Ein Schwerpunkt unseres SPORTaktiv-Skitourenguides liegt stets beim Equipment. Und weil im letzten Winter viele neu zur Sportart gefunden haben, richten wir – mit unseren Partnern vom Sporthandel – hier den Fokus bewusst aufs Basiswissen bei Ski, Schuh und Co.
Den Skitourenboom des letzten Winters hat man in der Natur beobachten können. Aber auch im Sporthandel wurde er registriert. „Skitourenmaterial war extrem gefragt, quer durch alle Zielgruppen. Vom Einsteiger bis zum langjährigen Tourengeher“, bestätigt Patrick Paier, Skitouren-Experte in der Grazer Gigasport-Zentrale. Ähnliches kann Michael Schobersteiner berichten, der bei Hervis in Saalfelden quasi mittendrin im herrlichsten Tourengebiet lebt und arbeitet. Und auch wenn die Vorjahres-Einschränkungen beim alpinen Skifahren im kommenden Winter 21/22 hoffentlich kein Thema mehr sein werden: Der Tourenboom wird bleiben. „Ganz sicher werden heuer auch wieder viele anfangen. Und es wird auch schon der eine oder andere Vorjahres-Einsteiger bei der Ausrüstung nachjustieren“, ist Schobersteiner überzeugt.
Im Vergleich zum Pistenskifahren haben die Toureneinsteiger aber einen Nachteil: Leihausrüstung ist nicht so einfach zu bekommen. Um aber auch den Neueinsteigern erst einmal die Möglichkeit zu geben, die Sportart auszuprobieren, ehe sie die erste eigene Ausrüstung anschaffen, haben sich unsere Vertriebspartner aus dem Sporthandel einiges einfallen lassen.
Konkret hat Gigasport in seinen Filialen ein „Test & Buy“-Leihsystem fürs Skitourenequipment etabliert. Heißt: Man sucht sich die Ausrüstung im Shop aus und kann sie bis zu drei Tage testen, ehe man sich zum Kauf entscheidet. Oder eben zur Rückgabe und nur eine Leihgebühr bezahlt. „Sehr viele sind dabeigeblieben und haben das Material gekauft“, weiß Patrick Paier.
Bei Hervis wiederum gab es – und gibt es auch heuer wieder – die Aktion „Hervis Tourenskiwinter“. Diese hauptsächlich in der Nähe der Städte angesiedelten Skitouren-Testevents mit Partnern wie Atomic und La Sportiva sind perfekt für Neueinsteiger, erklärt Michael Schobersteiner. Man kann dort alles für die Premierentour Benötigte nicht nur leihen und ausprobieren, sondern in Begleitung von Bergführern die ersten Schritte ins Gelände machen, sich die Handhabung sowie Technikkniffe wie die Spitzkehrentechnik zeigen lassen. Und wenn man Gefallen findet, kann man die getestete Ausrüstung gleich kaufen. Detailinfos und kommende Termine: www.hervistourenskiwinter.at.
Und wenn man sich eine Ausrüstung zulegt? Wie man dabei vorgeht, und worauf man achten soll, das wollen wir mit den Experten Patrick Paier und Michael Schobersteiner hier zeigen.
Die Tourenskischuhe
Der erste Gedanke wird bei den meisten den Skiern gelten. Aber die Suche nach dem passenden Skitouren-Materialpaket beginnt bei den Schuhen. Und da kommt es vor allem auf eines an, erklären beide Experten: auf die korrekte Passform. Füße sind unterschiedlich und daher passt nicht jeder Schuh auf jeden Fuß. Ein gut passender Skischuh ist beim Skitourengehen aber essenziell – so sehr, dass wir der Frage eine eigene Story in diesem Guide gewidmet haben (ab Seite 66). Hier nur so viel dazu: Für die Suche nach dem Schuh etwas Zeit mitbringen, die Möglichkeit von Fußanalysen unbedingt in Anspruch nehmen – und sich von Marken-Präferenzen und anderen „Gefallens“-Motiven lösen.
Noch vor der Schuhwahl kommt freilich die „Anamnese“: Da geht es grob vereinfacht darum, ob man aufstiegsorientiert ist, das Abfahren bevorzugt oder beides auf der Skitour als gleich wichtig erachtet. Skitourenschuhe gibt es in einer entsprechenden Bandbreite, von leicht und aufstiegsorientiert über die Allround-Klasse bis hin zum freerideorientierten Schuh, wo die Kraftübertragung im Mittelpunkt steht. Ein Einsteiger ohne viel Erfahrung wird vermutlich im „Allround“-Segment am besten aufgehoben sein.
Leichtes Gewicht ist natürlich beim Schuh wie beim gesamten Skitourenmaterial ein Thema, sollte aber nicht das alleinige Kriterium sein: Ein Plus an Komfort bringt etwa ganz automatisch etwas mehr Gewicht mit, gibt Giga- sport-Experte Patrick Paier zu bedenken.
