Valentin „Valle“ Rainer ist Österreichs Bester auf Skiern auf der Freeride Worldtour (FWT). Der Tiroler über sein Leben als Profi, den Weg zum FWT-Gewinn 2023 und Zukunftspläne.
Valle, was hat dich eigentlich zum Freeriden gebracht?
Ich bin durch einen Zufall dazu gekommen. Es war sicher nicht mein Ziel, Profi-Freerider zu werden. Bis ich 16 oder 17 war, bin ich ganz klassisch Skirennen gefahren. Durch eine Verletzung war ich ein Jahr weg und das Rennenfahren war dann auch nicht mehr so meines. Skifahren aber schon noch. Mit meinem Papa habe ich Ausschau gehalten, was es neben Alpinskirennen sonst noch gibt und die Freeride Junior Tour entdeckt. Weil ich eigentlich schon immer gerne und gut im Gelände gefahren bin, habe ich mich für ein Event angemeldet. Seit ich dort mit der Szene Kontakt hatte, bin ich verliebt.
Freeriden wird oft als der „wahre Spirit des Skifahrens“ beschrieben. Was bedeutet dieser Spirit für dich?
Ich finde es für mich viel schöner, wenn man irgendwo im freien Gelände seine Lines hinunterzieht, mit dem Gelände spielt und sich Sprünge raussucht, die gut aussehen und sich gut anfühlen. Wenn es frischen Powder gibt, ist es so, als ob man dahinschwebt, und ich glaube, das ist es, was die ganze Community auch gemeinsam hat. An guten Tagen teilen alle die Freude am Fahren.
Das ist also das, was die Community und den Lifestyle dieses Sports so besonders macht?
Genau. Es ist alles viel freier. Im Rennsport muss man durch Tore durchfahren. Beim Freeriden fährt jeder den Hang dort, wo er will. Man kann den Turn so setzen, wie man möchte. Deshalb, denke ich, sind auch alle superfreundlich, nett und offen miteinander. Weil es eben eine sehr lockere Community ist und nicht so streng wie beispielsweise beim Rennfahren.
Was ist deiner Meinung nach essenziell, um beim Freeriden erfolgreich zu sein?
Skitechnik – man muss ein guter Skifahrer sein. Und auch Freestyle-Technik ist wichtig, denn Tricks gehören mittlerweile zum Game dazu. Einer der wichtigsten Punkte ist, dass man auch sehr smart sein muss. Man muss wissen, was man kann und was man fahren soll. Es bringt nichts, der brutalste Sender zu sein, der sich überall rausschmeißt. Ein guter Freerider ist man, wenn man sich dort rausschmeißt, wo man auch landen kann, und dann auch landet.
Freeriden erfordert Risikobereitschaft und taktisches Denken. Wie balancierst du diese beiden Aspekte?
Das ist das Schwierigste und das, was das Competition-Fahren ausmacht, würde ich sagen. Schlussendlich ist es immer eine Fahrt auf Messers Schneide. Man muss so viel machen, wie man kann, aber nicht zu viel. Denn wenn man übertreibt, dann stürzt man oder baut einen Fehler ein und dann ist man nicht mehr in Podiumsreichweite. Ich mache es so, dass ich versuche, ein bisschen unter meinem Level zu fahren. Sprich, wenn ich mir eine Line heraussuche, dann fahre ich nicht 100 Prozent, sondern ein bisschen weniger, damit ich mir sicher sein kann, dass ich das Ganze sauber hinunterbringe.
Du bist ja vor allem durch deine Erfolge bei der Freeride World Tour (FWT) bekannt und hast die „Ski Men“-Gesamtwertung als erster Österreicher 2023 gewonnen. Wie war das für dich?
Geil. Es war damals ja eine schwierige Saison, es sind viele Bewerbe verschoben und abgesagt worden. Eine meiner Stärken ist mir dann zugutegekommen: Dass ich nicht immer 100 Prozent fahre und somit alle meine Runs gestanden habe, war dafür verantwortlich, dass ich gewonnen habe. Als ich am Ende Erster war, war das für mich auch eine riesige Überraschung.
Alle sind superfreundlich, nett und offen. Im Freeriden ist die Community sehr locker, nicht so streng wie beim alpinen Rennsport.
Für viele jüngere Freerider giltst du als Role Model. Wie ist das für dich?
Es ist cool, wenn man eine Vorbildrolle hat und dann auch dementsprechend den Jüngeren etwas zeigen kann. Ich gehe sehr gern mit Jüngeren fahren, weil sie noch mal mehr den Sender-Spirit haben und voll pushen wollen. Gleichzeitig pusht das dann mich selbst wieder. Ich gebe auch mein Wissen sehr gerne an die jüngere Generation weiter und schaue ihnen zu, wie sie sich weiterentwickeln.
Wenn man so eine Vorbildrolle hat, ergeben sich dann auch automatisch Erwartungshaltungen. Spürst du da einen Druck?
Teils, teils. Letztes Jahr – sprich in der Saison, nach der ich Worldchampion geworden bin – hatte ich das Gefühl, ich muss allen beweisen, dass ich das auch verdient habe. Heuer ist dieser Druck nicht mehr da. Bei der FWT ist der sogenannte Cut ein relativ großer Druck für alle, weil man nicht ausscheiden möchte: Bisher war es so, dass 50 Prozent der Rider nach der Hälfte des Bewerbs weggefallen sind. Ab heuer ist es so, dass nur noch 40 Prozent ausscheiden und die Chance somit größer ist, nicht wegzufallen.
Wie bereitest du dich auf die Bewerbe vor?
Körperlich mit Kraft- und Ausdauertraining. Mental – was eigentlich viel spannender ist – versuche ich so viele ähnliche Actionsportarten wie möglich konstant zu machen. Ich bin im Sommer am Biken, Surfen und Paragleiten. Das sind alles Sportarten, bei denen man im Kopf schnelle Entscheidungen treffen muss, wie beim Skifahren. Wenn man das konstant macht, fühlt man sich in solchen Situationen immer wohler und kann seine Fähigkeiten besser umsetzen.
Gibt es einen Run in deiner Karriere, auf den du besonders stolz bist?
Wahrscheinlich mein Sieg in Andorra. Bis dahin war mein bestes Ergebnis ein 9. Platz auf der FWT und dann habe ich Andorra gewonnen. Es war richtig erleichternd zu sehen: Es kann auch funktionieren.
Was zeichnet deinen Style aus?
Sicherlich eine gute, starke Skitechnik zwischen den Action-Moves. Ich versuche, die Sachen auch immer so einfach wie möglich aussehen zu lassen.
Abgesehen von den Wettkämpfen: Arbeitest du aktuell an speziellen Projekten?
Heuer konzentriere ich mich nur auf die FWT und fokussiere mich nebenbei darauf, mein Skifahren zu optimieren. Neben der Worldtour ist nicht viel Platz, ein größeres Projekt unterzubringen. Das ist aber auf jeden Fall ein Ziel für die nächsten Jahre.
Welche Ziele hast du dir für die Zukunft gesetzt?
Nächsten Winter haben wir zum ersten Mal Freeride-Weltmeisterschaften. Dort mitzufahren und dort auch zu punkten ist ein Ziel. Diesen Winter will ich wettkampftechnisch Spaß haben und wieder aufs Podium fahren. Abseits der Wettkämpfe würde ich sagen, dass für die nächsten Jahre Filmprojekte mein Ziel sind. Ich würde selbst gerne ein eigenes großes Filmprojekt umsetzen. Je nachdem wie lange ich noch FWT fahre, muss das aber noch ein bisschen warten.