Lange Federwege und robuste Anbauteile machen moderne E-Enduros zu wahren Abfahrtskünstlern, ausgereifte Motoren und Akkus nehmen dem (steilen) Weg zum Traileinstieg seinen Schrecken.
Ob ihrer gelungenen Balance aus bikeparktauglicher Abfahtsperformance und durchaus tourentauglicher Sitzposition haben sich Enduros über die Jahre eine treue Fangemeinde im Gravity-Segment geschaffen. Bloß: Bergauf muss der Pilot den Preis für die Kompetenz am Trail bezahlen. Wer ordentlich Höhenmeter für entsprechende Tiefenmeter sammeln möchte, der braucht ausreichend Schmalz in den Waden – oder macht sich mit modernen E-Enduros das Leben leicht. Noch mal zum Einstieg des feinen Trails vom Vormittag hochtreten? Warum nicht! Abends nach der Arbeit die 700 Höhenmeter zum Hometrail? Sind locker drinnen.
Enduro, nur mit „E“
Die mit 160 bis 180 mm Federweg und robusten Laufrädern und Anbauteilen schwer auf Abfahrt getrimmten Boliden drängen dank moderner Mittelmotorkonzepte bergwärts, als hätten sie 15 Kilogramm weniger auf den Rippen. Damit machen einfache Pfade oder sogenannte Uphill-Trails sogar bergauf richtig Laune, weiß auch YTs Sebastian Maag. Wer leichte Räder gewohnt ist, der sollte sich bergab aber erst einige Tiefenmeter Zeit zur Eingewöhnung an das doch recht hohe Systemgewicht der E-Enduros schenken, ehe er es krachen lässt. „Das höhere Gewicht erfordert einen aktiveren Fahrstil, ab einem gewissen fahrerischen Niveau wird so der Körper spürbar stärker gefordert“, erklärt Maag. Einmal im Flow, schaffen es die Produktentwickler die Pfunde dank ausgereifter Geometrien, smarter Gewichtsverteilung oder „Hilfsmitteln“ wie kleinen 27,5“-Hinter- und großen 29“-Vorderrädern (auch „Mullet“ oder „Mixed-Wheel“ genannt) geschickt zu kaschieren.
Ein stetig wachsender Trend im E-Enduro-Segment ist jener zu sogenannten Minimal-Assist-Bikes respektive Light-E-MTBs, wie Maag und auch Michael Forstinger von NOX Cycles jenen Enduristen, die auf der Suche nach maximal „natürlichem“ Abfahrtsverhalten sind, als Denkanstoß mit auf den Weg geben. Gegenüber den bärenstarken, aber eben auch schweren „Klassikern“ um Bosch und Shimano sind die Minimal/Light-Bikes mit um die 35 bis 60 Nm Drehmoment und kleineren Akkus (beispielsweise Fazua) am Papier zwar unterlegen – dafür aber deutlich schlanker und zeigen sich am Trail wie in der Luft deutlich verspielter und wendiger. Ob (wenn nötig) Kraft ohne Ende oder maximale Finesse am Trail kombiniert mit etwas höherem sportlichen Anspruch bergauf: Das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.
Kaufentscheidend
„E-Bikes in Bikeparks oder auf anspruchsvollen, ruppigen Trails werden natürlich wesentlich stärker beansprucht als E-Bikes auf Romantikwegen“, scherzt Forstinger. Neben ausreichend Federweg gehören da auch stabile Rahmen und auf den E-Einsatz im Gelände ausgelegte Komponenten, von der Vier-Kolben-Bremse mit zumindest 203 mm Scheiben über griffige Reifen bis zu robusten Laufrädern mit ins Boot. Im Grunde, so Maag, verhält es sich abseits der motorbezogenen Details wie beim Bike ohne Motor: Geometrie, Federweg und das Handling müssen auch am E-Enduro zu den persönlichen Vorlieben und zum Einsatzzweck passen.