Die Tourenski
Auch Tourenski gibt es in der gesamten Bandbreite – wobei „Breite“ wörtlich zu nehmen ist. Die Mittelbreite ist das Maß, anhand dessen sich ein Ski und seine Eigenschaften gut einschätzen lässt. Auch hier werden sich Neulinge in der Mitte orientieren: Bei 85 bis 90 Millimeter Mittelbreite findet man die aktuellen Ski, die sowohl im Aufstieg wie in der Abfahrt gut funktionieren. Je breiter der Ski, desto besser ist er im Gelände zu fahren. Auf einer Skipiste ergibt sich durch die größere Breite dagegen kein Vorteil. Piste? Ja, denn viele kaufen sich ihr Tourenskiset heute hauptsächlich auch für Pistentouren, sagt Hervis-Experte Schobersteiner. Etwas anders die Beobachtung des Gigasport-Experten: Pistentouren fürs Training und erste Versuche – doch die meisten wollten ihr Equipment schon auf richtigen Touren im freien Gelände einsetzen: „Der Trend geht in Richtung etwas mehr Breite, vor allem jüngere orientieren sich eher an 90, 95 Millimetern. 80 Millimeter ist heute schon sportlich und aufstiegsorientiert.“
Verwendete Materialien, die Art der Holzkerne, Carboneinlagen und Co.: Das alles muss gerade Neueinsteiger noch nicht über Gebühr beschäftigen. Extraleichte (und schmale) Ski für Skitourenwettkämpfe und am anderen Ende der Palette breite Freeridelatten: Auch Extreme werden in den ersten Jahren einer Skitourenkarriere nur in Ausnahmefällen in Frage kommen.
Die Bindung
Und alles gilt sinngemäß auch bei den Skitourenbindungen: Die gibt es vom extremen Leichtgewicht für aufstiegsorientierte Sportler über den Allround-Bereich bis hin zu (relativ) schweren Freeride-Bindungen. Grundsätzlich gilt: Je leichter, desto einfacher das Aufsteigen – Gewicht macht sich dafür in einer besseren Kraftübertragung bezahlt.
Eine Gemeinsamkeit haben fast alle heute verkauften Skitourenbindungen, berichten sowohl der Gigasport- wie der Hervis-Experte: Das „Pin“-System, bei dem der Schuh über zwei Zäpfchen („Pins“) im Vorderbacken gehalten wird, hat sich fast vollständig durchgesetzt. „Rahmenbindungen“, die ähnlich wie Alpinbindungen handzuhaben sind und bei denen der vordere und hintere Bindungsteil über einen Rahmen verbunden sind, gibt es nur noch vereinzelt und sind kaum noch gefragt. Neben dem niedrigeren Gewicht ohne bewegte Massen ist vor allem die natürlichere Gehbewegung der Hautptvorteil von Pin-Bindungen, sagt Michael Schobersteiner.
So selbsterklärend wie mit einer Alpinskibindung ist der Umgang mit den Skitourenbindungen jedoch nicht, so braucht etwa das Einsteigen in einem Hang ein wenig Übung. „Im Geschäft kriegt man daher schon eine kleine Einschulung mit“, erklärt Patrick Paier.
Die Steigfelle
Was braucht es noch zur Grundausstattung? Natürlich Steigfelle. „Grundsätzlich kriegt man bei jedem Ski das passende Fell dazu“, sagt Schobersteiner. Es gibt dabei zwar einige Unterschiede – beim Material: 100 Prozent „Mohair“ (das Fell stammt von der Angoraziege) oder ein Mix Mohair mit Synthetikanteil? „Die Mischvarianten sind etwas abriebfester für die Piste, reine Mohairfelle halten im Gelände etwas besser“, erklärt Schobersteiner. Oder auch beim Kleber. Aber das alles muss Einsteiger nicht über Gebühr beschäftigen. „Für sportlichere Tourengeher zahlt es sich schon aus, zu den etwas hochwertigeren zu greifen – etwa wenn man mehrere Male auf einer Tour auf- und abfellen muss. Aber als Anfänger muss man sich nicht übermäßig viele Gedanken dazu machen.“
Der Trend zu Sets
Wer in Prospekten des Sporthandels blättert, stößt beim Tourenskimaterial auf zunehmend mehr Set-Angebote. Als Dreier-Paket „Ski, Bindung, Fell“ – und manchmal ist auch der Schuh mit dabei. „Setverkauf ist für uns genauso ein Thema, die Marktsituation erfordert es“, sagt Patrick Paier für Gigasport. „Wir stellen die Sets selber zusammen – es ist ein Bereich, wo für preissensible Kunden sehr viel drin ist. Der Set-Bereich wird sich aber noch mehr Richtung hochwertiges Material entwickeln“, glaubt Paier. Der generell erwartet, dass das Thema in Zukunft noch vielseitiger wird – etwa mit Pools, aus denen man sein individuelles Set zum Fixpreis zusammenstellt.
Bei Hervis greifen überhaupt die meisten Skitourenkunden zu Sets, sagt Michael Schobersteiner. Dort gibt es immer auch die Möglichkeit, einzelne Teile eines Vierer-Sets „upzugraden“, sich etwa gegen einen Aufpreis eine andere Bindung oder eben einen zum Fuß passenden Schuh dazuzunehmen, was den Basispreis nach oben oder auch unten verändern kann. Gerade für die Erstausstattung ist der Griff zum Set jedenfalls eine gute Option mit Sparpotenzial.