, durch den späten Beginn, eine stetig steigende Gerade. Mein Lebensziel ist, das klingt verrückt: Aber ich werde auch noch so ein Regenbogenjersey haben. Letztes Jahr war ich mit dem Schuster Max bei der Masters-WM in Argentinien. Ich bin jetzt in der Klasse 45 bis 49, da spielt die Zeit für mich. Max ist letztes Jahr mit 65 zum dritten Mal Weltmeister geworden.
Es gibt so Rennen, wo du dir denkst: nie mehr. Dann ist das Rad sauber, du sitzt im Auto und denkst dir: Wie geil ist das eigentlich.
Wie trainierst du für dieses Ziel?
Es kommt jetzt raus, dass ich einen kleinen Tick hab – aber wer hat den nicht? Ich steh täglich um 4.40 Uhr auf – die Quersumme ist 8 und das ist meine Glückszahl. Dann hab ich ein fix durchgetaktetes Programm, bis um 7, wenn ich aus dem Haus gehe. Eine Stunde Training, wechselnd Oberkörper, Unterkörper, oft High-Intensity. Für die Stabilität, die es beim Fahren braucht. Oder Yoga – Beweglichkeit wird stark unterschätzt. Dann etwas zum Runterkommen wie eine Atem-Meditation, am Ende etwas für den Kopf. Unter der Woche trainiere ich für die Wochenenden am Bike.
Welche Rennen stehen heuer für dich am Programm?
Ich möchte die Austrian Gravity Series AGS fahren, da habe ich gemerkt, dass ich da jetzt in meiner Altersgruppe wirklich gut mithalten kann, und bin gut motiviert. Es sind auch coole Strecken. Dann den iXS Cup in Maribor und das eine oder andere weitere iXS-Rennen. Der Hauptfokus in dieser Saison liegt auf der EM im August in der Schweiz. Crankworx in Innsbruck werde ich wahrscheinlich auch fahren. 9, 10 Rennen stehen auf dem Zettel.
Der Tag, an dem du das Regenbogentrikot überstreifen wirst – steht der für dich schon fest?
Der Termin steht noch nicht fest, aber der Weg dorthin. Heuer ist die WM in Australien, da kann ich leider nicht, aber dann kommt noch einmal Australien, dann zweimal Chile. Das Gute: Bei Europacups ist alles über 35 eine Klasse. Bei einer WM werden jeweils fünf Jahrgänge zu einer Klasse zusammengefasst. Ich habe die Reise zum Regenbogenjersey und auch den Tagesablauf von diesem Tag im Kopf. Ich weigere mich zu sagen, es ist dieses Jahr, oder nächstes Jahr, weil einfach so viele Faktoren dazukommen. Ich kann halt auch nicht wie ein Profi trainieren bei meinem Arbeitsprogramm dazwischen. Aber wenn ich es bis 50 schaffe, wäre es ein Highlight.