Immer mehr Sport- und Outdoormarken haben einen ökologischen, nachhaltigen Pfad eingeschlagen. Aber was heißt das konkret? Ein Streifzug durch eine sich wandelnde Branche – und was wir selbst tun können.
Christian Schneidermeier, CEO von Ortovox, bringt die Problematik auf den Punkt: „Die Wurzeln von Ortovox sind in einer Wintersportmarke. Würden wir uns nicht für unser Klima, für die Berge einsetzen, würden wir uns unsere eigene Existenzgrundlage nehmen. Aber denken wir über das Unternehmen hinaus: Es betrifft uns alle, alle Menschen dieser Welt.“
„ProtACT 2024“ nennt Ortovox seine Nachhaltigkeits-Strategie und will mithilfe dieser in 1,5 Jahren als Unternehmen Klimaneutralität erreichen. Katrin Bauer, Head of CSR (Corporate Social Responsability) bei Ortovox, sagt zugleich: „Klimaneutralität ist eines von sechs definierten Zielen – wir sehen dieses nicht getrennt von den anderen. Wer anfängt, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen, merkt schnell: Alles hängt zusammen.“ Die fünf weiteren Ziele in der Ortovox-Strategie: Verwendung von 100 % nach dem „Ortovox Wool-Promise“ zertifizierter Wolle; Erhalt des Leader-Status der „Fair Wear Foundation“; 60 % Produktion in Europa; ein 100 % PFC-freies Sortiment; Langlebigkeit und Reparierbarkeit der Produkte.
Die Frage, was denn der (von manchen schon als inhaltsleer und inflationär gebraucht empfundene) Begriff „nachhaltig“ konkret bedeute, taucht immer wieder auf. Die von Ortovox gegebene Antwort lässt sich gut in die gesamte Sport- und Outdoorindustrie übersetzen und auf wichtige Kernpunkte herunterbrechen, die aber allesamt nicht unabhängig voneinander zu betrachten, sondern miteinander verwoben sind: eben das Vermeiden und reduzieren von klimaschädlichen Emissionen, größtmögliche Ressourcenschonung bei den Rohstoffen, regionale Produktion mit kurzen Transportwegen oder das Herstellen von Produkten, die möglichst lange eingesetzt – und am Ende ihres Produktlebens möglichst vollständig recycelt werden können. Es geht aber auch um Sozialstandards und Tierwohl sowie um das Vermeiden von Stoffen und Chemikalien, deren gesundheitsschädliches Potenzial lange nicht bekannt war oder ignoriert wurde.
Klimaneutralität – dass also die CO2-Bilanzsumme des Unternehmens am Ende bei null steht: Diesen Status hat ein Nachhaltigkeitspionier der Sportbranche, Vaude, bereits seit Beginn des Jahres mit all seinen Produkten weltweit erreicht. Wobei nicht nur der Status „klimaneutral“ selbst, sondern der Weg dorthin entscheidend ist, wie man bei Ortovox wie bei Vaude betont: Bekanntlich geht es ums Vermeiden – Reduzieren – Kompensieren von Emissionen, in dieser Reihenfolge. „Wir reduzieren so viel wie nur irgendwie möglich und zugleich kompensieren wir. Klimaneutralität ist ein riesengroßer Schritt, aber wir ruhen uns darauf nicht aus, sondern reduzieren weiter radikal“, so Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz. Als nächsten großen Schritt will Vaude bis 2024 einen Großteil seiner Produkte aus biobasierten oder recycelten Materialien herstellen.
Als Antje von Dewitz 2009 die Geschäftsleitung bei Vaude von ihrem Vater übernahm, richtete sie bald die gesamte Energie auf das Thema Nachhaltigkeit. Ihre persönliche Unternehmensphilosophie hat von Dewitz in ihrem Buch „Mut steht uns gut!“ vor rund zwei Jahren beschrieben. Unternehmen sollten demnach als Teil einer funktionierenden Gesellschaft nicht primär dem Gewinn, sondern dem Gemeinwohl verpflichtet sein. „Das zeigt sich auch in der sozialen Verantwortung als Arbeitgeber – nicht nur für über 550 Beschäftigte im Hauptsitz am Bodensee, sondern ebenso für weltweit über 50 Zulieferer, die im Auftrag von Vaude produzieren“, sagt Benedikt Tröster von Vaude. Seit mehr als 5 Jahren belegt Vaude den Leader-Status bei der NGO Fair Wear Foundation: „Unsere soziale Verantwortung verstehen wir als globale Aufgabe. Transparenz, Fairness und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Lieferanten sind die Basis für eine faire Ausgestaltung der globalen Lieferketten. Nur so können wir langfristig und nachhaltig erfolgreich sein“, so Tröster.
