Für die Autorin und Vaude-Athletin Ana Zirner war es nie das Ziel, ihr Hobby Bergsport zum Beruf zu machen. Warum sie dennoch ihre Outdoor-Leidenschaft beruflich leben kann und ihr Nachhaltigkeit so am Herzen liegt. Und inwiefern vermeintliche Schwächen auch Stärken sein können.
"Es ist immer einfach so passiert.“ Dieser Satz kommt im Lauf des Gespräches mit Ana Zirner öfters. Und genau dieser Satz ist auch der Grund dafür, warum die 38-Jährige auf einen beeindruckenden Lebenslauf zurückblicken kann. Dass die Berge einen derart großen Platz in ihrem Leben einnehmen würden, war dabei nicht vorgesehen – obwohl schon ihr Geburtsort den idealen Grundstein dafür gelegt hätte.
Aufgewachsen am Fuße der Kampenwand in den Bayerischen Voralpen, zog es die kleine Ana zunächst nur im Winter zum Skifahren und Snowboarden in die Berge. Wandern fand sie langweilig. Der Wendepunkt kam während eines Schulausfluges. „Ich hatte das Glück, dass ich einen ziemlich verrückten Lehrer hatte, der jedes Jahr mit der 9. Klasse eine Alpenüberquerung gemacht hat“, blickt Zirner schmunzelnd auf dieses einschneidende Erlebnis zurück. Losgegangen ist sie damals als Pubertierende, die eigentlich „null Bock“ darauf hatte, meint sie – und angekommen an der italienischen Grenze ist sie als eine, deren Begeisterung für die Berge riesig war. Dass sich aus diesem neuen Hobby und der Liebe dafür später ein Beruf entwickeln würde, stand zunächst dennoch noch nicht am Plan.
Von der Stadt in die Berge
Sie wollte Journalistin werden, landete schließlich jedoch bei der Film- und Theaterregie, womit sie bis 2017 auch ihr Geld verdiente. Im Sommer 2017 nahm sich Zirner eine Auszeit und beschloss ein Projekt umzusetzen, das schon länger in ihrem Kopf umherschwirrte: eine Solo-Alpenüberquerung vom slowenischen Ljubljana bis zur französischen Stadt Grenoble – durch fünf Länder von Ost nach West. In 60 Tagen legte sie 1900 Kilometer zurück.
„Ich hatte einfach schon immer Lust, alleine etwas in den Bergen zu machen“, beschreibt sie ihre Motivation eine längere Zeit auf sich selbst gestellt in ihrem immerwährenden Rückzugsort – den Steinmassiven – zu verbringen. Im Laufe dieser Reise kam dann die Idee, dieses Erlebnis in einem Buch („Alpensolo“) festzuhalten. Danach sollte sie wieder zu ihrem Job als Film- und Theaterregisseurin zurückkehren. Doch als der Verlag plötzlich nach ihrem nächsten Buch fragte und worum es sich dabei handeln würde, warf sie ihre Pläne wieder über Bord. Frei nach dem Gedanken: „Dann mache ich eben das zu meiner Berufung.“
Zirner beschloss, jedes Jahr eine mehrmonatige Solo-Tour durch ein Gebirge oder entlang eines Flusses (wie 2019 entlang des Colorado Rivers) zu machen und diese Erlebnisse in Form von Büchern (2020 „Rivertime“) oder Vorträgen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Dadurch hatte sie nicht nur die Möglichkeit, von ihren Reisen zu erzählen, sondern auch auf eine andere Herzensangelegenheit aufmerksam zu machen: die Natur und wie wir mit ihr umgehen.
Wilde Berge, weites Land
von Ana Zirner über ihre Reise durch den Kaukasus erscheint am 29. September 2022 im Malik Verlag.
Kampf gegen den Klimawandel
Denn dieses Thema geht Hand in Hand mit ihrer Leidenschaft für die Berge. Nirgendwo sonst werde einem so deutlich vor Augen geführt, wie der Klimawandel die Landschaft verändert, wie dort, wo die Gletscher beheimatet sind: „Wenn ich dann sehe, wie diese einfach wegschmelzen, tut mir das richtig weh“, beschreibt sie den Grund für ihr Bedürfnis, selbst ein nachhaltiges Leben zu führen und andere dafür zu sensibilisieren. Die Autorin möchte als Vorbild fungieren und anderen zeigen, wie schön es sein kann, das Leben nach dem Motto „weniger ist mehr“ zu gestalten. Wertschätzung für das, was wir haben, werde dadurch auf eine ganz andere Ebene gehoben, betont die Bergsportlerin: Egal, ob es um die Reparatur der Lieblingshose geht oder um das Reisen mit dem Zug.
Die Möglichkeit, Vorbild zu sein, sieht sie auch in der Wirtschaft: Jedes Unternehmen habe die Chance, die Art und Weise des Konsums der Menschen maßgeblich mitzugestalten und so ein Zeichen in Richtung Nachhaltigkeit zu setzen. Sei es durch eine klimafreundliche Produktion, das Unterstützen nachhaltiger Projekte oder einfach durch das Eingestehen, dass es in manchen Bereichen hinsichtlich des Klimaschutzes noch Verbesserungspotenzial gibt. All diese Faktoren schätzt die Sportlerin auch an ihrem Kooperations-Partner, dem Outdoor-Ausrüster Vaude. „Ich könnte nicht mit einer Firma zusammenarbeiten, an deren Ideale ich nicht glaube. Auch deshalb, weil ich einfach superschlecht lügen kann“, begründet sie ihre Partnerschaft.
Wenn Schwächen Stärken sind
Dass Ana Zirner ihren Idealen treu bleibt, lässt sich auch an ihren Charakterzügen ablesen. Etwa daran, dass im Zusammenhang mit ihrem Namen immer wieder der Begriff „starke Frau“ fällt. Die Autorin versucht zu skizzieren, warum sie dieser Zuschreibung gerecht wird: „Sensibel, emotional und angreifbar zu sein und dies offen zu zeigen, ist für mich ein maßgeblicher Bestandteil davon, eine starke Frau zu sein.“ Denn sich einzugestehen und auch zu kommunizieren, dass bestimmte Handlungen einen verletzen oder man damit gerade nicht so gut klarkommt, benötige oft eine enorme Stärke. Deswegen zählt sie diese Eigenschaften genauso zu ihren positiven Merkmalen wie ihre Selbstständigkeit und Flexibilität.
Eine bestimmte Flexibilität zu bewahren, empfiehlt sie übrigens allen, die darüber nachdenken, es ihr gleichzutun und sich ebenfalls auf eine längere Solo-Tour zu begeben. Denn oft komme alles ganz anders, als es ursprünglich geplant war. Ein besonderes Plus hat das Alleine-unterwegs-Sein in diesem Punkt jedoch auch: spontane Planänderungen können dadurch, dass sie mit niemanden diskutiert werden müssen, ausgesprochen einfach umgesetzt werden. Abschließend möchte die Bergsportlerin allen noch zwei weitere Tipps mit auf den Weg geben: „Der erste Schritt ist immer der Schwierigste. Der muss gemacht werden. Alles andere ergibt sich dann von selbst.“ Und: „Leistung ist relativ.“ Es sei keineswegs von Vorteil, sich immer mit anderen zu vergleichen. Ausreden, nicht fit oder schnell genug zu sein, zählen für sie nicht. „Es gilt, immer da zu beginnen, wo man selbst gerade steht.“ Und dann lässt man es einfach so passieren.