Wenn die Luft im Bergsport dünner wird, wird der Spielraum für Fehler immer kleiner. Deswegen ist für alle, die hoch hinaus wollen, das Erlernen gewisser Basics unverzichtbar. Wir haben uns eine Bergsteigerausbildung in der Praxis angeschaut.


Wird man an einem verlängerten Wochenende zum Bergsteiger? Nein, natürlich nicht. Aber wer sich für die höheren Aufgaben im Bergsport qualifizieren will und sich dafür niemals richtig ausbilden lässt, wird sein ganzes Leben lang keiner werden. Auch wenn er vielleicht Glück hat und ein paar Touren gesund hinter sich bringt. „Sich auszubildenzulassen ist das erste Gebot für alle, die sich im Hochgebirge bewegen wollen“, sagt Martin Edlinger. Der staatlich geprüfte Bergführer und Referatsleiter Bergsport bei den Naturfreunden Österreich hat exklusiv für uns von SPORTaktiv einen klassischen Hochtourenkurs am Dachsteingletscher nachgestellt, damit wir die Wichtigkeit der Botschaft am eigenen Leib erfahren können.
Denn noch einmal sei es betont: Routine ist in den Bergen viel, aber eben nicht alles. Wer gewisse Basics niemals gehört, gelernt und unter Anleitung am eigenen Körper gespürt hat und trotzdem Hochtouren (wie es in Österreich zum Beispiel die Klassiker auf den Großglockner oder den Großvenediger sind) einfach so, auf eigene Faust, probiert, der betreibt ein ziemlich verantwortungsloses Hasardspiel. Ja, sogar wenn man sich in Begleitung eines Bergführers auf solche Touren aufmacht, ist das trotzdem kein Freibrief, auf die Ausbildung verzichten zu können. Von der Gehtechnik im schwierigen Gelände übers richtige Sichern bis zum Notfallmanagement ist im Hochgebirge von jedem ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Können gefordert.

IN SCHNEE UND EIS
Klassische Bergsteiger- und Hochtourenkurse finden stets am Gletscher statt, erklärt der Bergprofi. „Denn die größte Gefahr am Berg lauert dort, wo man sie nicht sieht, weil sie überschneit ist. Und um Schnee und Eis kommt man im Hochgebirge auch im Sommer nicht herum.“ Gleich der Vollständigkeit halber: Zu einer fundierten Ausbildung als Hochtourengeher gehören auch Kletterbasics unbedingt dazu. Die Kenntnisse hierfür holt man sich entweder extra in einem Kletterkurs – oder aber in einem Kurs, wo das Bewegen und Verhalten in Fels und Eis kombiniert gelehrt wird. Aber solche Kurse dauern eine ganze Woche, wenn sie denn sinnvoll sein sollen.
Aber noch einmal zum Unterschied zwischen sichtbarer (z. B. eine steil abfallende Wand) und unsichtbarer Gefahr am Berg wie z. B. Gletscherspalten: „Beim Anseilen trennt sich die Spreu vom Weizen“, sagt Martin Edlinger, „wer sich auskennt, seilt sich am Gletscher grundsätzlich immer an, auch wenn das Gelände flach und einfach ausschaut. Viel eher können gute Bergsportler bei leichten Fels passagen auf die Seilsicherung verzichten – aber oft genug sieht man leider das umgekehrte Verhalten.“