Regionale Produktionen
In der Heimat zu produzieren, dafür entschied man sich schon vor Jahrzehnten beim in Ried im Innkreis ansässigen Unternehmen Löffler. 99 Prozent der Produktion finden heute in Österreich und Europa statt (ein kleiner Teil in Bulgarien), 70 Prozent der Stoffe, aus denen die Löffler-Textilien hergestellt werden, werden ebenfalls in Ried produziert. Man lege auch Wert auf faire Entlohnung der zu 80 Prozent weiblichen Belegschaft. Eine Kapuzenjacke, die sich in Bangladesch bei gleichen Materialkosten um € 54,20 herstellen ließe, kommt in Ried auf € 116 Euro.
Auf hohe Anteile regionaler Produktion setzt beispielsweise auch der italienische Skischuhhersteller Dalbello: „Als einziger großer Skischuhhersteller produzieren wir jeden unserer Schuhe in der eigenen Fabrik in Asolo“, so Stefan Bieringer von Dalbello. Die für den Skischuhbau verwendeten Rohstoffe stammen zu 50 % aus der Region, zu 100 % aus Europa. Zur Ressourcenschonung gehört es, Materialreste aus der Produktion für die Herstellung neuer Skischuhe zu verwenden, „immerhin 20 Prozent eines Skischuhs bestehen daraus.“ Bieringer verweist zudem auf die eben auf den Markt kommenden Kinderskischuhe „Green Manace“ und „Green Gaia“: Sie bestehen fast ausschließlich aus recycelten Materialien und lassen sich auch wieder vollständig recyceln.
Größtes Potenzial in einer Kreislaufwirtschaft
Bei Rossignol in Frankreich hat man sich ebenso Gedanken über die Recyclingfähigkeit von einem Produkt gemacht, wo eine solche bisher kaum gegeben war – bei Skiern nämlich. Rossignol bringt im kommenden Winter den zu über 75 % recyelbaren „Essential“-Ski auf den Markt. Ein herkömmlicher Ski sei derzeit nur zu rund 10 % recycelbar, heißt es von Rossignol.
In der Kreislaufwirtschaft erkennt man bei der Oberalp-Gruppe (Salewa, Dynafit, Wild Country, LaMunt, Pomoca und Evolv) das größte Potenzial. In seinem aktuellen Nachhaltigkeitsreport 2021 lässt das Bozener Unternehmen 60 seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Wort kommen – denn „ein Unternehmen kann nur verantwortungsvoll handeln, wenn alle bei sich selbst, im eigenen Aufgabenbereich damit beginnen“, so Alexandra Letts, Sustainability-Managerin bei der Oberalp-Gruppe. Was die Produkte betrifft, habe man 2021 etwa stark auf unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten vorteilhafte Textilmaterialien gesetzt – wie besonders schnell nachwachsenden Hanf oder die regional produzierte Schafwolle. In die Praxis umgesetzt habe man 2021 auch das Ziel einer möglichst langen Lebensdauer seiner Produkte.
Viele Beispiele ließen sich noch anfügen. Wie jedoch können wir als Sportler und Konsumenten den nachhaltigen Weg gehen? Ein Schlüssel: informieren. Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen sind meist auch für Endverbraucher verständlich aufgebaut, sie zeigen Bestrebungen, Ziele, aber auch Potenziale der einzelnen Unternehmen auf. Wir können uns für Produkte, die auf Langlebigkeit und Reparierbarkeit ausgelegt sind, entscheiden; solche wählen, die (wie etwa Vaude empfiehlt) zeitlos designt sind statt Modetrends unterworfen. Wir können und sollten unsere Ausrüstung pflegen und Reparaturdienste, die von etlichen Unternehmen mittlerweile angeboten werden, annehmen.
Und wir können unser Verhalten in vielen anderen Bereichen hinterfragen. Ortovox hat mit seiner „ProtACT Academy Lab“ soeben eine interaktive Wissensplattform für verantwortungsvollen Bergsport geschaffen. Mit umfassendem Inhalt, von der Mobilität (die den mit Abstand größten Fußabdruck hinterlässt) bis hin zum bewussten Sich-Ausrüsten, spannend und ohne erhobenen Zeigefinger aufbereitet (auf www.ortovox.com/de/protact-academy-lab). Sich Anregungen zu holen lohnt sich – denn wie für die Unternehmen gilt für jeden: Wer sich einmal in einem Bereich daranmacht, seinen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern, entdeckt immer weitere Verbesserungspotenziale.