Benjamin Roubiol hat bei der Trailrunning-WM, der WMTRC 2023, in Innsbruck-Stubai in der Königsdisziplin „Trail Long“ alle anderen hinter sich gelassen. Wir baten den 23-jährigen Weltmeister aus dem Team ODLO X-Alp zum Interview.
Radsportfans können die Spannung eines vielstündigen, für Außenstehende monoton erscheinenden Ausdauerbewerbs gut nachvollziehen – Freunde vieler anderer, actionreicherer Sportarten wohl eher nicht. Man musste aber kein Radsportfan sein, um von den Livestreams der Trailrunning-WM (WMTRC 2023) in Innsbruck-Stubai – mit ausdauernden Kameraläufern, Drohnenaufnahmen und tollen Fachkommentatoren wie Markus Kröll – begeistert gewesen zu sein. Ein Moment, der besonders im Gedächtnis blieb: Als Benjamin Roubiol in der Königsdisziplin, dem „Trail Long“, auf dem letzten langen Aufstieg hinauf auf die Nordkette den lange Zeit führenden Südtiroler Andreas Reiterer einholte und stehen ließ. Da waren die Augen gebannt auf den Bildschirm gerichtet und blieben dort haften, bis der Franzose nach 86,9 km, 6500 hm und 9:52:59 Stunden in Innsbruck die Ziellinie überquerte.
Wer ist Benjamin Roubiol, der in der Königsdisziplin der Trailrunning-WM alle hinter sich gelassen hat? 23 Jahre jung, Athlet im Team ODLO X-Alp, in der Nähe von Annecy beheimatet. Er trainiert 20 bis 25 Stunden pro Woche, ist kein Profi, sondern beruflich im Umweltbereich tätig. Im Heimatort seiner Kindheit, Cruet am Fuß des Col du Marocaz, startet der Trail Grand Raid 73, ein traditionsreicher Ultratrailrun, der ihn schon früh fasziniert hat. Und sonst? Lassen wir ihn einfach selbst schildern.
Benjamin, kannst du deinen Werdegang kurz beschreiben? Und ist es eher die Leidenschaft für die Natur oder fürs Laufen, die dich antreibt?
Diese beiden Leidenschaften sind bei mir eng miteinander verbunden. Ursprünglich habe ich Bergsport betrieben, weil ich es mochte, mich in der Natur zu bewegen. Als ich älter wurde, etwa mit 15 Jahren, entwickelte ich ein großes Interesse an Ökologie und dem Wissen über natürliche Lebensräume. Tatsächlich habe ich eine berufliche Laufbahn im Bereich Umweltmanagement und Naturschutz eingeschlagen. Ich liebe auch die Gefühle, die der Sport mir vermittelt, sowohl beim Ausüben als auch beim Zuschauen. Ohne diese beiden Leidenschaften wäre ich nicht die Person, die ich heute bin. Sie sind eine Kraftquelle und ein Ausgleich für mich. Ich habe schon in jungen Jahren an Wettkämpfen teilgenommen und mich 2021 entschieden, in den Hochleistungssport einzusteigen und bin dem Team ODLO X-Alp beigetreten.
Du bist nun mit 23 Jahren Weltmeister im Trail Long, hast auch schon Rennen mit 160 km/10.000 Höhenmeter bestritten. Wie erklärst du deine Stärke in deinem – für diese langen Distanzen – jungen Alter? Und wo siehst du deine Stärken?
Es ist das Ergebnis intensiven Trainings. Ich denke, dass ich mich von anderen Sportlern und Sportlerinnen in meiner mentalen Herangehensweise unterscheide, sei es bei einem Training oder einem wichtigen Rennen. Ich versuche herauszufinden, welche Leistungsfaktoren ich nutzen muss, um möglichst effektiv zu sein. Neben dem Training weiß ich, dass Ruhephasen ebenfalls wichtig sind, um Fortschritte zu erzielen. Aber vor allem ist es die Leidenschaft, die es mir ermöglicht, solche Leistungen zu erbringen. Ich brauche die Motivation meiner Projekte durch Freude und Begeisterung.
In welcher Phase beim WM-Rennen hast du gewusst oder gespürt, dass heute dein Tag wird?
Ich glaube, das ist mir schon in der ersten Stunde des Rennens klar geworden. Ich habe ein paar Minuten gebraucht, um abzuchecken, wie stark ich drauf bin, und um meinen Atemrhythmus zu finden. Und noch ein bisschen mehr, um richtig fokussiert ins Rennen reinzufinden. Und dann bin ich nur noch meinem Gefühl gefolgt und hab mich eins mit der Landschaft gefühlt.
Du bist kein Profi, ändert sich das mit dem WM-Titel?
Hochleistungssport ist eine aufwendige Sache. Man braucht viel Zeit und ist in den Haupttrainingsphasen ständig müde. Ich habe Jahre der Aufbauarbeit hineingesteckt, viel Leidenschaft, aber auch Anstrengung. Ich hoffe schon auf mehr Stabilität in Zukunft. Ein Profileben führen zu können, wäre zweifellos eine tolle Möglichkeit für mich.
Ich liebe die Gefühle, die mir der Sport vermittelt. Beim Ausüben und genauso beim Zuschauen.
Trailrunning genießt in Frankreich einen hohen Stellenwert und mit dem Ultratrail du Mont Blanc (UTMB) ist es so etwas wie ein Sehnsuchtsort für Trailrunner. Wie würdest du den Stellenwert des Sports in deiner Heimat beschreiben?
Das Trailrunning ist in der Tat eine ziemlich neue Sportart, deren Beliebtheit rasant zunimmt. Und ich denke auch, dass Trailrunning auch bei Nicht-Ausübenden gut angesehen wird. Wahrscheinlich spielen die zugrunde liegende Einfachheit und die Verbindung zur Natur dabei eine große Rolle.
Hättest du ein, zwei Tipps für Freizeitsportler, die ins Trailrunning einsteigen möchten?
Nehmt euch genügend Zeit für eure Grundlagen. Es macht im Training einen ziemlichen Unterschied, ob man die Sportart auf Basis von Naturgenuss oder von Leistung und Wettkämpfen ausüben möchte. Ein weiterer Tipp wäre, eure Vorlieben zu erkennen und zu analysieren. Die Basis der Entwicklung sollten Genussläufe sein, damit die richtige Leidenschaft entstehen kann.
Gibt es ein bestimmtes Rennen, das du unbedingt einmal gewinnen möchtest? Und welche nahen und ferneren Ziele hast du dir gesetzt?
Ich möchte gerne prestigeträchtige Rennen gewinnen oder zumindest gute Ergebnisse erzielen. Insbesondere bei Rennen wie dem UTMB oder den Europameisterschaften im Trailrunning nächstes Jahr. Außerdem möchte ich meine Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen weiterentwickeln, zum Beispiel beim Trailmarathon: Schon nächstes Jahr möchte ich meine Saison rund um schnellere und kürzere Rennen aufbauen als bisher.