PASST DIE AUSRÜSTUNG?
Bevor es bei einem Kurs wie dem unseren mit dem Lernen in der Natur losgeht, checkt der Kursleiter die Ausrüstung der Teilnehmer: Es kommt nämlich immer wieder vor, dass selbst bei gewissenhaften Teilnehmern das eine oder andere Teil nicht passt – oft auch aufgrund falscher Kaufberatung: 30-Meter-Seile etwa werden im Handel gern als Teil ganzer „Bergsteiger-Ausrüstungspakete“ verkauft. Wir aber lernen: Dieses Seil ist fürs Hochgebirge ungeeignet – „50 bis 60 Meter Länge sind unbedingt notwendig“.
Unsere praktische Ausbildung beginnt dann mit dem Gehen auf Schnee und Eis. Vieles, was sich zunächst vielleicht banal anhört, ist in Wahrheit schon hier nicht selbstverständlich. Etwa, einen Gehrhythmus im tiefen Schnee zu finden, den man auch über Stunden beibehalten kann, um so Kraft zu sparen. Oder die Körperpostion beim Bergabgehen: Instinktiv lehnt man sich zurück und steigert damit in Wahrheit bloß die Gefahr des Wegrutschens. Auch, wie man sich nach einem Ausrutscher auf einem Schneefeld wieder fängt, muss man in der Praxis an einer sicheren Stelle probieren und trainieren. Im steilen Gelände beschleunigt der außer Kontrolle geratene Körper in Sekundenbruchteilen auf erschreckendes Tempo; es gilt, zum Bremsen schnellstmöglich in die „Liegestützposition“ – auf allen Vieren, Kopf oben und Füße unten – zu kommen.
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ALS SEILSCHAFT UNTERWEGS
Dem Anseilen und Sichern ist natürlich ein wesentlicher Teil jedes Hochtourenkurses gewidmet. Zweier-Seilschaften wie beim Klettern, so lernen wir, sind am Gletscher ziemlich ungünstig. Besser sind größere Seilschaften – wobei sich bis zu acht als praktikabel erwiesen hätten. Und noch ein wesentlicher Unterschied zwischen Fels- und Gletschersicherung: Während im Fels bekanntlich von Fixpunkt zu Fixpunkt geklettert und im Stehen gesichert wird, bewegt sich die Gletscherseilschaft immer gemeinsam und hält dabei „Seildisziplin“ ein. Ausnahme: Wird es wirklich steil, dann wird auch auf Eis und Schnee vom Fixpunkt aus gesichert. Das heißt, dass das Seil in jeder Situation straff gehalten wird. Im Notfall erleichtert es das straffe Seil wesentlich, einen Gestürzten zu halten. Das ist auch Edlingers Erklärung, warum Zweier-Seilschaften problematisch sind: „Im Fall eines Sturzes hängt alles an einem Partner, an dessen Kraft und Reaktionsvermögen.“ Unabhängig von der Größe der Seilschaft gilt in jedem Fall dieses Verhalten: Der Sichernde wirft sich im Ernstfall nach hinten, um nicht ebenfalls kopfüber zu stürzen; und er stemmt die Fersen in den Schnee, um ein Abrutschen zu verhindern oder aufzuhalten. Bei unseren Versuchen wird sofort klar, dass man all das immer wieder üben muss, um im Notfall den richtigen Reflex parat zu haben. Dass im Kurs voller Körpereinsatz gefordert ist, versteht sich von selbst. Die dazwischen immer wieder eingestreuten theoretischen, aber nicht minder wichtigen Inhalte dienen uns daher auch als willkommene Erholungspause. Und nebenbei lernen wir viel Interessantes über Tourenplanung (extrem entscheidend für die Sicherheit!), Orientierung, Gefahrenbeurteilung und mehr.

HÄNDE FREI FÜR DEN NOTRUF
Wenn nun wirklich etwas passiert? Auch dann muss sich jeder Bergsteiger zu helfen wissen. Wie kann ich einen am Seil hängenden, vielleicht verletzten Kameraden bergen? Oder wie schaffe ich es, schnell eine Verankerung für den im Seil Baumelnden zu bauen, um einfach nur die Hände zum Absetzen eines Notrufs frei zu bekommen? Auch hier sind Praxis und Training alles – was Martin Edlinger auch sehr erfahrenen Bergsportlern, die diese Inhalte vielleicht irgendwann gelernt, aber seither nie angewendet haben, ans Herz legen möchte: „Auch fürs Auffrischen der Kenntnisse ist ein Bergsteigerkurs ideal.“Was die SPORTaktiv-Crew vom Blitzkurs mitnahm: In einem „Bergsteigerkurs“ lernt man extrem viel, von dem man als bisheriger Wanderer allenfalls nur eine vage oder gar keine Vorstellung hatte. Vor allem merkt man, welchen Unterschied es macht, etwas theoretisch zu wissen oder es in der Praxis zu trainieren. Auch wenn es viele Schritte auf die wirklich hohen Gipfel sind: Als erster Schritt auf dem Weg nach ganz oben ist der Kursbesuch unverzichtbar!

DIE RICHTIGE AUSRÜSTUNG FÜR BERGSTEIGER
Diese Ausrüstungsteile sind auf Hochtouren unverzichtbar:

  • BEKLEIDUNG: Funktionswäsche, Isolationsschicht (Softshelljacke, Softshellhose), wasserdichte Außenschicht (z. B. Gore-Tex-Jacke, Überhose), Mütze, Handschuhe. Wichtig: Die „Winterausrüstung“ ist auf Hochtouren ganzjährig zumindest im Rucksack dabei.
  • SCHUHE: müssen steigeisenfest sein.
  • RUCKSACK: Größe ca. 40 l, mit Vorrichtung für Pickelbefestigung.
  • SICHERHEITSAUSRÜSTUNG: Klettergurt, Seil (50-60 m, Vollseil empfohlen), Steigeisen mit Antistollplatte, Bergsteigerpickel (mit geradem Schaft, kein „Eisgerät“), Helm; dazu: zwei Schnappkarabiner und vier verschlussgesicherte Karabiner, zwei Bandschlingen, drei Reepschnüre (je einmal 1 m, 3 m, 5 m), 1 Eisschraube.
  • ORIENTIERUNG: Karte und Höhenmesser; optional zusätzlich GPS-Gerät.
  • NOTFALL: Handy, Erste-Hilfe-Paket, Biwaksack, Stirnlampe.
  • SONSTIGES: Sonnenschutz, Gletscherbrille.


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